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Wohnmobil-Crashtest in Schweden
Integriertes Wohnmobil kollabiert

Die schwedische Verkehrsbehörde hat zwei Wohnmobile gecrasht. Das Ergebnis offenbart Konstruktionsschwächen vor allem bei sogenannten integrierten Wohnmobilen. Jetzt kontert der Verband der Caravaning-Industrie (CIVD) in einer Stellungnahme.

Wohnmobil Crashtest Schweden Zentralamt fŸr Verkehrswesen Trafikverket 2019
Foto: Trafikverket / Screenshot Youtube

Bereits 1998 hat sich Schweden das Ziel „Vision Zero“ gesetzt: Keine Todesopfer mehr im Straßenverkehr. Mit entsprechenden Maßnahmen in der Verkehrsplanung, aber auch bei der Fahrzeugsicherheit soll dies realisiert werden. Die Statistik spricht dafür, dass die Maßnahmen Wirkung zeigen, Schweden zählt weltweit zu den Ländern mit den prozentual wenigsten im Straßenverkehr getöteten Menschen.

Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch, warum die schwedische Behörde „Trafikverket“, vergleichbar mit dem deutschen Bundesministerium für Verkehr, den Reisemobil-Crashtest durchgeführt hat. Dabei wurden zwei (gebrauchte) Wohnmobile in einem Offset-Crash getestet. Trafikverket begründet den Versuch damit, dass die Neuzulassungen von Wohnmobilen in Schweden seit 2014 um 50 Prozent gestiegen seien und in diesen fünf Jahren sechs Personen in einem Wohnmobil bei einem Verkehrsunfall ums Leben kamen.

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Zwei Wohnmobil-Arten im Crashtest

Bei dem Versuch setzte die schwedische Behörde ein teilintegriertes sowie ein integriertes Wohnmobil ein, zwei der vier gebräuchlichen Aufbauarten. Bei teilintegrierten Modellen wird das Fahrerhaus des Fahrzeugherstellers mit einem dahinterliegenden Wohnaufbau verbunden. Ein integriertes Wohnmobil setzt auf einen komplett vom Anbieter hergestellten Wohnaufbau inklusive des Fahrerhauses, der auf das Fahrgestell eines Herstellers montiert wird.

Wohnmobil Crashtest Schweden Zentralamt fŸr Verkehrswesen Trafikverket 2019
Trafikverket / Screenshot Youtube
Beim Crashtest des vollintegrierten Wohnmobils löste sich der Aufbau vom Rahmen

Der Test entsprach laut Trafikverket den Vorgaben des Euro-NCAP-Test für Pkw: Die beiden Wohnmobile wurden auf 64 km/h beschleunigt gegen eine versetzt montierte Barriere gefahren. Den Technikern zufolge entspricht dies einem Frontalaufprall auf einen Pkw bei einem Tempo von 90 km/h.

Das Ergebnis der beiden Crashtests ergibt für die Insassen laut „Trafikverket“ ein „hohes Risiko“, bei einem solchen Unfall-Szenario zu sterben. Grund dafür sei unter anderem die transportertypisch kurze Knautschzone an der Front sowie der Gefahr durch sich lösende Einbauten. Schon das teilintegrierte Wohnmobil wurde beim Crashtest fast völlig zerstört. Das vollintegrierte Modell kollabierte vollständig, der Aufbau löste sich komplett vom Fahrgestell.

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Forderung: Euro-NCAP auch für Wohnmobile

Trafikverket will mit den Ergebnissen der Crashtests darum werben, dass der Euro-NCAP-Crashtest auch auf Wohnmobile ausgeweitet wird, diese werden bislang nicht nach dieser Pkw-Crashtest-Norm geprüft. Auch sollen die Wohnmobilhersteller aufgrund der Ergebnisse dazu aufgefordert werden, die Aufbau-Sicherheit zu verbessern. Zentrale Forderung dabei ist die bessere Verankerung von Möbeln und Einbauten sowie leicht entfernbare Tische – vom Esstisch in der Dinette ging in beiden Tests ein besonders hohes Verletzungsrisiko für alle Insassen aus. Hier sitzen während der Fahrt meistens Kinder.

Bezogen auf Deutschland ist das Risiko einer schweren oder gar tödlichen Verletzung bei einem Verkehrsunfall in einem Wohnmobil verhältnismäßig gering. So ergab eine Studie der Unfallforschung der Versicherer bereits im Jahr 2014, dass Reisemobile im Vergleich nur halb so oft in Verkehrsunfälle verwickelt werden wie Pkw und die Chance, bei einem Verkehrsunfall unverletzt zu bleiben, fünf Mal so hoch ist wie in einem Pkw. Experten führen dies auf mehrere Faktoren zurück: Die umsichtigere Fahrweise der Wohnmobilisten, die niedrigere Fahrgeschwindigkeit sowie die bessere Übersicht im Vergleich zu einem Pkw.

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Stellungnahme des CIVD

Zum Crashtest in Schweden baten wir den Dachverband der europäischen Freizeitfahrzeug-Hersteller und -Zulieferer, den Caravaning Industrie Verband e.V. (CIVD), um eine Stellungnahme. Auf unsere Fragen antwortete Jost Krüger, Leiter des Referats Technik und Umwelt im CIVD.

Was sagt der CIVD zum Test des Trafikverket? Zu den gefahrenen Geschwindigkeiten?

Krüger: Die für Pkw durch EuroNCAP vorgegebenen Crashbedingungen von 64 km/h mit seitlich versetztem frontalem Aufprall auf eine deformierbare Barriere (40 Prozent Überdeckung) sind für Reisemobile, die auf Nutzfahrzeugen aufgebaut sind, schlicht überdimensioniert und nicht erfüllbar. Euro NCAP definiert freiwillige Standards für PKW, Minivans und Kleintransporter, nicht für die bei Reisemobilen eingesetzten Nutzfahrzeuge oder gar Reisemobile selbst. Um den technischen Charakteristika von Reisemobilen und dem Fahrverhalten gerecht zu werden, hat z.B. die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) für Reisemobile ausgelegte Crashbedingungen entwickelt.

Wie realistisch ist für den CIVD dieser Test, der laut Trafikverket einem Frontalaufprall mit 90 km/h auf einen durchschnittlichen Personenkraftwagen entspricht

Krüger: Trafikverket ist als Mitglied bei EuroNCAP nur mit den von EuroNCAP für PKW, Minivans und Kleintransporter angelegten Testbedingungen vertraut und hat diesen daher angewendet. Dass diese Testbedingungen für Reisemobile nicht realistisch sind, dürfte allgemeiner Konsens sein. Schließlich sind Reisemobile nicht so schnell unterwegs wie Pkw oder Transporter und weniger häufig in Frontalunfälle verwickelt. Mit rund 55 Prozent der Unfälle mit Wohnmobilbeteiligung ereignet sich ein Großteil innerorts bei geringen Geschwindigkeiten. Nur ca. 16 Prozent passieren auf Bundesautobahnen. Hinzu kommt, dass Wohnmobile nur selten in den Berufsverkehr geraten und die Verkehrssituation für Wohnmobilisten wesentlich entspannter ist.

Gibt es Crashtest-Szenarien, die aus Sicht des CIVD sinnvoll wären?

Krüger: Die EU-Typgenehmigung definiert Reisemobile als „Fahrzeuge mit besonderer Zweckbestimmung“, da ein wesentlicher Bestimmungszweck des Reisemobils das „Wohnen“ ist. Daher sind Reisemobile wie alle anderen Fahrzeuge mit besonderer Zweckbestimmung von Anforderungen für Pkw-Crash-Tests ausgenommen. Aufgrund der im Vergleich zu PKW geringeren Geschwindigkeiten hat die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) speziell für Reisemobile ausgelegte Crashbedingungen entwickelt. Reisemobile werden mit einer Geschwindigkeit von 32 km/h bei voller Überdeckung gegen ein starres Hindernis gefahren. Nach Einschätzung der BASt kommt diese Unfallkonfiguration zwar im Umfallgeschehen relativ selten vor, sie stellt aber die höchsten Anforderungen an Insassenschutzsysteme und an die Festigkeit der Einrichtungen und ihrer Verankerungen. Inzwischen haben sich diese Vorgaben als Standard für weitere Reisemobile-Crashversuche etabliert.

Was können Fahrzeughersteller tun, um die Sicherheit in den Reisemobilen weiter zu verbessern?

Krüger: Die seit Mitte der 90er Jahre durchgeführten Crash-Tests von Reisemobilen haben das Wissen um das Crashverhalten von Reisemobilen ständig erweitert und die Sicherheitseinrichtungen permanent verbessert. In modernen Reisemobilen ist heutzutage eine große Anzahl an intelligenten Assistenz- und Sicherheitssystemen verbaut, wobei die Konzepte der Reisemobilhersteller variieren können.

Was können/sollten Fahrer und Kunden beim Kauf in Hinblick auf das Thema Sicherheit beachten?

Krüger: Zunächst einmal ist festzuhalten, dass Reisemobile absolut kein Schwerpunkt im Unfallgeschehen sind. Untersuchungen der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) belegen die geringe Unfallbeteiligung von Reisemobilen. Zwei Studien kommen zu ähnlichen, sehr positiven Ergebnissen: Unfälle unter Beteiligung von Reisemobilen haben mit etwa 0,3 Prozent einen geringen Anteil an allen Unfällen mit Personenschaden. 2017 liegt der Anteil lediglich bei 0,2 Prozent. Reisemobile sind aber auch in Hinsicht auf fahrleistungsbezogene Unfallrisiken als überaus sicher einzustufen. 256 Unfälle mit Personenschaden je Mrd. Fahrzeugkilometern bei Reisemobilen stehen 519 Personenschäden je Mrd. Fahrzeugkilometern bei Pkw gegenüber. Die Fahrsicherheit von Reisemobilen wird nicht zuletzt auch stark von den Reisemobilisten selbst beeinflusst. Reisemobilisten sind Tageslichtfahrer, zumeist im Urlaub und daher ohne Zeitdruck unterwegs.

Fazit

Die schwedische Verkehrsbehörde Trafikverket hat zwei Wohnmobile nach den Vorgaben des Euro-NCAP-Tests für Pkw gecrasht. Das Risiko, bei einem solchen Frontalaufprall tödlich zu verunglücken, bezeichnet die Behörde als „sehr hoch“. Experten weisen jedoch darauf hin, dass der in Schweden gefahrene Pkw-Offset-Crash nicht für Reisemobile geeignet sei, stattdessen bereits seit Mitte der 1990er Jahre mit spezifischen Crashtests für Wohnmobile gearbeitet werde. Zudem seien Reisemobilisten nach jüngsten Studien sehr viel sicherer als Pkw-Fahrer unterwegs.

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