Alternative Kraftstoffe
E-Fuel von Porsche & Siemens Energy

Porsche und Siemens Energy starten im Süden Chiles mit weiteren Partnern eine Pilotanlage zur Kraftstoffherstellung. Es soll eine Fabrik entstehen, die mithilfe von Windenergie im industriellen Maßstab klimaneutrale Flüssigkraftstoffe, sogenannte E-Fuels, herstellt.

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Foto: Porsche, Siemens, Solarbelt FairFuel

Die Ziele sind ehrgeizig: Bereits im Jahr 2022 soll die Anlage unter dem Projektnamen Haru Oni 130 000 Liter des grünen Treibstoffs herstellen, zwei Jahre später sollen es 55 Millionen Liter sein und im Jahr 2026 sogar 550 Millionen Liter. Genug, um den weltweiten Jahresabsatz von etwa 35 000 Porsche 911 mit E-Fuels klimaneutral betreiben zu können.

Dass ein Sportwagenhersteller sich auf diesem Gebiet engagiert, hat einen guten Grund: Porsche will bis 2030 eine CO2-neutrale Bilanz vorweisen und bis dahin 80 Prozent seiner Autos mit E-Antrieb ausrüsten. Die restlichen 20 Prozent, darunter der Kult-Sportwagen 911, sollen über klimaneutrale Kraftstoffe ebenfalls grün eingefärbt werden. "E-Fuels sind unverzichtbar, wenn man rasche Erfolge bei der CO2-Reduzierung erreichen will", sagt Porsche-Entwicklungsvorstand Michael Steiner. Laut ihm wird es viel zu lange dauern, bis Elektroautos sich so stark durchgesetzt haben, dass sie die Emissionen im Straßenverkehr wesentlich senken können. Für Porsche sind die synthetischen Kraftstoffe ein wichtiger Baustein, denn ein sehr großer Teil der bisher produzierten Autos fahren noch – deswegen sollen aus dem grünen Wasserstoff auch ganz normale Kraftstoffe synthetisiert werden, um keine Veränderungen an den Verbrennungsmotoren vornehmen zu müssen. Erste Tests mit dem neuen Kraftstoff auf einem aktuellen Serien-Porsche 911 haben gezeigt, dass die Kraftstoffe problemlos funktionieren können. Ob als Drop-in-Fuels, bei denen die fossilen Kraftstoffe anteilig beigemischt werden, oder als rein synthetischer Kraftstoff – die Möglichkeiten sind jedenfalls vielfältig.

Unsere Highlights

Der Startschuss für das Projekt fiel 2021, bereits in 2022 soll die Pilotanlage E-Fuels produzieren. Der Standort der Anlage liegt in der südchilenischen Region Magallanes auf 53 Grad südlicher Breite. Was kein Zufall ist, denn hier in der subpolaren Westwindzone bläst fast das ganze Jahr ein konstant starker Wind aus westlichen Richtungen. Die Luftströmung ist etwa viermal stärker als die Winde in unseren Breiten, etwa in der Deutschen Bucht auf der Nordsee.

Die Technik im Detail

Der Windgenerator

Die Energie in Haru Oni erzeugt eine Gamesa-SG-3.4-132-Windturbine von Siemens Energy. Sie verfügt über drei Rotorblätter – jedes einzelne 64,5 Meter lang. Die Blätter sind aus glasfaserverstärkten Kunststoffen gefertigt und übertragen die Windenergie auf die auf einem Turm in 165 Metern Höhe befindliche Nabe. Über ein dreistufiges Getriebe wird die Drehbewegung dort einer Asynchronmaschine zugeführt, die über eine 690-Volt-Wechselspannung eine Leistung von bis zu 3,4 Megawatt erreicht.

Die Elektrolyse

Ein Großteil der so gewonnenen Energie wird zum elektrischen Aufspalten von Wasser verwendet. Hierzu gibt es einen Wassertank, der den ebenfalls von Siemens stammenden Silyzer 200 PEM mit dem Rohstoff Wasser versorgt. Dieses Wasser wird mit dem grünen Strom des Windgenerators in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. In dem Silyzer findet die Elektrolyse über eine Protonenaustauschmembran statt, die für Protonen (H+) durchlässig, aber für Gase und Elektronen dicht ist.

Die Membran fungiert als elektrischer Isolator zwischen Anoden- und Kathodenseite sowie als physikalischer Separator, der verhindert, dass sich Wasserstoff und Sauerstoff erneut mischen.

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Porsche, Siemens, Solarbelt FairFuel
Im sogenannten Silyzer findet die Elektrolyse des Wassers statt. Wasserstoff- und Sauerstoff-Atome werden hier elektrisch voneinander getrennt

Dieses Verfahren ermöglicht einen optimalen Wirkungsgrad bei hohen Leistungsdichten und eine gute Produktgasqualität auch bei Teillastbetrieb. Die Elektrolyse-Apparatur ist wartungsarm und produziert den Wasserstoff ohne Einsatz von Fremdstoffen.

Air Capture von CO2

Um aus dem gewonnenen Wasserstoff über eine Zwischenstufe Methanol dann Kraftstoff herzustellen, wird klimaneutraler Kohlenstoff benötigt. Und der wird direkt aus der Umgebungsluft mithilfe des "Direct Air Capture"-Systems von Global Thermostat eingefangen. Bei dem Verfahren werden trockene chemische Sorptionsstoffe auf Aminbasis verwendet, die an poröse, wabenförmige Keramikmonolithen gebunden sind. Diese Kohlenstoffschwämme absorbieren CO2 effizient direkt aus der Atmosphäre.

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Porsche, Siemens, Solarbelt FairFuel
Der zur Kraftstoffherstellung notwendige Kohlenstoff wird direkt aus dem Kohlendioxid der Luft gewonnen und über ein Niedertemperaturdampf-Verfahren abgeschieden

Das abgeschiedene CO2 wird dann abgestreift und mit Niedertemperaturdampf (85–100° C) aufgefangen. Die Produktion ergibt 98 Prozent reines CO2. Während des Prozesses werden nur Dampf und grüner Strom verbraucht, schädliche Emissionen oder Abwässer entstehen nicht.

Zwischenstufe Methanol

Mithilfe des gewonnenen CO2 lässt sich aus dem grünen Wasserstoff ein flüssiges E-Methanol herstellen. Die beiden Synthesegase werden hierzu vermischt und reagieren beim Passieren eines Katalysators zu (grünem) Methanol.

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Porsche, Siemens, Solarbelt FairFuel
Aus drei Wasserstoffmolekülen und einem Kohlendioxid-Molekül wird in einem speziellen Methanolsynthese-Reaktor reines E-Methanol

Kraftstoffgewinnung

Um das flüssige Methanol nun in einen synthetischen Kraftstoff umzuwandeln, gibt es einen weiteren Reaktor, eine sogenannte MTG-Anlage (engl.: Methanol-to-Gasoline). Bei diesem Verfahren wird das Methanol durch eine Reihe von Wärmetauschern verdampft und überhitzt und dann in den Wirbelschichtreaktor zur Umwandlung in Kohlenwasserstoff-basierten Brennstoff und Wasser eingespeist.

Im weiteren Verfahren wird das Rohbenzin in Schwer- und Leichtbenzin getrennt und schließlich in einem Veredlungsprozess zu klimaneutralem E-Fuel oder E-Kerosin raffiniert.

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Porsche, Siemens, Solarbelt FairFuel
In diesem Verfahren können aus dem erzeugten E-Methanol verschiedene Benzinqualitäten abgeleitet und veredelt werden

Bei dem Verfahren entsteht außerdem noch flüssiges Gas (E-LPG), was ebenfalls als klimaneutraler Energieträger genutzt wird. Am Ende der Versuchsanlage ist ein Tanklager, in dem der grüne Treibstoff, der dann der Treibstoffnorm EN 228 entspricht, gelagert wird.

Nachhaltiger Transport

Aktuell soll der so gewonnene Sprit in Tank-Containern per Schiff nach Europa transportiert werden. Wenn der Treibstoff später konsequent mit Tank- oder Containerschiffen, die ebenfalls ohne fossile Brennstoffe auskommen, auf die über 14 000 Kilometer lange Reise nach Europa gehen würde, wären tatsächlich Herstellung und die gesamte Lieferkette klimaneutral.

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Porsche, Siemens, Solarbelt FairFuel
E-Fuels, etwa von Solarbelt FairFuel in Werlte, sind wegen ihrer hohen Energiedichte besonders für die Luftfahrt interessant. Grünes E-Kerosin hat den großen Vorteil, Kohlendioxid-neutral zu verbrennen: Aus dem Triebwerk kommt nur so viel Kohlendioxid, wie das Kerosin bei seiner Herstellung zuvor der Atmosphäre entzogen hat – wenn das Kohlendioxid aus nicht fossilen Reststoffen oder per Direct Air Capture gewonnen wird. Allerdings erzeugt auch E-Kerosin wie fossiles Kerosin im Flugverkehr noch eine Reihe weiterer Klimaeffekte. Dazu gehören insbesondere die Bildung von Kondensstreifen und Ozon in großen Flughöhen, die zusammengefasst Non-Kohlendioxid-Effekte genannt werden. Kondensstreifen und Ozon zusammen erwärmen das Klima sogar doppelt so stark wie das reine Kohlendioxid des Kraftstoffs. Eine Lösung dieses Problems steht noch aus

Porsche will die so hergestellten Treibstoffe zunächst im Motorsport einsetzen und weiter erproben. Als mittelfristiges Ziel steht die Anerkennung und vor allem die Anrechnung der grünen Treibstoffe in die eigene Umweltbilanz. Hier ist die Politik gefragt und muss Weichen stellen, um weitere Unternehmen diesem Beispiel folgen zu lassen. Da neben Siemens Energy, Porsche, ExxonMobil und weiteren Industrieunternehmen auch von staatlicher Seite das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz als Förderer mit acht Millionen Euro dabei ist, ist das Interesse am Ausbau dieser Technologien sicher hoch.

Apropos Kosten: Die Pilotanlage liegt aktuell bei etwa 40 Millionen Euro. Die Zukunftspläne für den Windpark sind ambitioniert: Schon bis 2024 soll der Windpark um rund 280 MW erweitert werden – dann verrichten 50 Windräder ihren Dienst und produzieren jährlich 55 Millionen Liter E-Fuel. Hier wird die Anlage bereits bei ca. 500 Millionen Euro liegen. Wenn alles glatt läuft, werden in dem 100 Quadratkilometer großen Areal bis zum Jahr 2026 rund 400 Windturbinen 2,5 Gigawatt Strom erzeugen, mit dem gut 550 Millionen Liter E-Fuel im industriellen Maßstab produziert werden können.

Dank der idealen geophysischen Bedingungen in Chile kann hier der Ökostrom recht kostengünstig produziert werden, sodass ein Liter E-Fuel mit sämtlichen Prozesskosten bereits im Jahr 2024 für unter zwei Euro pro Liter hergestellt und geliefert werden kann. Mit dem Ausbau bis 2026 soll der Liter E- Fuel unter 1,50 Euro kommen, inklusive 10 Cent Steuern je Liter, wie es aktuell beim steuerlich vergleichbaren LPG der Fall ist.