Um die Führerscheinvorgaben für alle Bürger der EU weiter zu vereinheitlichen, überarbeitet die EU derzeit die Führerscheinrichtlinien. Der erste Entwurf der 4. Führerscheinrichtlinie wurde im Mai 2023 vorgelegt und seither auf EU-Ebene und national kontrovers diskutiert. Innerhalb des Verkehrsausschusses im EU-Parlament wurden bereits vorab strittige Punkte mit einer denkbar knappen Entscheidung verworfen. Vom Tisch sind das Nachtfahrverbot für Fahranfänger, Tempolimits für diverse Fahrerlaubnis-Klasse, ein spezieller SUV-Führerschein sowie das Ende des begleitenden Fahrens ab 17.
Kritisch wurden die verpflichtenden Gesundheitschecks im Vorfeld diskutiert. Das Parlament hat diese am Mittwoch (28.2.2024) kassiert. Die einzelnen Mitgliedstaaten dürfen über die Checks nun selbst entscheiden und etwa ärztliche Hör- und Sehtests verlangen. In 14 Ländern ist das bereits der Fall, wie in Belgien, Portugal oder Italien. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) kritisierte den Vorschlag der Kommission erneut. "Ich halte staatliche Vorgaben, verpflichtende Selbstauskünfte auszufüllen und ärztliche Gutachten zur Fahrtauglichkeit auszustellen, für einen enormen Bürokratieaufwand", sagte er dem Tagesspiegel. Sollte die geplante EU-Regelung in Kraft treten, dürfte ein solches Gesetz in Deutschland also vom Tisch sein.
Mit der jetzt erfolgten Abstimmung, hat sich EU-Parlament auf eine endgültige Position geeinigt. Jetzt müssen sich noch das Parlament, die Kommission und der Ministerrat auf eine gemeinsame Position einigen. Erst nach der Europawahl im Juni 2024 wird das Thema weiter behandelt werden. Mit einem Kompromissvorschlag wird im Herbst 2024 gerechnet.
Die neuen EU-Führerschein-Novelle im Einzelnen:
Führerschein-Gültigkeit: Die Abgeordneten waren sich einig, dass Führerscheine für Motorräder und Pkw mindestens 15 Jahre und für Lkw und Busse fünf Jahre gültig sein sollten. Eine Verkürzung der Gültigkeitsdauer von Führerscheinen für ältere Personen – wie von der Kommission vorgeschlagen – lehnen sie ab, um Diskriminierung zu vermeiden und ihr Recht auf Freizügigkeit und Teilnahme am wirtschaftlichen und sozialen Leben zu gewährleisten. Des Weiteren unterstützt das Votum die Möglichkeit, dass Fahrer ihre Fahrtüchtigkeit selbst bewerten, wobei die Mitgliedstaaten entscheiden können, ob eine ärztliche Untersuchung erforderlich ist, bei der u.a. das Sehvermögen und mögliche Herz-Kreislauf-Erkrankungen der Fahrer überprüft werden.
Führerschein-Prüfung: Es wird angestrebt, die Schulung und Prüfung von Fahrern so anzupassen, dass sie besser auf reale Fahrumgebungen vorbereiten und ihr Bewusstsein für Risiken schärfen. Dies beinhaltet eine angemessene Handhabung von Smartphones während der Fahrt, das Fahren unter schwierigen Witterungsbedingungen wie Schnee und Glatteis, die Sensibilisierung für den toten Winkel, Kenntnisse über Fahrassistenzsysteme sowie die Förderung eines umweltbewussten Fahrverhaltens.
Führerschein-Änderung Pkw: Führerscheininhaber der Klasse B sollen künftig auch schwerere Fahrzeug bewegen dürfen. Das Gewichtslimit (zulässige Gesamtmasse) soll von derzeit 3,5 Tonnen auf 4,25 Tonnen steigen. Damit dürften Klasse B-Inhaber dann beispielsweise auch größere Wohnmobile bewegen. Allerdings sieht der Entwurf hier Einschränkungen vor. Das angehobene Gewichtslimit soll nur für Fahrzeuge gelten, die mit alternativen Kraftstoffen betrieben werden. Zudem muss der Führerscheininhaber die Klasse B bereits seit zwei Jahren besitzen.
Motorrad-Führerschein B-196: Zweiradfahrer mit dem B-196-Schein sollen ihre Leichtkrafträder mit bis zu 125 Kubikzentimetern Hubraum künftig auch im Ausland bewegen dürfen. Bisher ist die B-196-Regelung nur national anerkannt.
Gesundheitschecks für Autofahrer in der Kritik
Besonders das Thema Gesundheitschecks wird seit Monaten heftig diskutiert. Da ist auf der einen Seite die Vorsitzende des Verkehrsausschusses des Europäischen Parlaments, Karima Delli (Grüne), die die hohe Zahl der Verkehrsopfer in der EU als "besorgniserregend" einstuft und "alles tun" will, "um Leben zu retten". Auf der anderen Seite argumentieren Kritiker des Vorschlags mit "grünem Verbotsfetischismus" und einem ideologischen Feldzug".
Der CDU-Verkehrsexperte im Parlament, Jens Gieseke, mahnte: "Ein Führerschein bedeutet Freiheit" und verlangte: "Schluss mit der Bevormundung!" FDP-Verkehrsfachmann Jan-Christoph Oetjen, wie Gieseke einer von Dellis Vizes im Ausschuss, schlug den Bogen zu überlasteten Gesundheitssystemen: "Wir sorgen dafür, dass Millionen zusätzliche Arzttermine stattfinden", warnte er. Sein SPD-Kollege Thomas Rudner pflichtete ihm in einer schriftlichen Erklärung bei: "Solche Checks wären eine unverhältnismäßige Belastung für die Bürgerinnen und Bürger. In Deutschland würden sie das bestehende Facharztsystem überfordern. Bei 57 Millionen Führerschein-Besitzerinnen und -Besitzern ist das ein immenser Aufwand."