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Alltagsgefahr auf deutschen Autobahnen
Wie gefährlich sind Lkw?

Lkw-Fahrer transportieren täglich Lebensmittel sowie wichtige Roh- und Baustoffe von A nach B – und leisten damit gerade in der Pandemie einen enorm wichtigen gesellschaftlichen Beitrag. Entsprechend groß ist die Konkurrenz im Speditionsgewerbe. Eine Folge: Der Druck auf die Fahrer steigt stetig. Sinkt damit die Sicherheit – auch für Pkw-Fahrer? Eine Bestandsaufnahme.

LKW, Exterieur/Interieur
Foto: imago-images

Es ist der 25. Juni, 15.40 Uhr: Am Autobahnkreuz Dortmund-Nordwest auf der A 2 verliert ein Lkw-Fahrer aus bislang noch ungeklärten Gründen die Kontrolle über sein Fahrzeug, durchbricht die Leitplanke, gerät in den Gegenverkehr und kollidiert dort frontal mit einem entgegenkommenden Pkw. Ein weiteres Fahrzeug kann nicht mehr ausweichen. Zwei Menschen kommen ums Leben, drei müssen schwer verletzt in ein Krankenhaus. Der Lkw-Fahrer erleidet leichtere Verletzungen. Die Polizei beschlagnahmt sein Mobiltelefon. Unfälle wie diese – so schrecklich sie sind – gehören auf deutschen Straßen leider zum Alltag.

Rücksicht hat Vorfahrt

Zwar ging seit Beginn der Unfallstatistik 1992 in Deutschland die Zahl der bei Lkw-Unfällen ums Leben gekommenen Personen um mehr als zwei Drittel von 1883 auf 616 im vergangenen Jahr zurück – und das, obwohl sich die Transportleistung in diesem Zeitraum fast verdoppelte. Dennoch: Auch 2020 gab es laut Statistischem Bundesamt allein 6.990 Unfälle mit Personenschaden zwischen Pkw und Lkw. In 4.296 Fällen war der Hauptunfallverursacher der Lkw-Fahrer.

Sicherheitsrisiko Lkw?

Fakt ist: Gerade Pkw haben bei einer Kollision die schlechteren Karten. "Zwischen Lkw und Pkw sind die Masseunterschiede leider besonders groß. Dazu kommen die unterschiedlichen Höhen", sagt Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer. Dieter Schäfer, langjähriger Chef der Mannheimer Verkehrspolizeidirektion und zuständig für alle Autobahnen in der Rhein-Neckar-Region, fügt hinzu: "Ein Lkw-Auflieger hat zwar einen Unterfahrschutz, der reißt aber bereits bei einer Differenzgeschwindigkeit von 40 km/h ab." Bei einem Aufprall mit höherer Geschwindigkeit schiebe sich ein Pkw bis zum C-Holm des Fahrzeugs unter den Hänger. "Der Fahrer hat keine Überlebenschance", spricht Schäfer Klartext.

Dass solche Auffahrunfälle aber auch für die Lkw-Fahrer zur Gefahr werden können, weiß Werner Andres, Leiter der BGL-Abteilung Verkehrssicherheit: "Stau-Ende-Unfälle sind eine große Gefahr für Pkw-Insassen. Vor allem, wenn das auffahrende Fahrzeug ein Lkw ist. Wenn Lkw ungebremst in Stau-Enden rasen, ist das allerdings auch oft für Lkw-Fahrer tödlich." Was er damit meint: Im Jahr 2020 starben trotz eines pandemiebedingten Rückgangs der Unfalltoten um 10,4 Prozent bei Auffahrunfällen 48 Lkw-Fahrer – so viel wie nie zuvor. Der Trend setzt sich fort: Bis Mitte Juli 2021 verzeichnet die Statistik bereits 50 Tote in Deutschland. Die meisten der Unfälle passierten an Stau-Enden vor Dauerbaustellen.

Unfälle mit Personenschaden zwischen Pkw und Lkw nehmen ab

Hauptunfallverursacher Pkw

Hauptunfallverursacher Lkw

Gesamt

2010

4.559

6.848

11.407

2011

4.466

6.497

10.936

2012

4.232

6.126

10.358

2013

4.173

6.049

10.222

2014

4.219

5.753

9.972

2015

3.791

5.771

9.562

2016

3.901

5.643

9.544

2017

3.754

5.726

9.480

2018

3.560

5.414

8.974

2019

3.421

5.203

8.624

2020

2.694

4.296

6.990

Quelle: Statistisches Bundesamt

Siegfried Brockmann erklärt: "Generell kann man sagen, dass stockender und stehender Verkehr Risikofaktoren sind." Das liege an der Natur des Lkw-Arbeitsplatzes: Monotones Fahren ohne Herausforderung führe entweder zu Schläfrigkeit oder zur Suche nach Ablenkung, zum Beispiel durch Tablets. Eine Destatis-Auswertung gibt ihm recht: Demnach sind Lkw bei "Zusammenstößen mit einem Fahrzeug, das vorausfährt oder wartet", überproportional beteiligt. Bei Unfällen mit Getöteten bei dieser Unfallart stellen Lkw sogar 46 Prozent der Hauptverursacher dar.

Problemfaktor Ablenkung

"Wenn nach Unfällen in Einzelfällen nachgewiesen werden kann, dass der Fahrer abgelenkt war, dann war meistens die Nutzung moderner Kommunikationsmittel wie beispielsweise Smartphones der Grund für die Ablenkung", sagt Klaus Ruff, stellvertretender Leiter der Abteilung Prävention der BG Verkehr. Aber auch zu geringer Sicherheitsabstand und der Situation nicht angepasste Geschwindigkeit führen zu Auffahrunfällen. "Tödlich wirkt immer die zu hohe Differenzgeschwindigkeit beim Aufprall. Und die entsteht dann, wenn der Fahrer zum falschen Zeitpunkt abgelenkt ist", sagt Schäfer, der vor einigen Jahren die Initiative "Hellwach mit 80 km/h" gründete – ein Verein, der mit viel Engagement gegen die "Todsünden" im Fahrerhaus ankämpft und für Aufklärung sorgen will.

LKW, Exterieur/Interieur
Getty Images
Der Griff zum Smartphone im Zusammenspiel mit zu wenig Sicherheitsabstand zählt zum häufigsten Fehlverhalten am Steuer

Denn nicht nur die Ablenkung, auch der Sekundenschlaf ist ein Problem. Schäfer weiß: "Viele Fahrer leiden durch den Dauerstress, verursacht durch Just-in-time-Lieferungen oder unflexible Timeslots an den Rampen, an Schlafstörungen." Hinzu komme die Schlafapnoe bei Übergewichtigen. Zur Einordnung: Bei einer europaweiten Befragung gaben 26 Prozent der Fahrer an, in den letzten zwölf Monaten mindestens einmal kurz während der Fahrt eingeschlafen zu sein – erschreckend.

Damit so etwas nicht unentdeckt bleibt, kontrollieren die Polizei in den Ländern und der Straßenkontrolldienst des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG) den gewerblichen Güterverkehr. Beide führen thematisch umfassende Prüfungen durch. Daneben gibt es weitere Kontrollbehörden wie den Zoll oder die Arbeitsschutzbehörden, die Teilbereiche wie zum Beispiel Schwarzarbeit oder Lenk- und Ruhezeiten kontrollieren.

Der Straßenkontrolldienst des BAG soll den gesetzlichen Kontrollauftrag gemäß Güterkraftverkehrsgesetz durch stichprobenartige Kontrollen konsequent sicherstellen. "Bei der Planung und Auswahl der konkreten Kontrollorte werden Hinweise von Verbänden des Gewerbes sowie kontrollpraktische Erfahrungswerte berücksichtigt, um noch gezielter gegen Verstöße vorzugehen", teilt das BAG auf Nachfrage mit.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass bei den Kontrollen die Anzahl der Beanstandungen im Fahrpersonalrecht – allen voran die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten – seit Jahren rückläufig ist. Lag die Beanstandungsquote 2018 noch bei 16,88 Prozent, beziffert sie das BAG 2020 nur noch mit 12,75 Prozent. Außerdem stellt das Bundesamt klar: "Bei der Gesamt-Beanstandungsquote besteht kein signifikanter Unterschied bei den Kontrollen der Gebietsansässigen und Gebietsfremden."

LKW, Exterieur/Interieur
Reinhard Schmid
Gefährliche Parksituation an Rasthöfen!

Doch aus dem praktizierenden Gewerbe melden sich kritische Stimmen: "Ob der schieren Menge von täglich 800.000 Lkw gibt es kaum Kontrolldruck", so Schäfer. Das Risiko, bei Abstands- oder Überholverbotsverstößen erwischt zu werden, gehe gegen null. "Die Fahrer, darunter viele aus Osteuropa, lernen am negativen Erfolg und verhalten sich deshalb sehr oft verkehrswidrig." Der ehemalige Mannheimer Verkehrspolizeichef ergänzt: "Der Fahrermangel hat die EU veranlasst, auch Anwerbungen außerhalb der EU zuzulassen."

Die Hälfte der rund 350.000 angeworbenen Nicht-EU-Fahrer sind bei polnischen Spediteuren angestellt, Litauen holt stark auf. Schäfer wird nun deutlich, beide Länder hätten gesündigt: "Lizenzen wurden am Fließband vergeben. So wurde auch ein etwa zweiprozentiger Anteil von schwerst alkoholabhängigen Fahrern angeworben, die jetzt regelmäßig mit bis zu fünf Promille auffallen." Berufskraftfahrer Frank Kirch pflichtet ihm im Interview bei. Auch in Fahrerforen wird die Gesamtsituation teilweise als Wildwestverhalten beschrieben.

Politik zu schläfrig?

Was also tun – die Strafen für Lkw-Fahrer erhöhen? Ein vermeintlich logischer erster Schritt, denn die Bußgelder für Verkehrsverstöße in Deutschland liegen nach wie vor teils sehr deutlich unter denen im europäischen Ausland. Das Problem: In ganz Europa grassiert ein seit Jahren zunehmender Fahrermangel. Allein in Deutschland fehlen schätzungsweise 45.000 bis 60.000 Lkw-Fahrer. "Es wäre im Sinne der Versorgungssicherheit kontraproduktiv, pauschal an der Bußgeldschraube zu drehen", gibt Werner Andres deshalb zu bedenken.

Auf Dauer können wohl nur die Fahrer selbst im Zusammenspiel mit modernen Assistenzsystemen Unfälle verhindern. Vorausgesetzt, man setzt diese auch richtig ein. "Europaweit gibt es ein eklatantes Wissensdefizit über die Wirkungsweise der Assistenzsysteme. Millionen von Führerscheininhabern wissen nicht, wie die Systeme funktionieren, und tragen so unbewusst durch ihr riskantes Fahrverhalten zu Unfallgefahren bei", sagt Schäfer. Hier könne nur eine europaweite Aufklärung helfen.

Stichwort Aufklärung: Für Lkw-Fahrer bestehen europaweit gesetzliche Pflichten zur Gesundheitsprüfung sowie für gewerbliche Lkw- Fahrende zusätzlich zu Seminaren zur beruflichen Aus- und Weiterbildung im Fünfjahresturnus. Die umfasst fünf Module, wobei ein Schwerpunkt der Verkehrssicherheit dient. Hierzu zählen Ladungssicherung, die Sicherheitssysteme der Fahrzeuge und auch deren Verwendung.

LKW, Exterieur/Interieur
DEKRA
Beim Fahrsicherheitstraining lernen die Teilnehmer neben dem Umgang mit Assistenzsystemen, wie sich ihr Fahrzeug in Extremsituationen verhält.

Ein Fahrsicherheitstraining – bisher nicht Pflicht – können die Kurse aber nicht ersetzen. "In Fahrsicherheitstrainings wird das Fahrpersonal über die Technik und Fahrphysik informiert und für Gefahrensituationen sensibilisiert. Die Wirkungsweise von Assistenzsystemen wird vermittelt, und deren Grenzen werden aufgezeigt", erläutert Klaus Ruff von der BG Verkehr. Auch Werner Andres begrüßt das Training. Er sieht nur ein Problem: "Der Auftraggeber will vom Transportunternehmer nicht hören, dass der seine Sendung nicht transportieren kann, weil der Fahrer heute beim Sicherheitstraining ist. Er will nur hören, dass der Fahrer heute seine Sendung abholt und ausliefert."

Interview mit einem Berufskraftfahrer

Mit 18 begann Frank Kirch eine Lehre zum Berufskraftfahrer – er ist es bis heute geblieben. Jährlich legt der heute 54-Jährige mit seinem Mercedes Actros rund 140.000 Kilometer zurück. Im Interview mit auto motor und sport gibt er drastische Einblicke in seinen Berufsalltag, zeigt Unverständnis für unbelehrbare Kollegen und richtet einen Appell an Politik und Autofahrer.

Herr Kirch, ist Lkw-Fahren trotz moderner Assistenzsysteme in den letzten Jahren gefährlicher geworden?

Ja, auf jeden Fall. Assistenzsysteme haben ihre Berechtigung. Aber das wichtigste Instrument ist der Mensch. Assistenzsysteme sollen mich unterstützen. Sie nehmen mir aber nicht die Arbeit ab. Ich rege mich tierisch auf, wenn ich einen Kollegen überhole, der hinter dem Steuer sitzt wie ich zu Hause auf dem Sofa, am besten noch mit den Füßen auf dem Armaturenbrett. Da muss nur der Reifen platzen, dann hat man so einen Lastzug nicht mehr im Griff. So ein 40-Tonner kann eine tödliche Waffe sein. Da darf man sich keine Konzentrationsschwächen leisten.

Haben wir also ein Fahrerproblem?

Ich sage Ihnen das so, wie ich es in meinem Alltag wahrnehme. Da werden Lkw-Fahrer auf die Menschheit losgelassen, das ist nicht mehr zu verantworten. Die fahren zum Teil unter Alkohol- und Drogeneinfluss. Als ich noch klein war, da waren Lkw-Fahrer für mich Helden, ich habe zu ihnen hochgeschaut. Heute sind das Menschen, die wissen teilweise gar nicht, was sie tun. Da sind viel zu viel verantwortungslose Fahrer unterwegs. Ich weiß, das sind harte Worte, aber so erlebe ich das.

Warum zieht die Polizei diese Fahrer nicht aus dem Verkehr?

Die Flut an Lkw, die täglich durch Deutschland fährt, kann man nicht mehr kontrollieren. Deshalb ist für mich die Autobahn vielerorts zu einem rechtsfreien Raum geworden. Vor allem nachts, da sehe ich nicht einmal die Polizei. Es ist schon häufiger vorgekommen, dass ein Lkw vor mir sichtbar mehrmals ins Schwanken geraten ist. Ich rufe dann die Polizei. Häufig sagt mir dann der Beamte am Telefon, dass gerade kein Personal zur Verfügung stehe. Das ist kein Scherz, das sagen mir die Polizisten am Telefon. Stellen Sie sich das mal vor, hier wird bei der Sicherheit bewusst gespart. Das ist ein klarer Fehler der Politik. Sie wusste, welchen Durchfahrtsverkehr wir hier in Deutschland durch den EU-Binnenmarkt haben werden. Auch die Infrastruktur ist dem nicht mehr gewachsen. Ein kleiner Unfall oder eine Baustelle reicht, und es gibt kilometerlange Staus.

Wo genau besteht aus Fahrersicht Verbesserungspotenzial bei der Infrastruktur?

Allen voran bei den Parkplätzen. Das ist eine Katastrophe. Gerade an den Rasthofeinfahrten passieren schlimme Unfälle, weil dort Lkw gefährlich stehen. Aber was sollen wir denn machen? Wir Fahrer können nichts dafür. Es macht mich fassungslos, dass die Politik untätig zuschaut. Früher gab es in jeder großen Stadt einen Autohof mit Restaurant. Da konnten Lkw-Fahrer parken und essen. Viele Autohöfe wurden dicht gemacht, warum? Schafft doch bitte zumindest in den Industriegebieten Parkflächen. Man will die Ware, aber man will den Lkw nicht in der Nähe haben. Wir müssen unsere Pausen machen und wissen gar nicht, wohin. Das ist ein Kampf, häufig auch ein Lotteriespiel. Manche Fahrer reagieren entsprechend genervt und frustriert. Wir sind müde und kommen mit dem Gesetz in Konflikt. Aber der Transport muss eben billig und schnell sein. Darunter leidet dann auch die Sicherheit.

Ist der Zeitdruck also mit ein Grund für lästige Elefantenrennen auf den Autobahnen?

Ja und nein. Ich hatte neulich wieder eine straffe und stressige Tour. Da muss ich überholen, weil ich es sonst nicht rechtzeitig zum Kunden schaffe. Komme ich zu spät, werde ich meine Ware nicht los. Wenn ein Lkw vor mir also bei 87 km/h abgeregelt ist, ich aber 90 km/h fahren kann, dann überhole ich. Ich möchte auch nicht immer denselben Lkw vor mir haben. Das ist monoton und einschläfernd. Meiner Meinung nach müssten lange Lkw-Überholverbotsstrecken abgeschafft werden. Im Kolonnenfahren lässt die Konzentration nach. Aber klar, es gibt auch unbelehrbare Fahrer. Die drücken auf einmal aufs Gas, wenn ich sie überholen möchte. Für Autofahrer, die dann mit Tempo 130 angefahren kommen, ist das ärgerlich. Für mich allerdings auch. Häufig kommt es auch vor, dass Kollegen den Blinker zu spät setzen und einfach rausfahren. Das ist gefährlich.

Gefährlich sind im Winter auch Eisplatten, die manche Fahrer nicht von ihren Dächern schieben – warum?

Das ist ein großes Problem. Aber wie will man es lösen? Bei uns in der Niederlassung haben wir ein Gerüst. Da können wir hochklettern und das Eis entfernen. Aber wenn ich im Winter über ein Wochenende auf einem Rastplatz stehe, und es schneit zwei Tage lang, habe ich Schwierigkeiten, die Platten runterzubekommen. Denn selbst wenn ich es versuchen würde, wäre ich im Falle eines Absturzes nicht versichert. Die Berufsgenossenschaft verbietet das.

In welchen Situationen benehmen sich speziell Pkw-Fahrer verantwortungslos?

Wenn sie mit nur wenig Abstand vor den Lkw ziehen, um noch die Ausfahrt zu bekommen. Da muss ich manchmal eine Vollbremsung einleiten. Wenn der Fahrer hinter mir – egal ob Lkw oder Pkw – dann nicht genügend Abstand hält, kann es schon krachen. Ich würde an der Stelle eines Autofahrers nicht so eng vor einen 40-Tonner fahren. Ein ähnliches Problem haben wir bei Auffahrten. Gerade im Westen gibt es viele davon. Da kommt es zu vielen Unfällen. Der Pkw fährt auf der Beschleunigungsspur und will reinziehen und meint, der Lkw-Fahrer müsse ihn sehen. Nein, das muss er nicht. Ich muss nach vorne schauen. Wenn ein Pkw vor mir in meine Spur will, dann lass ich ihn das in der Regel auch tun. Wenn es aber eben einmal nicht klappt, dann muss er warten. So will es auch die Straßenverkehrsordnung. Wir sollten alle ein bisschen mehr Verständnis für den anderen haben. Dann würde gerade in einer für so viele besonders schwierigen Pandemie einiges einfacher gehen.

Die Corona-Zeit muss für Lkw-Fahrer besonders hart gewesen sein, oder?

Ja, das war schlimm. Nicht falsch verstehen, ich mache diesen Job sehr gerne, aber man muss viel entbehren. Ich sehe meine Frau und Kinder sehr selten. Freundschaften pflegen ist sehr schwierig. Corona hat den Alltag noch einmal deutlich erschwert. Ich musste einmal bei einem Kunden dringend auf die Toilette. Dann kam ein Mitarbeiter zu mir und sagte, das sei nicht erwünscht. Er wollte mir tatsächlich ein Hausverbot erteilen. Was soll ich dazu noch sagen? Das ist inzwischen Alltag. Deshalb wollen das viele junge Menschen in Deutschland auch nicht mehr machen. Hier bist du als Lkw-Fahrer nichts wert. Im Ausland weiß man es mehr zu schätzen, dass wir die Wirtschaft am Laufen halten. Lkw-Fahrer verdienen viel zu wenig. Es geht nicht darum, ob man schlau oder weniger schlau ist. Es geht darum, was man leistet. Das hat die Politik völlig vergessen. Wir brauchen auch hierzulande Fahrer, die die Supermärkte beliefern.

Umfrage
Machen Lkw-Hersteller genug für die Sicherheit?
22483 Mal abgestimmt
Ja, in den letzten Jahren nahm die Sicherheit stark zu.Nein, aber einige Hersteller zeigen, dass es in die richtige Richtung geht.

Fazit

Im Rahmen bundesweiter Großverfahren finden derzeit umfangreiche Stellenbesetzungen im Straßenkontrolldienst des Bundesamts statt, die zu einer personellen Verstärkung und in der Folge zu einer erhöhten Kontrolldichte führen sollen – richtig so! Einige Transportunternehmer bieten ihren Fahrern bereits Anreize in Form von Prämien für wirtschaftliches und defensives Fahren an – sehr gut! Gleichzeitig muss die Politik – neben einer massiven staatlichen Förderung von Fahrsicherheitstrainings und Aufklärungsprogrammen – das Baustellenmanagement auf den Transitrouten smarter gestalten. Intelligente Stauwarnanlagen müssen mit der Einrichtung einer Baustelle zum Standard werden – hier kann die neue Autobahn GmbH zeigen, was sie kann! Und zu guter Letzt bestimmen wir Verbraucher selbst, wie viele Lkw auf den Straßen unterwegs sind: Denn das, was bestellt wird, wird auch transportiert. Der Report verdeutlicht: Nur wenn alle an einem Strang ziehen, steigt die Sicherheit auf deutschen Straßen weiter – nehmen Sie Rücksicht!

Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 21 / 2024

Erscheinungsdatum 26.09.2024

148 Seiten