Wenn du dich von Michael Kelz in der noch leicht getarnten Mercedes E-Klasse durch den Red Rock Canyon bei Las Vegas fahren lässt, wird dir auf gar keinen Fall langweilig. Weil da eben reichlich rot-weiß-gelb leuchtende Felsen herumstehen, die vor 400 Millionen Jahren Teil eines imposanten Jura-Meeres waren. Und weil der Mann natürlich zu jedem Zentimeter des W213 die passende Geschichte erzählen kann. Ein klassischer Chef-Ingenieur halt. So ein Facelift heißt bei Mercedes traditionell Modellpflege oder verkürzt MOPF, was nichts am generellen Leistungsumfang ändert. Grundsätzlich gilt: Auch wenn du so einem MOPF-Benz seinen Neuheitenwert nicht immer auf den ersten Blick ansiehst, die Ingenieure haben reichlich Arbeit reingesteckt. Daran lässt auch Michael Kelz keinen Zweifel, als wir nach kurzer Einweisung durch eine Park-Rangerin in den Red Rock rollen.
Optisch wird die E-Klasse zum Sommer evolutionär entrümpelt und an den aktuellen Look der aktuellen Mercedes-Designlinie angepasst. Heißt: Es gibt eine neue Nase, frische Schürzen vorne und hinten und einen neuen Kofferraumdeckel mit deutlich schmaleren LED-Leuchten. Die sind zwar noch abgeklebt, trotzdem in ihrer grundsätzlichen Form ganz gut zu erahnen. Design-Kosmetik ergänzt durch ein gestrafftes Angebot bei den Ausstattungslinien. Künftig gibt es nur noch drei Linien: Avantgarde, Exclusive und AMG. Die „nackte“ Basis entfällt. Wer den Stern nicht im Kühler will, sondern traditionell auf der Motorhaube, muss das Kreuzchen bei „Exclusive“ machen. Insgesamt also keine Überraschungen beim Design. Und das ist auch gut so. Das Risiko, mit radikalen Schritten die traditionellen Kunden zu verschrecken, ist einfach zu groß! Trotz SUV-Boom bleibt die E-Klasse nämlich nach wie vor ein Renditebringer für die Marke mit dem Stern.
Spannend wird die Sache, wenn man sich ansieht, was unterm Blech passiert ist. Da erzählt Michael Kelz vor allem von der Herausforderung, die E-Klasse zwischen den kleinen modernen Baureihen und der alles überstrahlenden S-Klasse technisch clever zu positionieren. Weil: Die E-Klasse startet traditionell sehr früh, wird dann technisch von den kleinen Modellen „überholt“ und trifft dann meistens frisch modellgepflegt auf die vor Innovationen strotzende S-Klasse. Gerade im direkten Vergleich mit dem Luxus-Benz darf so eine E-Klasse nie langweilig wirken. Und genau deshalb bringt das Facelift vor allem bei den Assistenz- und Infotainment-Systemen jede Menge Neuheiten. „Die gesamte Software des Autos ist praktisch neu!“, betont Kelz.
Und weil das so ist, sind jetzt auch im E-Klasse-Cockpit die klassischen Rundinstrumente Geschichte. Wie in allen neuen Baureihe gibt's künftig ausschließlich die MBUX-Version mit den beiden 10,25 Zoll großen Displays und der „Hey Mercedes“-Sprachbedienung. Wie im GLE reagiert MBUX aber nicht nur auf Sprache, sondern auch auf Gesten. Und weil im Innenraum zwei Mikrofone verbaut sind, kann der digitale Mercedes-Assistent auch die Stimmen von Fahrer und Beifahrer auseinander halten. Auf der Mittelkonsole sitzt jetzt das seit der MBUX-Einführung bekannte Touchpad, mit dem man durch die Menüs wischen kann. Neu ist auch die Augmented-Funktion, die Hinweise wie Hausnummern oder auch das Ampellicht virtuell ins Videobild auf dem MBUX-Display einblendet. Wirklich gut: die beiden großen Displays und das Touchpad fügen sich überraschend gut in den Rest des Cockpits ein. Das wirkt dadurch auf einen Schlag extrem modern, obwohl am Grund-Layout sonst fast nichts verändert wurde.
Und weil wir uns gerade detailverliebt über die Bedienlogik von MBUX unterhalten, erklärt mir Michael Kelz auch gleich das neue Lenkrad. Das wirkt mit seinem kleinen Pralltopf und drei Doppelstegen deutlich dezenter als bislang, stammt von der Grundidee aber aus dem Mercedes-Maybach Ultimate Luxury. Wobei die Optik eigentlich keine Rolle spielt. Neu ist vor allem die Technik. Statt einzelner Knöpfe und Schalter sind die Bedienelemente auf dem Volant kapazitiv, sie reagieren also auf alle Arten von Berührung. Wischen, tippen, streichen – alles geht. Gedrückt werden kann dennoch, wobei sich dann das gesamte Bedienfeld „wippt“, nicht die einzelne „Taste“. Kapazitive Bedienfelder sind nichts Neues. Sie haben aber immer das Problem, dass sich das Ganze in der Nutzung künstlich anfühlt, weil sich eben nichts bewegt. Das umgehen die Mercedes-Leute mit dem flexibel gelagerten Bedienfeld.
Das alles demonstriert Michael Kelz während der Fahrt und nimmt dabei immer wieder beide Hände vom Steuer. Der W213 findet dennoch seinen Weg, weil der überarbeitete Lenk-Assistent keine Probleme hat, den tiefdunklen Asphalt sauber zu erkennen. Weil wir in einer US-Version unterwegs sind, kann er bis zu 30 Sekunden lang die Hände vom Steuer nehmen. „In Europa erlauben die Vorschriften aber nur eine deutlich kürzere Zeitspanne!“, so Kelz. Weil parallel der Tempomat die Geschwindigkeitsregelung übernimmt und dabei auch Daten aus den Navigationskarten und der Frontkamera mitverarbeitet, segeln wir von Zeit zu Zeit durch die monumentale Marslandschaft. Heißt: Der Motor geht aus, wenn der Schwung reicht, um die Geschwindigkeit zu halten.
Das ist keine echte Innovation, basierte bislang aber darauf, dass lediglich die Kupplung geöffnet wurde, während der Motor weiter lief. Mit der Modellpflege wechseln aber alle E-Klasse-Motoren ins riemenlose Mildhybrid-Lager. Lediglich die kleinen Diesel gibt es dann noch ohne integrierten Startergenerator (ISG) und 48-Volt-Technik. Der ISG holt den Motor mit einem Ruckeln aus dem Segelschlaf. „Das verschwindet bis zum Serienstart!“, verspricht Kelz. Keine der im Red Rock Valley eingesetzten E-Klassen hat den aktuellsten Software-Stand an Bord. Kleine Komfort-Einschränkung: Weil der Klima-Kompressor nach wie vor an einem Riemen hängt, hat auch die Klimatisierung beim Segeln Pause. Die passenden elektrisch angetriebenen Klima-