Mercedes-AMG SL (2021): Der Luxus-Roadster in neuer Bestform

1:25 Min. 13.07.2021

Mercedes-AMG SL

Der Mercedes SL ist eines der wenigen Autos, das in einem Vergleichstest bei auto motor und sport selbst Szene-Größen wie den Porsche 911 gelegentlich auf Platz 2 verweist.

Die Affalterbacher legen großen Wert darauf, dass der neue SL nicht nur mit seinem Vorgänger, sondern auch mit dem AMG GT Roadster keine Bauteile gemein hat. AMG kombiniert einen Aluminium-Spaceframe und eine selbsttragende Struktur zu einer neuen Roadster-Architektur, die aus einem weiteren Materialmix von Stahl, Magnesium und Faserverbundwerkstoffen besteht. In puncto Torsionssteifigkeit soll der neue SL seinen Vorgänger damit um 18 Prozent übertreffen. Im Vergleich zum AMG GT Roadster fällt die Quersteifigkeit um 50 Prozent und die Längssteifigkeit um 40 Prozent höher aus.

Das Mehrgewicht ist unter anderem auf den neuen Antriebsstrang zurückzuführen, denn der SL fährt erstmals mit dem Allradantrieb 4Matic+ vor. Die Momentverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse erfolgt vollvariabel, permanent angetrieben ist jedoch nur die Hinterachse. Eine elektromechanische Kupplung verpflichtet die Vorderachse bei Bedarf zur Mitarbeit– entweder auf Grund der vom Fahrzeug ermittelten Untergrundbeschaffenheit und Schlupf-Verhältnisse oder auf Wunsch des Fahrers.

Der bekannte Vierliter-V8 (M177) mit zwei Twin-Scroll-Turboladern liefert die adäquate Power. In der Topversion SL 63 4Matic+ sind das 585 PS und 800 Newtonmeter maximales Drehmoment (476 PS und 700 Nm im SL 55 4Matic+). Die gesteigerte Leistung sind einem höheren Ladedruck, einem größeren Luftdurchsatz und einer modifizierten Motorsteuerung zu verdanken. Drei Kühlkreisläufe temperieren Motor, Lader, Getriebe, Luft, Öl, Heizung und Steuergerät; gebaut werden die Motoren bei AMG in Affalterbach nach dem Prinzip "One Man, One Engine" von einer Person pro Aggregat. Als weitere Variante gibt es den SL bald in Gestalt eines 63 S E Performance – also mit dem elektrifizierten Antriebsstrang aus dem AMG GT 4-Türer. Der stillt den Leistungshunger der Kundschaft mit einem 612 PS starken V8, und einem E-Motor an der Hinterachse als Beilage. Die Systemleistung klettert damit auf mehr als 800 PS, das Systemdrehmoment liegt bei massigen 1.430 Newtonmetern. Offizielle technische Daten gibt es aber erst zur Weltpremiere des potenten PHEV.

Die Kraft der Maschine sortiert das AMG Speedshift MCT 9G Getriebe, in dem eine nasse Anfahrkupplung den Drehmomentwandler ersetzt. Dadurch will AMG das Ansprechverhalten bei Spurt und Lastwechseln verbessert wissen. Für den perfekten Schub aus dem Stand sorgt die "Race Start" getaufte Launch Control. Nach 3,6 Sekunden huscht die Ziffer 100 über den digitalen Tacho, erst bei rund 315 km/h ist Schluss (3,9 Sekunden und 295 km/h Vmax im SL 55 4Matic+). Eingebremst wird die wilde Fahrt von einer neuen AMG-Verbundbremsanlage aus Stahlguss und Aluminium (Serie) oder der AMG-Keramikbremse (optional).

Der SL 63 verfügt serienmäßig über sechs unterschiedliche Fahrprogramme, um die eingangs beschriebene Spreizung zwischen Komfort und Dynamik in spürbar differenzierte Häppchen zu unterteilen. Der Pilot kann zwischen Glätte, Comfort, Sport, Sport +, Individual und Race wählen.

Der große SL 63 erhält ab Werk das AMG Active Ride Control Fahrwerk inklusive Wankstabilisierung. Hier ersetzen semiaktive Hydraulikelemente die mechanischen Drehstab-Querstabilisatoren, um etwaiges Schaukeln in den Kurven zu unterbinden. Zusätzlich erhalten die adaptiven Dämpfer je zwei hydraulische Anschlüsse – einen auf Zug- und einen auf Druckseite. Mit diesem Aufbau will AMG eben jenes große Versprechen einlösen, Komfort und Sportlichkeit in einem Auto zu verbinden. Die Idee: Die hydraulische Verschaltung der Federbeine erlaubt zusammen mit einer Druckregulierung von Pumpe und Stellventilen eine breite Wankfederrate bei gleichzeitig reduzierten Wankbewegungen. Wer Bedarf hat, kann dieses Fahrwerk zudem um die optionale Liftfunktion der Vorderachse ergänzen.

Der kleinere SL 55 erhält das AMG Ride Control Stahlfahrwerk mit adaptiver Verstelldämpfung und auf Wunsch als Option ein elektronisch gesteuertes Hinterachs-Sperrdifferenzial, das der große Bruder sich bereits ab Werk gönnt. Dafür erhalten beide aufpreisfrei eine aktive Hinterachslenkung, die mit maximal 2,5 Grad je nach Tempo gegen- oder gleichsinnig die Hinterräder einschlägt. Damit sinkt beispielsweise der Wendekreis von 13,2 auf 12,1 Meter. Als erstes Serienfahrzeug von AMG trägt der SL 55 eine Raumlenker-Vorderachse mit fünf Lenkern unter dem Bug. Die Konstruktion soll Antriebseinflüsse auf die Lenkung reduzieren – besonders bei hohen Querbeschleunigungen. Dazu kommen neue Leichtbauschraubenfedern, deren Gewicht durch eine spezielle Wärmebehandlung sinkt.

Auch in puncto Aerodynamik dreht AMG noch eine Runde auf dem Karussell der Effizienzsteigerung. Dabei im Fokus: Das Verhältnis zwischen geringem Luftwiderstand und hohem Abtrieb, beziehungsweise geringem Auftrieb. Deshalb erhält der Unterboden eine großflächige Verkleidung und der aktive Heckspoiler gleich sechs unterschiedliche Einstellungen. Über die großen Einlässe in der Frontschürze gelangt der Luftstrom zudem präziser an Kühler und Bremsen.

Fahrer und Beifahrer nehmen serienmäßig auf elektrisch verstellbaren Sportsitzen Platz, können auf Wunsch aber auch auf AMG Performance Gestühl upgraden. Das ist dann zwar spürbar straffer, aber immer noch ausreichend bequem und selbst Menschen mit einem Body Mass Index nördlich der 26 müssen keine Quetschungen fürchten und können beherzt ins Lenkrad greifen. In ein AMG Performance Lenkrad, um es genau zu sagen. Warum AMG in der Pressemitteilung zum SL von einem "Hyperanalogen Cockpit" spricht, lässt sich beim direkten Fahrzeugkontakt nicht abschließend klären. Die Instrumente sind volldigitalisiert, in der Mitte sitzt der große Touchscreen samt aktueller MBUX-Version, wie wir das bereits aus der neuen S-Klasse kennen. Ziemlich digital, wenn Sie uns fragen.

Von der S-Klasse leiht sich der SL noch mehr als das Infotainment. Auch das Digital Light, das in der Lage ist, etwa Warnhinweise auf die Fahrbahn zu projizieren, können Sie einbuchen. Die komplette Telematik und Sensorik stammt ebenfalls aus dem Mercedes-Flaggschiff, lediglich das Head-Up-Display entspricht jenem aus der neuen C-Klasse.

Bestellbar ist der Mercedes‑AMG SL seit März 2022. Für das Top-Modell SL 63 4Matic+ werden aktuell wenigstens 194.535 Euro verlangt. Der SL 55 war bislang nur im europäischen Ausland zu haben. Ab April 2023 findet sich der kleinere V8 aber auch auf der deutschen Preisliste. Zu haben ist der SL 55 4Matic+ zu Preisen ab 166.618 Euro. Günstiger ist der SL nur in der Vierzylinder-Variante Mercedes-AMG SL 43, die ab 127.027 Euro konfiguriert werden kann.

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