Lotus Evija (Type 130): Technische Daten, Fakten, Bilder

1:53 Min. 19.10.2020

Lotus Evija - Goodwood Speedweek 2020

Lange war es still um den Lotus Evija. 2021 hatte das erste Elektro-Hypercar der Briten noch mehrere öffentliche Auftritte, zum Beispiel beim Goodwood Festival of Speed oder bei der Monterey Car Week. Seitdem? Funkstille! Ist der Sportwagen inzwischen auf dem Markt? Bindet die parallele PR-Kampagne für den Elektro-SUV Eletre alle Ressourcen? Oder wurde Lotus erneut im Zeitplan zurückgeworfen, beispielsweise durch den Rechtsstreit mit dem ehemaligen Entwicklungspartner Williams Engineering?

Keine dieser Fragen lässt sich aktuell seriös beantworten. Klar ist nur: Der Evija meldet sich gerade zurück. Lotus legt ein Sondermodell des Sportwagens auf, das eines der erfolgreichsten Jahre im Motorsport feiert, das die Briten je hatten: In der Formel-1-Saison 1972, vor genau 50 Jahren also, gewann der Brasilianer Emerson Fittipaldi im Lotus Typ 72 fünf von elf Rennen. Er wurde souverän Fahrer-Weltmeister und Lotus holte sich den Konstrukteurspokal.

Der Evija würdigt diese Triumphe mit einem Farbschema in den legendären John-Player-Special-Farben Schwarz und Gold, die – so will es der Zufall – ebenfalls 1972 debütierten. Neben der Karosserie tragen auch Bremssättel sowie die Räder dieses Finish, wobei sich deren Zentralverschlüsse unterscheiden: Links sind sie rot, rechts sind sie grün. Zudem prangt Fittipaldis Name an der Flanke und erinnern die fünf Embleme auf dem aktiven Heckflügel an jeden Grand-Prix-Sieg dieses so erfolgreichen Jahres. In das Kohlefaserdach des Evija wird eine Draufsicht des damaligen Formel-1-Boliden geätzt.

Passend dazu zeigt sich das Interieur gestaltet. Goldene Nähte finden sich nicht nur an Sitzen, Türverkleidungen und Armaturenbrett, sondern auch am Dachhimmel. Weitere Details wie die Einfassungen der Lüftungsschlitze, der zentrale Drehknopf, die Start-/Stopp-Taste und die Pedale tragen ebenfalls diese Farbe. Emerson Fittipladi ist in Form seiner Unterschrift auf dem Instrumententräger verewigt. Hinzu kommt der zentrale Drehknopf auf dem Armaturenbrett, der aus recyceltem Original-Aluminium des Typs 72 gefertigt wird.

Zudem spielt die Ziffer "8" bei dem Sondermodell eine entscheidende Rolle. Sie findet sich außen an den B-Säulen des Sondermodells – aus gutem Grund: Fittipaldis Auto trug in der Triumph-Saison diese Startnummer beispielsweise beim britischen Grand Prix, den er gewann. Bis heute haben genau acht Exemplare des mehrere Saisons eingesetzten Lotus Typ 72 überlebt. Folgerichtig umfasst die Fittipaldi-Sonderserie lediglich acht Autos, die alle schon verkauft sind und ab Anfang 2023 ausgeliefert werden.

Damit gibt es endlich wieder ein konkretes Lieferdatum für den Evija, der eigentlich schon Anfang 2020 auf den Markt kommen sollte. Dann kam die Corona-Pandemie und der Produktionsstart wurde auf Mitte 2021 verschoben. Es folgte die erwähnte Funkstille in Bezug auf das Auto, mit denen das kleine Lotus die Großen ärgern will.

Ein paar Zahlen gefällig? Der Lotus Evija soll in unter drei Sekunden auf Landstraßentempo beschleunigen. Er soll in weniger als neun Sekunden auf 300 km/h jagen. Nur mal so: Ein Lamborghini Aventador S mit 750 PS sprintet in 8,8 Sekunden auf "nur" 200 km/h. Dazu soll der rein elektrisch angetriebene Evija 400 Kilometer weit kommen nach dem Messzyklus WLTP. Und die Batterie soll in 18 Minuten wieder vollgeladen sein.

"Mit diesem Hypercar zeigen wir und Geely, wie ernst es uns ist. Wir wollen keine leeren Versprechungen abgeben, sondern Lotus-typische Sportwagen bauen. Mit diesem Hypercar zeigen wir, dass wir wieder ganz oben mitmischen wollen bei der Technologie", sagt Lotus-Sportwagen-CEO Phil Popham. Der Evija ist das 130. Modell der Firmengeschichte, sofern man neben den Straßenautos auch alle Rennwagen mitrechnet. Deshalb wird der angestrebte Überflieger intern auch Type 130 genannt. Und deshalb werden genau 130 Exemplare gebaut.

Für jedes Rad ist ein Elektromotor zuständig. Lotus will jeweils eine Leistung von gut 500 PS erzielen. Das wären in Summe mehr als 2.000 PS. Das maximale Drehmoment soll über 1.700 Newtonmeter betragen. Jeder Elektromotor wird zusammen mit einem Eingang-Planetengetriebe und einem Wechselrichter (Inverter) in einem Zylinder verpackt. Die sogenannte Electrical Drive Unit (EDU) liefert Getriebespezialist Xtrac. E-Motor und Inverter für dieses Packet steuert das Unternehmen Integral Powertrain Ltd bei.

Für die Entwicklung des Evija spannt sich Lotus mit mehreren Firmen und Zulieferern zusammen. Was nicht ohne Probleme läuft. Beispiel Batterien: Deren Entwicklung hat Williams Advanced Technologies übernommen. Allerdings warf Lotus den Landsleuten im Sommer 2020 Lieferschwierigkeiten vor, kündigte den Vertrag und will die Akkus nun selbst fertig entwickeln – mit der Folge, dass Williams die Kündigung juristisch anfechtet. Doch wer auch immer am Ende für die Batterien verantwortlich ist: Lotus verpackt sie wie einen Mittelmotor zwischen dem Cockpit und der Hinterachse. "Das Auto liegt so tief, dass wir in den Unterboden nicht noch flächendeckend Zellen packen können", sagt Design-Direktor Russell Carr. Die Bodenfreiheit beträgt 105 Millimeter.

Das Hypercar ist kompakt in der Länge, geht dafür ordentlich in die Breite. Es ist 4,46 Meter lang, zwei Meter breit und 1,12 Meter hoch. Für das Gewicht peilt Lotus 1.680 Kilogramm an. Lotus predigt zwar Leichtbau, doch das ist angesichts der schweren Batteriepakete nicht möglich. Der Evija ist mehr als doppelt so schwer wie zum Beispiel die erste Elise von 1996, obwohl das einteilige Carbon-Chassis nur 150 Kilogramm wiegt. Es wird von der italienischen Firma CPC gebaut.

Die Kapazität der Lithium-Ionen-Batterie beträgt 70 Kilowattstunden. Lotus verspricht, dass die leergesaugten Speicher an einer Super-Schnellladestation mit einer Ladeleistung von 350 Kilowatt in weniger als 20 Minuten vollständig geladen sein sollen. Der Evija kennt fünf Fahrmodi: Range, City, Tour, Sport und Track. Lotus kündigt an, dass das Hypercar im Rennstrecken-Modus mindestens sieben Minuten mit voller Leistung durchhält. Ansonsten soll der Elektro-Sportwagen nach WLTP-Messzyklus maximal 400 Kilometer weit kommen (im Modus Range vermutlich). Um das zu erreichen, wird der Evija auf der Autobahn vermutlich wie die meisten Tesla auf der rechten Fahrspur mit konstanter Geschwindigkeit kriechen.

Lotus mixt bei seinem Hypercar weiche Linien mit Kanten an den Radhäusern und Sicken, zum Beispiel an den Flanken. Der Evija hat kräftige Schultern, eine Kampfjet-artige Kuppel, und folgt den typischen Proportionen eines Hypercars. Flach, nach vorn gezogenes Cockpit, kurze Überhänge. Das Bodywork des Type 130, das wird auf den ersten Blick klar, dient in allererster Linie der Aerodynamik. Die Luft soll über den Fahrzeugkörper strömen, am Unterboden entlang und durch die Karosserie hindurch. "Der Abtrieb ist enorm", sagt Lotus, ohne Zahlen zu nennen. Müssen wir wie alles andere erst einmal glauben, weil wir es nicht überprüfen können.

Der Evija soll elektronisch begrenzte 350 km/h erreichen. Das DRS (Drag Reduction System) senkt den Luftwiderstand, indem der Flügel dann nach hinten klappt. Untypisch für ein Elektroauto ist wohl der Sound des Hypercars: "Es klingt wie ein Düsentriebwerk", bemerkte Ex-Formel-1-Weltmeister und Markenbotschafter Jenson Button nach einer Probefahrt.

All das hat natürlich seinen Preis. 1,75 Millionen Pfund plus Steuern kostet das erste vollelektrische Hypercar aus Großbritannien. Die Bestellbücher sind geöffnet. Wer eines haben will, muss erstens schnell sein und zweitens 250.000 Pfund anzahlen.

Die beiden Insassen sitzen knapp hinter der Vorderachse. Der Innenraum suggeriert Leichtbau. Das Armaturenbrett, das sechs Lüftungsdüsen trägt, ist dünn und auf der Beifahrerseite ausgeschnitten. Heißt: Man sieht die Beine. Die Carbon-Schalensitze sparen Gewicht. Für den Komfort will sie Lotus aber ordentlich polstern. Der Fahrer greift in ein oben und unten abgeflachtes Lenkrad. Darauf platziert Lotus einen roten Drehregler für die fünf verschiedenen Fahrmodi. Die Mittelkonsole ist sehr schmal und verläuft ungefähr im 60-Grad-Winkel zum Armaturenträger. Darauf platziert Lotus rautenförmige Schalter für Klima, Infotainment, Parkbremse. D, N, R: nichts Handschalter.

Gehen wir die Fahreinstellungen durch. In "Range" ist der Evija ein Hecktriebler, leistet knapp über 1.000 PS und liefert maximal 800 Nm. Mit dem "City Modus" verhält es sich ähnlich – allerdings ist die Rekuperation weniger stark ausgeprägt. Ab dem "Tour Modus" wird der Evija zum Allradler und das maximale Drehmoment von 1.700 Nm liegt an. Allerdings wird die Leistung auf 1.400 PS beschränkt. Bei Geschwindigkeiten von unter 30 Meilen pro Stunde (48,3 km/h) kann die Nase wie in "Range" und "City" angehoben werden, um besser über Geschwindigkeitsbuckel zu kommen. Im "Sport-Modus" erhöht Lotus die Leistung auf 1.700 PS. Erst ab dem "Track-Modus" sollen die vollWho in 2.000 PS ausgeschüttet werden. Systeme wie Torque Vectoring sind dann maximal geschärft.

Leichtbau, Effizienz, Aerodynamik, Rennsport-Erbe, Kurvengeschwindigkeit, Prestige: Das soll das Hypercar vermitteln. Es soll Trends setzen, britisch und ehrlich sein. Die Formensprache folgt dem Wunsch nach Anpressdruck und nicht in erster Linie nach Schönheit. Sieht aber trotzdem gut aus. Teile des Designs will Lotus auf zukünftige Modelle übertragen. "Wir wollten mit etwas Extremem starten und dann weitermachen."

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