Um eines gleich mal klarzustellen: Ich bin nicht der geborene US-Car-Guy, also keiner, der wegen ein bisschen V8-Geblubber gleich seinen Verstand verliert. Sogar ganz im Gegenteil! Wenn die gute Auto-Fee mit ihrem glitzernden Zauberstäbchen einmal vor meiner Nase herumgefuchtelt hätte, um mich vor die Wahl Mustang oder Camaro zu stellen, ich hätte wahrscheinlich um einen BMW M4 gefeilscht.
Warum ich Ihnen das beichte? Weil Sie wissen sollen … nein, weil Sie wissen müssen, dass die Begeisterung, die gleich aus diesen Zeilen sprechen wird, echt ist. Dass sie nicht einem persönlichen Geschmack entstammt, der sich eben zufällig in die Vereinigten Staaten verirrt hat. Nein, diese beiden haben sich die Lobeshymne hier verdient – redlich, mit Taten, denen entsprechende Worte folgen müssen.
Sodann, Strecke frei für zwei Ikonen der Urgewalt. Auf rechts: der Shelby, der stärkste Straßen-Ford aller Zeiten und jüngster Spross einer Beziehung, die vor 55 Jahren aus einem gemeinsamen Feind entstand, Enzo Ferrari.
Sie kennen die Geschichte: Der Commendatore brüskiert die Amis, die bauen eine Retourkutsche namens GT40, die den Italienern schließlich im großen Stil den Hintern versohlt. Seit dieser Zeit sind die Schlangenzucht und der Weltkonzern eng verbandelt, um die Automobilwelt in schöner Regelmäßigkeit mit Projekten wie diesem zu erschüttern. Ich sage nur: GT500, der Nachfahre von Hollywoodstar Eleanor, der sich trotz Anflügen von technischer Neumode weiterhin einen feuchten Kehricht um die Konventionen schert. Start-Stopp? OPF? WLTP? WTF!
Ähnlich anachronistisch: der Camaro, der dem Mustang quasi von Beginn an als Seelenverwandter zur Seite stand, im Jahr 2009 dann aber offenbar genug hatte vom Händchenhalten. Raus aus der Klischee-Ecke, lautete die Devise der damals fünften Camaro-Generation, mit der Chevy die sportlichen Modellansätze erstmals von der amerikanischen Antike in internationale Standards übersetzte. Was fehlte, war anfangs nur die Anerkennung. Doch dann ließ man den Z/28 auf die Menschheit los – ein Performance-Viech mit Siebenliter-Sauger – und alle, die die USA bis dato immer noch belächelten, schauten auf einmal wie die Eichhörnchen, wenn’s blitzt.
Der ZL1 schlägt einen Baureihen-Turnus später nun in exakt dieselbe Kerbe – und dem Fass sozusagen den Boden aus. Als Hammer dient jener der Corvette Z06, der 6,2 Liter große Tyrannosaurus Rex, der nur eine Nockenwelle beherbergt, nur 16 Ventile, aber geschlagene 650 PS. Zusammen mit dem Drumherum entsteht so ein neonostalgischer Konsequenzprotz, wie ihn in dieser Extremform wohl nur Amerika hervorbringen kann. Wobei sich die Prinzipien dort wie gesagt gewandelt haben. Früher wurden fahrdynamische Problemstellungen grundsätzlich mit Hubraum gelöst. Wenn das nichts half, gab’s noch mehr Hubraum. Und noch mehr. Oder wie hier: bämm, einen Kompressor on top.
Im ZL1 mischen sich diese romantischen Gepflogenheiten nun mit den neuesten Erkenntnissen der Fahrphysik. Resultat: eine Thesenkernfusion biblischen Ausmaßes, deren enorme Wucht den Camaro sichtlich mitzunehmen scheint.