Importracing gegen Techart: Schwäbische Tuning-Raketen im Vergleichstest

1:44 Min. 10.10.2014

Importracing-Nissan GT-R vs. Techart-Porsche 911 Turbo S

Mittwoch soll der neue Montag sein. US-Forscher haben herausgefunden, dass angeblich nicht der erste Tag der Woche der schlimmste ist, sondern der dritte. Doch statt Lethargie heißt es an diesem Mittwochabend Ladedruckfestspiele zur Wochenmitte: 620 gegen 700 PS, der 911 Turbo S von Techart tritt gegen den Nissan GT-R von Importracing an.

Leonberg (Techart) oder Benningen am Neckar (Importracing) – nur 30 Kilometer trennen die beiden Tuner aus dem Schwabenland, doch sie könnten unterschiedlicher nicht sein. Hier der seit 25 Jahren etablierte Porsche-Veredler mit 70 Mitarbeitern, dort der auf Japan-Kracher spezialisierte Zweimannbetrieb. 260.496 Euro ruft Techart für den modifizierten Porsche Turbo S auf, 85.000 Euro weniger werden für den Über-GT-R von Importracing fällig.

Nicht nur preislich liegen die beiden Biturbo-Projektile so weit auseinander wie Maßanzug und lässiger Kapuzenpulli. Im Vergleichstest geht es daher auch weniger darum, wer die nüchterne Punktewertung gewinnt, sondern wie unterschiedlich die Faszination Biturbo ausgelebt werden kann.

Tür auf, rein in das Turbo-S-Interieur. Grelle Ziernähte, Carbon-Applikationen, mehrfarbige Instrumentenziffernblätter oder Aluminium- Einstiegsleisten mit beleuchtetem Techart-Schriftzug – was ab Zuffenhausen oder in der Porsche-Exclusive-Abteilung nicht geht, gibt's spätestens in den Techart-Hallen in Leonberg. BB-T 991 fährt allein im Innenraum stolz Modifikationen im Wert eines fabrikneuen Kleinwagens umher (17.546 Euro).

Nicht minder exklusiv fallen die Karosserieveränderungen am Techart-Porsche 911 Turbo S aus. Während ein fest stehender Heckflügel den verstellbaren Serienflügel des Porsche 911 Turbo S ersetzt, kommt an der Front ein Frontspoiler zum Einsatz, ohne dass dabei auf die aktive Aerodynamiklippe verzichtet werden muss.

"So bleiben trotz veränderter Optik die aerodynamischen Bestwerte des Serienmodells erhalten", erklärt Martin Schmidt, Techart-Entwicklungschef. Neben Front- und Heckflügel setzt sich der getunte Turbo S von Techart durch Aero Wings, lackierte Zierstege, Scheinwerferblenden, neue Seitenschweller, einen Heckdiffusoraufsatz sowie einen Dachspoiler und Dekorstreifen optisch von seinen Serienbrüdern ab (Preis Exterieuränderungen: 16.297 Euro).

Und wie fährt der getunte Porsche 911 Turbo S im Vergleichstest? Der Biturbo-Boxer des Techart-Porsche 911 Turbo S fasziniert mit seinem kernigeren Klang. Während sich das Serienmodell maximal zu einem präsenten Rauschen unter Volllast verleiten lässt, bollert die Techart-Abgasanlage mit Klappensteuerung nicht nur beim Motorstart, sondern auch bei Gaspedallupfern herrlich auf. 5.997 Euro sind zwar kein Schnäppchen für das Auspuff-Konzert – aber doch gut investiert.

Statt der Optik sind uns die Fahrleistungen wichtiger. Nach der nächtlichen Fotofahrt ruft traditionell im Vergleichstest unser Testflugplatz in Lahr (Beschleunigungs-, Brems- und Slalomtests) sowie der Kleine Kurs in Hockenheim zur Ermittlung der Rundenzeiten. Dass Tuningfahrzeuge zuweilen Geduld erfordern, stellen dabei sowohl der Techart-Porsche 911 Turbo S als auch der Importracing-Nissan GT-R unter Beweis.

Wir beamen uns gedanklich zurück ins Nissan- GT-R-Cockpit von Importracing. Schmiedepleuel, Hochleistungskopfdichtungen und Stage-1-Hybrid-Turbolader züchten den 3,8-Liter-V6-Biturbo auf 700 PS hoch. Unter Volllast kapituliert die eigentlich nur bis 1,5 bar ausgelegte Serien-Ladedruckanzeige und schlägt einmal um. Kein Wunder angesichts des Ladedruck-Peaks von bis zu 1,6 bar im Importracing-GT-R. Angesichts des massiven Drehmoment-Punchs von maximal 950 Nm (Serie: 632 Nm) setzt Importracing unter anderem auf eine Achtscheibenkupplung sowie verstärkte Kupplungskörbe. Kein billiges Vergnügen: Die Änderungen am Antriebsstrang kosten rund 32.000 Euro.

Bereits auf der Anreise nach Hockenheim merkt man, dass die Fahrwerksabstimmung des dreifach verstellbaren KW-Clubsport- Fahrwerks für die Rennstrecke ausgelegt wurde. Im Vergleich zum Techart-Porsche 911 Turbo S mit ruhigem Geradeauslauf wird der Importracing-Nissan GT-R im Alltag von Spurrillen fast magisch angezogen. Für den Trackeinsatz gab's außerdem härtere Stabis an der Vorder- und Hinterachse sowie modifizierte Achslager, um einen größeren Einstellbereich bei Sturz und Nachlauf zu ermöglichen (Preis Fahrwerksänderungen komplett: 6.500 Euro).

Wie bereits erwähnt, besuchte uns der Importracing-Nissan GT-R zweimal in Hockenheim. Das erste Mal mit 20-Zoll-HRE-Rädern und Toyo-Proxes-R888-Bereifung im Format 285/ 35 vorne und 315/30 hinten. Während der Toyo auf leichteren Fahrzeugen relativ gut funktioniert, arbeitet er auf dem schweren Allradmonster in Hockenheim jedoch nur eine schnelle Runde verlässlich. Danach baut der R888 spürbar ab.

Speziell beim Anbremsen und Einlenken merkt man das nachlassende Gripniveau im Vergleichstest schnell. Trotz insgesamt direkterem Einlenkverhalten im Vergleich zum Serienfahrzeug geht auch der Importracing-GT-R spätestens dann ins Untersteuern. Die eine schnelle Runde mit der Toyo-Bereifung reicht jedoch locker, um den zuletzt gemessenen Serien-GT-R (sport auto 8/2013: 1.09,6 min) in 1.08,9 Minuten sofort niederzustrecken.

Doch da geht noch mehr. Für den zweiten Versuch wechselt Importracing von Toyo R888 auf Michelin-Pilot-Sport-Cup-2-Bereifung (Format: 295/30 vorne und 305/30 hinten). Leider keine flammneuen Reifen, sondern Pneus, die bei einem vorherigen Rennstreckenbesuch bereits angeglüht worden waren. Unglücklich, denn die Reifen verlieren dadurch ihren Peak für eine absolute Bestzeit. Im Vergleich zu den Toyos liefert der Michelin Cup 2 jedoch ein präziseres Fahrverhalten an der Vorderachse – der Importracing-Nissan GT-R lenkt nun messerscharf ein und bremst deutlich besser.

Fazit: Selten war das Sprichwort "Probieren geht über Studieren" so zutreffend wie bei diesem Tuningtest.

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