Der Mustang ist für Ford extrem wichtig – über alle Generationen hinweg hat der Hersteller inzwischen mehr als zehn Millionen Exemplare des Sportwagens verkauft. Seinen direkten Konkurrenten Camaro hat Chevrolet seinerzeit als Gegenstück aufgelegt – aber der Mustang ist über die Jahre davon geprescht. Während der Camaro kürzlich vom Markt verschwand, legte Ford einen neuen Mustang auf. Bei ihm haben die Entwickler der jetzt siebten Generation einen deutlichen Spagat hingelegt: Sie wollen ihre traditionellen Fans behalten – und deren Nachwuchs für sich gewinnen. Also vereinen sie Werte aus alter und neuer Technologiewelt in ihrem Sportler.
So fährt der Mustang als GT
Ja, er klingt noch. Wer? Na, der V8 im neuen Mustang. Klar, ein paar Dezibel und Zwischentöne ersticken die EU-Lärmschützer mit dem OPF (Ottopartikelfilter). Doch eine Handvoll Dollar ist wohl in die Taschen der europäischen Soundwächter gewandert. Nein, das ist keine Verherrlichung von Korruption, sondern kindliche Freude darüber, dass es so was, wie den Coyote-V8 im Mustang überhaupt noch gibt.
Nach dem Intermezzo mit Vierzylinder-Eco-Boostern und dem vollelektrisierten Mach-E musste man schließlich das Schlimmstes befürchten. Doch Ford spart sich zumindest vorerst Hybridisierung, verbannt Eco-Boost-Vierer und V6 in die Staaten und veredelt den 5.0-Liter-V8 der vierten Generation mit ebenso alten, wie bewährten Mitteln.
Feiner Sauger, wirre Automatik
Tatsächlich wirkt der Sauger im GT-Modell so aufgeweckt wie nie zuvor. Der V8 hängt schon im Drehzahlkeller munter am Gas. Die Leistung lässt sich fein modellieren. Gut so, denn der Asphalt schlängelt sich am frühen Morgen feuchtfröhlich durch die Seealpen. D2, D3, D6 auch mal M2. Nein, das sind nicht die Schaltsprünge der Zehn-Gang-Automatik, sondern die Buchstaben-Nummern-Kombis der Straßen hier. Deren Geraden sind so kurz, dass man meistens kaum über D2 oder D3 hinauskommt – diesmal ist tatsächlich die Rede vom Getriebe. Die Abstufung der Automatik ist kurz geraten. Je nach Fahrmodus wechselt sie mal etwas schläfrig, mal harsch die Gänge. In Summe hat das Automatikgetriebe aber immer noch zu viele Gänge zu sortieren, sodass es sich vor allem beim Runterschalten oft selbst in die Quere kommt. Wie gut, dass der Fahrer mit Wippen am Lenkrad direkt eingreifen kann.
Herrlich unperfekt
Okay, das alles klingt nicht perfekt. Aber genau das macht den Reiz des Mustangs aus. Schließlich gibt es hierzulande schon genug mustergültige Autos. Was alle eint? Die Sicherheits-Vorgaben der EU. So ist bei jedem Start erst mal ein langer Tastendruck auf die Tempomaten-Taste ganz links unten im Lenkrad nötig, um den nervigen Geschwindigkeitsbimmler zu deaktivieren. Danach folgt noch ein doppelter Tastendruck auf die Spurhalte-Taste. Erst dann verkneift sich der Mustang Eingriffe in die Lenkung. Wobei wir uns erst einmal durch den allmorgendlichen Stau in Nizza kämpfen müssen und ganz froh über die einwandfrei agierenden Spur- und Abstandsassistenten des neuen Mustangs sind.
Offenes Klangkonzert
Ein Griff zum Dachhebel und das Webasto-Verdeck entriegelt. Ein langer Knopfdruck und es verschwindet hinter den Fondsitzen. Für feinere Optik baut man noch Plastikblenden per Hand darüber, dann steht dem offenen Konzert nichts mehr im Wege. Tatsächlich ist das Sounderlebnis offen noch intensiver als im Coupé, das wir gleich noch fahren. Klar, gibt es auch einen Nachbarschaftsmodus, der den Sound beim Kaltstart zügelt. Doch wer einen Mustang fährt, der will meist auch das das alle mitbekommen, oder?
Jetzt kommt aber richtig Bewegung in den Mustang. Das Cabrio verwindet sich in den Serpentinen spürbar. Kurvenausgangs arbeitet es stets sanft mit dem Heck und der Sperre an der Hinterachse mit. Dabei lenkte wohl noch kein GT-Modell zuvor so geschickt ein. Schade nur, dass die Rückmeldung von der Vorderachse eher mau ausfällt und viel Gewicht auf ihr lastet. Der Fahrer registriert so beim Einlenken stets leichtes Untersteuern. Dabei haben die Pirelli PZERO im Format 255/40 R19 vorn eigentlich immer genügend Grip. Und auch an der weich gelagerten Hinterachse grippen die 275er zuverlässig.
Wenn die Haftung doch mal abreist, steht die Elektronik sofort parat. So wechselt der Pilot schnell von "Normal" über "Sport" in den "Rennstrecke"-Modus. Denn erst jetzt schöpft der GT sein Potenzial voll aus.
Der letzte V8-Sauger mit Handschalter
Apropos, wer mehr Performance sucht, findet sie im GT-Coupé. Klar, mit festem Dach ist mehr Steifigkeit gegeben und so geht's auch gleich ab. Das optionale MagneRide-3-Fahrwerk gibt sich Mühe, mit tausend Messungen pro Sekunden den oft desolaten Belag zu scannen und passt die Zug- und Druckstufe der Dämpfer an. Tatsächlich gelingt das meist gut, nur Querfugen schlagen hin und wieder mal durch. Markerschüttern ist aber nur der Klang, vor allem in einem der zahllosen Tunnel. Dank Sechskolben-Bremssättel und 390-Millimeter-Bremsscheiben von Brembo passt auch die Verzögerung des 2,2-Tonners.
Im Coupé hat der Fahrer nun alle Hände voll zu tun. Denn den V8-Sauger koppelt Ford im Testwagen an ein Sechsgang-Schaltgetriebe – das es natürlich auch für das Cabrio gibt. Das Getriebe ist zwar nicht so ganz so präzise und kurz gestuft wie im Top-Modell Dark Horse, doch das fällt nur im direkten Vergleich auf. Denn auch beim Standard-Schalter rasten die Gänge präzise ein, die Abstufung passt und auch ergonomisch liegt der kurze Hebel bestens in der Hand. Also geht's ständig hoch und runter zwischen M1, M2 und M3 – gerne mit automatischem Zwischengasen auf rund 1.000 Meter hohen Voralpenpässen.
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