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Diesel-Fahrverbote in Städten
Wer soll sie kontrollieren – und wie?

Dass die Polizei immer im Fahrzeugschein nachsehen muss, welche Diesel in die Stadt dürfen und welche nicht, kann auf Dauer nicht die Lösung sein. Nun hat sich die Regierungskoalition in Berlin auf ein Modell geeinigt.

Auch ohne Richter zum Bluttest
Foto: Volker Hammermeister

2019 wird als das Jahr der Diesel-Aussperrungen in die Geschichte eingehen. In Hamburg sind bestimmte Straßenabschnitte schon seit mehreren Monaten für ältere Diesel tabu, Stuttgart hat zum Jahreswechsel seine gesamte Umweltzone für Selbstzünder bis einschließlich Euro 4 gesperrt. Gerichte haben zudem für Berlin, Frankfurt/Main, Mainz, Köln, Bonn, Essen und Gelsenkirchen Fahrverbote angeordnet, die allesamt im Jahresverlauf in Kraft treten sollen. Weitere Entscheidungen dieser Art dürften folgen.

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Polizei fürchtet einen Kontroll-Kraftakt

Die Fahrverbote bringen nicht nur für Dieselfahrer Veränderungen und Einschränkungen mit sich, sondern auch für jene Behörden, die für die Verkehrsüberwachung zuständig sind. Es ist die Aufgabe von Polizei und Ordnungsamt, sicherzustellen, dass nur jene Dieselautos in die Innenstädte fahren, die entsprechende Abgasnormen erfüllen. Es droht ein Kontroll-Kraftakt, den die Behörden nicht ohne Hilfe zu stemmen bereit sind: „Solche Kontrollen stehen ganz am Ende unserer Prioritätenliste. Wir haben keine Hundertschaften im Keller, die nur auf neue Aufgaben warten“, sagte Rainer Wendt, der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, schon im Februar 2018 der Welt am Sonntag. Damals machte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig den Weg frei für Diesel-Fahrverbote.

Um die Fahrverbotszonen zu überwachen, sind also andere Optionen nötig. Einem Auto ist schließlich kaum von außen anzusehen, ob es ein Diesel ist – geschweige denn, welche Abgasnorm es erfüllt. Nun hat sich die Große Koalition in Berlin auf ein Modell geeinigt: Mit mobilen Geräten sollen die Kennzeichen von Fahrzeugen überprüft und mit dem Fahrzeugregister abgeglichen werden. Die dabei erhobenen Daten dürfen nur für den Zweck der Fahrverbots-Kontrolle erhoben und müssen nach spätestens zwei Wochen wieder gelöscht werden. Damit soll der nötige Datenschutz gewahrt bleiben. Am Donnerstag (14.3.2019) soll die Regelung im Bundestag verabschiedet werden.

Keine Videoüberwachung von Fahrverboten

Mit dieser Regelung ist die Überwachung der Fahrverbote mit fest installierten Geräten oder per Videoüberwachung vom Tisch. Genau darauf lief das ursprüngliche Regierungs-Konzept hinaus. Konkret sollte ein Bild des Fahrzeugs samt Fahrer, das Kennzeichen sowie Ort und Zeitpunkt der Aufnahme gespeichert werden. Diese Informationen würden mit den Daten des Zentralen Fahrzeugregisters abgeglichen. Dadurch wüssten die Behörden, wann welches Auto in die Fahrverbotszone eingefahren ist – und ob es das überhaupt durfte.

Der dafür erarbeitete Änderungsentwurf für das Straßenverkehrsgesetz rief heftige Kritik hervor. Einerseits von den Kommunen, die die dafür nötige Technik erst einmal anschaffen und dafür viel Geld investieren müssten. Andererseits gab es große datenschutzrechtliche Bedenken. Exemplarisch merkte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) an, dass die Polizei bei der Aufklärung schwerer Verbrechen keine Mautdaten nutzen dürfe, nun aber für die Einhaltung von Fahrverboten eine Massenüberwachung angestrebt werde. Oliver Krischer, Vize-Fraktionschef der Grünen, fürchtete, dass Fahrverbote als Vorwand für die Massenüberwachung in Innenstädten missbraucht würden. Die Polizei sprach sich ebenfalls gegen dieses Modell aus.

Bisherige Methode: Kontrolle per Fahrzeugschein

Dass eine effiziente Regelung her muss, um Diesel-Fahrverbote zu überwachen, zeigen aktuell die Beispiele Hamburg und Stuttgart. In der Hansestadt wenden die Behörden derzeit noch die aufwändigste Methode an: eine Überprüfung der Fahrzeugpapiere. Heißt: Das Auto anhalten, einen Blick in die Zulassungsbescheinigung Teil I (umgangssprachlich: Fahrzeugschein) werfen und die in Zeile V.9 angegebene, „für die EG-Typgenehmigung maßgebliche Schadstoffklasse“ kontrollieren. Die gibt Aufschluss über die Abgasnorm eines Autos. Die Hamburger Polizei schaut bei normalen Verkehrskontrollen nun genauer auf diese Angabe und führt vermehrt Stichproben bei älteren Autos durch. Zudem finden immer wieder Großkontrollen statt.

Die Polizei in Stuttgart, wo seit Januar ein Diesel-Fahrverbote gilt, führt ihre Überprüfungen in der Regel ebenfalls im Rahmen normaler Verkehrskontrollen durch. Obendrein, wenn es um andere Verkehrsdelikte geht. Wird zum Beispiel ein Falschparker erwischt und dabei festgestellt, dass das Auto gar nicht in die Verbotszone hätte fahren dürfen, kommen zwei Strafen auf den Fahrzeughalter zu. Klar ist aber auch: solche Kontrollen sind sehr durchlässig, nur ein Bruchteil der Dieselsünder dürfte auf die Art erwischt werden.

Immer wieder gefordert: blaue Plakette

Um die Behörden zu entlasten, sollte also eine vereinfachte Kontrollmethode gefunden werden. Die Idee, die diesbezüglich am längsten diskutiert wird, ist die blaue Plakette. Also ein Aufkleber, der zusätzlich zur Feinstaubplakette auf der Windschutzscheibe angebracht wird, um nach Euro 6 eingestufte Diesel und andere saubere Autos mit einem Blick kenntlich zu machen. Viele Politiker, insbesondere der Grünen, fordern ihre Einführung vehement. Vor allem Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann gilt als großer Verfechter dieser Lösung. Auch der Deutsche Städtetag plädiert für den Aufkleber.

Den Weg für die blaue Plakette müsste jedoch die Bundespolitik freimachen. Die sperrte sich aber von Anfang an dagegen. Als die Minister Andreas Scheuer (CSU, Verkehr) und Svenja Schulze (SPD, Umwelt) Anfang Oktober das „Konzept für saubere Luft und die Sicherung der individuellen Mobilität in unseren Städten“ vorstellten, sagten sie: „Blaue Plaketten sind vom Tisch.“ Scheuer erklärte „die unsägliche Diskussion“ mit seinem damaligen Konzept für beendet. Das wurde nun also angepasst. Ob es tatsächlich so kommt, ist aber weiterhin fraglich. Bedenken gibt es vor allem wegen der vielen Ausnahmen, die nur schwer erfasst und im Zeitrahmen von zwei Wochen überprüft werden können.

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