Mercedes-AMG One: Hypercar mit Nordschleifen-Rekord

1:00 Min. 10.11.2022

Impressionen des Nordschleifen-Rekord vom Mercedes-AMG One

"Viele mögen über die Dauer der Entwicklungszeit hinweg gedacht haben, das Projekt wäre unmöglich umzusetzen." So ungewöhnlich das Statement von AMG-Chef Philipp Schiemer erscheint, so außergewöhnlich ist der One: ein Sportwagen mit Formel-1-Motor. Doch 2022, 55 Jahre nach der Gründung von AMG durch Aufrecht und Melcher in Großaspach, durfte das Hypercar auf die Straße. Zugelassen, zertifiziert und mit Euro-6-Abgasnorm im RDE-Zyklus, also im echten Straßenverkehr.

Nürburgring-Rekord aufgestellt und wieder gebrochen

Am 28. Oktober 2022 zeigte sich endgültig, dass sich der Aufwand gelohnt hat. Mercedes-Werksfahrer Maro Engel scheuchte den Mercedes-AMG One in einer Zeit von 6:35,183 Minuten über die 20,832 Kilometer lange Variante der Nürburgring-Nordschleife. Das war ein neuer absoluter und notariell beglaubigter Rekord für Serienfahrzeuge mit Straßenzulassung und satte acht Sekunden schneller als der bisherige Bestwert, der vom Porsche 991 GT2 RS mit Manthey-Performance-Kit gehalten wurde. Die etwas kürzere Streckenvariante, die beim sport auto-Supertest gefahren wird, umrundete der One in 6:30,705 Minuten.

Engel jagte den One laut AMG im absoluten Serienzustand, aber mit den maximalen Sturzwerten innerhalb der Auslieferungstoleranz über die Nordschleife. Und das bei herbstlichen, also bestimmt nicht idealen äußeren Bedingungen: Es war zwar sonnig bei 20 Grad Luft- und Asphalttemperatur; die Strecke war zum Zeitpunkt des Rekordversuchs am späten Nachmittag dennoch teils rutschig: "In manchen entscheidenden Streckenbereichen war es noch nicht komplett abgetrocknet und daher knifflig", sagte der DTM-Fahrer. Zudem war es für ihn eine besondere Herausforderung, über die Runde hinweg die elektrische Energie optimal einzuteilen und die DRS-Funktion bestmöglich zu nutzen.

Am 23. September 2024 legte Engel mit dem AMG One bei Temperaturen von 15 Grad Celsius (Luft) und 20 Grad Celsius (Asphalt) sowie durchweg trockener Piste noch eine Schippe nach und verbesserte die von ihm gesetzte Rundenzeit nochmals deutlich. Mit einer offiziell gemessenen und notariell beglaubigten Zeit von 6:29.090 Minuten für die 20,832 Kilometer lange Strecke übertrifft das Hypercar den eigenen Rekord für Serienfahrzeuge um über fünf Sekunden. Damit ist der Mercedes‑AMG One das erste Straßenfahrzeug, das die magische Marke von 6:30 Minuten unterbieten konnte.

Rundenrekord auch in Monza

Bereits im Frühjahr 2023 legten Mercedes-AMG und Engel in Italien nach: Wie die Sportabteilung des schwäbischen Autoherstellers über die sozialen Medien bekannt gab, umrundete der One den Grand-Prix-Kurs in Monza in 1:43,902 Minuten. Dem Post zufolge ist das ein neuer absoluter Rekord für straßenzugelassene Autos und zwölf Sekunden schneller als die bisherige Bestmarke. Zum Vergleich: Beim 6-Stunden-Rennen im vergangenen Jahr war die schnellste Runde eines GTE-Rennwagens über zwei Sekunden langsamer als jene des AMG One. Und der Hypercar-Bolide Glickenhaus 007 LMH war mit Slick-Reifen und einer Zeit von 1:36,589 Minuten in überschaubarem Maß schneller. Der Mercedes war dagegen – wie schon beim Nordschleifen-Rekord – mit den speziell für ihn entwickelten Straßenreifen Michelin Pilot Sport Cup 2 R MO unterwegs.

Wartungskosten: bis zu 850.000 Euro

Wer den One derart heftig beansprucht, sollte sich auf ausufernde Unterhaltskosten gefasst machen. Laut dem Post eines Instagram-Nutzers weist Mercedes-AMG im Kaufvertrag darauf hin, dass der One "zusätzlich zu den regulären Serviceintervallen alle 31.000 Meilen (ca. 49.890 km) einen Service benötigt, damit kritische Komponenten des Antriebsstrangs überprüft und erforderlichenfalls ersetzt werden können." Dieser Service kann "bis zu maximal 850.000 Euro" kosten, wie der Hersteller auf Nachfrage bestätigte. Dies sei ein Worst-Case, wenn der ganze Triebstrang überarbeitet werden müsste. Ein Service, bei dem unter anderem alle Flüssigkeiten gecheckt und gewechselt werden, ist einmal jährlich oder alle 5.000 Kilometer fällig. Zu den Kosten dieser Jahresinspektion macht AMG keine Angaben.

Kaufpreis: 2,75 Mio. Euro netto

Seinen ersten Auftritt feierte der AMG One beim Festival of Speed in Goodwood (23. bis 26. Juni). Wer ihn kaufen will, sollte 2,75 Millionen Euro netto auf der hohen Kante haben. Dafür gibt es einen Hypersportwagen, der in jeder Hinsicht ungewöhnlich ist – und den es so womöglich auch nicht noch einmal geben wird. Der One hat zwei Sitzplätze, eine Carbon-Karosserie und im Carbon-Monocoque einen Antriebsstrang, der aus einem Formel-1-Mittelmotor mit Hybridtechnik und einer elektrisch angetriebenen Vorderachse besteht. Das vor fünf Jahren erstmals gezeigte und mehrmals verschobene Auto fährt bis zu 352 km/h – und kurze Strecken auch rein elektrisch.

Mercedes-AMG hatte den One auf der IAA 2017 gezeigt und angekündigt, den Sportwagen mit Formel-1-Motor 2019 auf den Markt zu bringen. Aus dem Termin wurde nichts. Weil der Antriebsstrang Probleme machte, vertröstete Daimler die Kunden zunächst auf 2021. Software-Probleme führten zu einer weiteren Verzögerung: AMG musste seine Kunden ein zweites Mal um Geduld bitten. Jetzt ist der One endlich da. Entwickelt haben den Hypersportwagen Ingenieure in Affalterbach und Brixworth, der Heimat der Mercedes-Formel-1-Motoren. Was laut AMG-Boss Schiemer nicht einfach war: "Mit dem Mercedes-AMG One haben wir das Limit mehr als ausgereizt. Die immensen technischen Herausforderungen, einen modernen Formel-1-Triebstrang tauglich zu machen für den alltäglichen Straßenbetrieb, haben uns zweifellos an unsere Grenzen gebracht."

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