Das geht aus einem aktuellen Sonderbericht des BRH hervor. Der Tenor ist deutlich: Das Brückenmodernisierungsprogramms sei nicht nur deutlich hinter dem Zeitplan, sondern werde in der Darstellung des Ministeriums auch beschönigt. Ohne grundlegende Kurskorrekturen drohe ein wachsender Sanierungsstau – mit erheblichen Folgen für Verkehrssicherheit und Wirtschaftsstandorte.
Bereits im März 2022 hatte das BMDV auf einem Brückengipfel die prekäre Lage offen benannt: Rund 8.100 Teilbauwerke an Autobahnen (ein Drittel) und 3.000 an Bundesstraßen (ein Siebtel) galten als modernisierungsbedürftig. Das daraufhin gestartete Brückenmodernisierungsprogramm sollte zunächst 5.000 besonders kritische Teilbauwerke an Autobahnen bis zum Jahr 2032 sanieren. Die Zielvorgabe: ab 2026 jährlich 400 Modernisierungen. Tatsächlich müssten es jedoch im Schnitt 450 bis 590 pro Jahr sein, um das Ziel realistisch zu erreichen.
Ein Teilbauwerk gilt bautechnisch und organisatorisch als eigenständiges Objekt, wird also auch einzeln geplant, gewartet, bewertet und ggf. modernisiert.
Autobahn GmbH weit hinter dem Ziel
Die Bilanz nach drei Jahren ist ernüchternd. Statt der von 2022 bis 2024 geplanten 700 Teilbauwerke modernisierte die Autobahn GmbH lediglich rund 270 – also nur rund 40 Prozent des Solls. Besonders drastisch fiel das Ergebnis im Jahr 2024 aus: Von den 280 vorgesehenen Brücken wurden lediglich 69 tatsächlich fertiggestellt.
Doch nicht nur die Anzahl, auch die Qualität der gemeldeten Erfolge steht in der Kritik. Laut Bundesrechnungshof erfüllten mehr als die Hälfte der von der Autobahn GmbH gemeldeten Maßnahmen nicht die Kriterien des eigentlichen Modernisierungsprogramms. Im Jahr 2024 lag der Anteil sogar bei unter 25 Prozent. Das BMDV rechnete selbst Neubauten oder nicht priorisierte Brücken in seine Erfolgsbilanz ein – eine Praxis, die der Rechnungshof als irreführend und beschönigend bezeichnet.
Schwere Vorwürfe wegen Kosten-Berechnung
Auch bei der Berechnung des Mittelbedarfs und der Planungsgrößen wirft der Bundesrechnungshof dem Ministerium schwerwiegende Fehler vor. Das BMDV kalkuliert mit einer durchschnittlichen Brückenfläche von 750 Quadratmetern pro Teilbauwerk – laut Rechnungshof liegt diese bei den tatsächlich betroffenen Bauwerken jedoch bei 1.140 Quadratmetern. Dadurch entsteht ein deutlicher Unterschied im kalkulierten Mittelbedarf.
Für 400 Modernisierungen jährlich veranschlagt das BMDV ab 2026 rund 1,4 Milliarden Euro. Der tatsächliche Bedarf liegt jedoch laut Rechnungshof bei etwa 2,1 Milliarden Euro – ein Delta von 700 Millionen Euro pro Jahr.
Besonders kritisch: Die Mittel für Brückenmodernisierungen sind im Haushalt nicht zweckgebunden ausgewiesen. Zwar enthält der Bundeshaushalt 1,5 Milliarden Euro für den Erhalt aller Ingenieurbauwerke an Autobahnen, wie viel davon tatsächlich in Brücken fließt, bleibt jedoch unklar. Die Autobahn GmbH selbst konnte für die Jahre 2022 bis 2024 keine konkreten Ist-Ausgaben zur Brückensanierung nennen.
Brückenkompetenzzentrum erst im Aufbau
Der Bundesrechnungshof sieht in der unklaren Steuerung des Programms ein strukturelles Versäumnis. Das BMDV habe es versäumt, die Autobahn GmbH durch eindeutige Vorgaben, realistische Zielgrößen und belastbare Evaluierung zu führen. Auch auf organisatorischer Ebene hakt es: Ein eigens eingerichtetes Brückenkompetenzzentrum bei der Autobahn GmbH sei noch im Aufbau und habe bislang keine Weisungsbefugnis gegenüber den regionalen Niederlassungen.
Zwar kündigte das Ministerium im September 2024 eine positive Zwischenbilanz an – gemessen an Brückenfläche statt an der Anzahl der Bauwerke –, doch auch diese Darstellung wird vom Rechnungshof klar zurückgewiesen. Nach seinen Berechnungen beträgt die tatsächlich modernisierte Fläche bis Ende 2024 nur zehn Prozent der tatsächlich erforderlichen Gesamtfläche.
Empfohlene Maßnahmen des Bundesrechnungshofs
Um einen weiteren Verfall der Brückeninfrastruktur zu stoppen, fordert der Bundesrechnungshof ein Bündel an Maßnahmen:
- Zweckbindung und gesonderte Ausweisung der Haushaltsmittel für Brückenmodernisierungen
- Anpassung der Flächen- und Kostenschätzungen an die tatsächlichen Gegebenheiten
- Mehr Personal, klare Priorisierung und Umverteilung von Ressourcen bei der Autobahn GmbH – notfalls durch Zurückstellung von Neubauprojekten
- Verbindliche Zielvorgaben, Fortschrittskontrolle und stärkere Aufsicht durch das BMDV – auch gegenüber den Ländern bei Bundesstraßenprojekten
- Prüfung, ob Mittel aus dem Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität gezielt für Brückensanierungen eingesetzt werden können