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Neues VW-Werk für Trinity in Wolfsburg-Warmenau
VWs 2-Milliarden-Fabrik mit Tesla-Standard

Anfang März 2022 gab der VW-Aufsichtsrat grünes Licht für eine neue Trinity-Fabrik nördlich des Stammwerks. Im Frühjahr 2023 soll Baubeginn, 2026 Produktionsstart sein. Das Modell Trinity soll dann in zehn Stunden entstehen – genauso schnell und effizient wie bei Tesla in Grünheide.

VW-Werk Wolfsburg
Foto: Gregor Hebermehl

Bereits im Dezember hatte der Aufsichtsrat der Volkswagen AG im Rahmen der Planungsrunde 70 die Produktion des E-Modells Trinity am Standort Wolfsburg bestätigt. Jetzt steht fest, dass die neue Produktionsstätte tatsächlich außerhalb des Geländes des Stammwerks entstehen soll, und zwar nördlich davon in Wolfsburg-Warmenau. Dort gibt es noch freie Flächen, die im Westen durch die A39 und im Norden durch die Bundesstraße 188 begrenzt sind. Die Bauarbeiten sollen "unter Berücksichtigung des Bau- und Umweltrechts", so VW mit einem Seitenhieb auf den zunächst ohne endgültige Genehmigung begonnenen Bau der Tesla-Fabrik in Grünheide, bereits im Frühjahr 2023 beginnen. "Dabei sollen auch am neuen Standort hohe Umweltstandards eingehalten werden", so heißt es in einer Pressemitteilung weiter. Volkswagen werde sich dazu eng mit den zuständigen Behörden sowie Interessensgruppen austauschen.

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Trinity-Produktion soll 2026 beginnen

Schon ab 2026 soll dann mit innovativsten Fertigungsmethoden und bilanziell CO2-neutral das Modell Trinity vom Band laufen. Dabei will VW bei der Produktionszeit das Ziel von 10 Stunden pro Auto erreichen. Der Schlüssel: weniger Varianten, weniger Bauteile, mehr Automatisierung, schlankere Produktionslinien sowie neue Logistikkonzepte. "Unser Ziel ist klar: Wir wollen mit unserer Produktion Maßstäbe setzen", sagte Volkswagen-Produktionschef Christian Vollmer Anfang April zur Nachrichtenagentur Reuters. "Wenn wir auf 10 Stunden kommen, haben wir etwas Großes erreicht." Während VW bestimmte Modelle wie den Tiguan oder den Polo in 18 bzw. 14 Stunden in Deutschland bzw. Spanien produzieren kann, dauert der Zusammenbau seines elektrischen ID.3, der in einer Fabrik hergestellt wird, in der Volkswagen sechs Modelle von drei Volkswagen-Marken jongliert, immer noch 30 Stunden.

Die Produktionszeit pro Auto war im vierten Quartal 2021 der Ausgangspunkt heftiger Debatten in der Konzernführung, weil der Vorstandsvorsitzende Herbert Diess Szenarien hatte rechnen lassen, die den Entfall von 35.000 Arbeitsstellen bedeutet hätten, viele davon im Stammwerk in Wolfsburg. Das wiederum hätte Herbert Diess fast den Job gekostet.

Der nun getroffenen Entscheidung für den Bau der neuen Fabrik außerhalb des bestehenden Werkes ("Greenfield Ansatz") war laut Volkswagen eine umfassende Analyse unterschiedlicher Standortoptionen vorausgegangen, bei der auch die Möglichkeit einer Trinity-Produktion innerhalb des Wolfsburger Werks intensiv geprüft worden sei. Die dafür notwendige Fläche bezifferte der Konzern 2021 auf nur mehr etwa 2 Quadratkilometer, weil Logistikflächen und Parkplätze für Mitarbeiter ja schon vorhanden sind, außerhalb sind wohl eher vier Quadratkilometer nötig.

Für den Bau eines neuen Werks in Warmenau spreche aber neben einer mittelfristig höheren Wirtschaftlichkeit, dass so die laufende Serienproduktion sowie die in den nächsten Jahren anstehenden Neuanläufe wichtiger Modelle wie Tiguan, Tayron und der Produktaufwertung des Golf nicht gestört werden. Trotzdem will VW auch das Stammwerk in eine Produktionsstätte für E-Fahrzeuge schon deutlich früher beginnen: Ab 2023 wird Volkswagen auch dort den ID.3, um der hohen Nachfragen nach den E-Modellen der Marke gerecht zu werden.

Großmodule helfen, Trinity einfacher zu bauen

Das Projekt, das den von den Wolfsburgern konstatierten Rückstand gegenüber Tesla aufholen soll, heißt Trinity (englisch für Dreieinigkeit). Die neuen Elektroautos sollen auf einer neuen Architektur (Punkt 1) aufbauen (der Scalable Systems Platform, siehe Bildergalerie), den VW-Produkten durch Elektronik, Software und Autonom-Fähigkeiten (Punkt 2) einen neuronalen Schub verschaffen und mit einem radikal neuen Produktionsansatz (Punkt 3) herzustellen sein. Zu dem gehören:

  • Großmodule (z.B. Innenraummodul, Dach-Modul, Vorderwagen-Modul), die schon außerhalb der Kernlinie montiert werden – inhouse oder beim Lieferanten.
  • Aluminium-Guss-Teile: Ihren Einsatz prüft VW; andere Konzern wie Volvo haben das so genannte Mega-Casting auch schon angekündigt. So würden nicht mehr Hunderte von kleinen Blechteilen zusammengeschweißt, sondern schon die Fahrzeug-Großmodule (wie der Vorder- und Hinterwagen) aus wenigen Großgussteilen zusammengesetzt. Das bringt weitere Geschwindigkeit in der Fertigung.
  • Verringerung der Komplexität: Beim Golf sind rund 10 Millionen Konfigurationen möglich. Bei Trinity sollen es nur noch rund 140 sein. Das verschlankt auch das Logistik-Konzept.
  • Logistik: Sie soll direkt an die Produktion andocken, Drohnen sollen helfen.
  • Elektronikarchitektur in der Produktion: Softwareeinspielungen "Over the air" verkürzen die Zeiten zur Inbetriebnahme, das autonome Fahren soll bereits in der Produktionshalle zur Anwendung kommen.

In Summe soll das Trinity-Werk mehrere Arbeitsschritte durch Automatisierung zu einem verdichten. Das werde Größe des Karosseriebau-Teils im Werk verkleinern und die Zahl der Arbeitsplätze dort reduzieren, wo unbequeme körperliche Arbeit anfällt, sagte Produktionschef Vollmer zu Reuters und nannte die neue Produktionsmethode eine Erweiterung der "Mensch-Roboter-Kooperation".

Das Fahrzeugprojekt Trinity bezeichnet der Konzern als den neuen Leitstern der vollelektrischen Fahrzeugflotte von Volkswagen: Mit deutlich reduzierter Ladezeit und mehr als 700 Kilometern Reichweite, mit modernster Software soll Trinity bereit für das autonome Fahren nach Level 4 sein. Grundlage dafür sei die neue SSP-Plattform (siehe Galerie). Über die gesamte Lebensdauer sind auf der neuen Plattform konzernweit mehr als 40 Millionen Fahrzeuge geplant. Trinity soll sie erstmals ins Volumensegment bringen.

Einmal investieren, billiger produzieren

Noch-VW-Markenchef Brandstätter versprach schon 2021, dass Trinity-Modelle in einem neuen Werk in zehn Stunden entstehen können. 250.000 Fahrzeuge sollen dort pro Jahr vom Band rollen. Zur Anzahl der Mitarbeiter in der neuen Trinity-Fabrik äußerte sich Brandstätter seinerzeit nicht. Auch er sah einen Stellenabbau bei VW. Anders als Diess glaubte Brandstätter jedoch, dass sich der über Altersteilzeit und Vorruhestand regeln lasse. "Diese Instrumente sind ausreichend", betonte er.

Rund zwei Milliarden investiert der Konzern in das neue Werk. Nach der Aufsichtsratssitzung am 9. Dezember 2021 präsentierte der Konzern wo und wie er investieren will: Insgesamt 159 Milliarden in den nächsten fünf Jahren. Erstmals machen Zukunftsinvestitionen, primär in E-Mobilität und Digitalisierung, mit 89 Milliarden Euro beziehungsweise 56 Prozent, den größten Anteil aus. Eine neue Fabrik sollte weniger als zehn Prozent davon kosten – Tesla hat für seine neue Fabrik etwa sechs Milliarden investiert. In Grünheide sollen etwa 12.000 Mitarbeiter bis zu 500.000 Fahrzeuge pro Jahr herstellen. In Wolfsburg sind aktuell rund 14.000 Mitarbeiter in der Produktion beschäftigt, die 2021 erstmals seit den 50er-Jahren statt gut 500.000 weniger als 400.000 Fahrzeuge vom Band laufen haben lassen – allerdings vor allem wegen des Chipmangels.

Dazu investiert Volkswagen 800 Millionen Euro in das "modernste Forschungs- und Entwicklungszentrum Europas" (Campus Sandkamp), wo der Konzern in den kommenden Jahren die Zukunft der Mobilität vorantreiben will. Der Campus Sandkamp schaffe die Rahmenbedingungen, damit alle Bereiche von Volkswagen in modernen Arbeitsformen optimal und zeiteffizient zusammenarbeiten können. Bis 2030 ist geplant, die moderne E-Fertigung auf der SSP-Plattform nach dem Vorbild der Trinity-Fabrik auch in das bisherige Stammwerk zu integrieren.

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Fazit

Trinity ist das Zukunftsprojekt des Volkswagen-Konzerns. Darum ist es gut, dass der Aufsichtsrat den Bau einer neuen Fabrik verabschiedet hat. Bis zum geplanten Baubeginn im Frühjahr 2023 ist es nicht mehr lange hin, aber das erste Trinity-Modell soll ja auch bereits 2026 vom Band laufen. Selbst dieser ambitionierte Zeitplan wirkt angesichts der Erfolge von Tesla und der erstarkenden Konkurrenz aus China verspätet.

Dass sich der VW-Vorstandsvorsitzenden Herbert Diess darüber Sorgen gemacht hat und bei der Transformation aufs Tempo drückte, ist verständlich, dass der Betriebsrat des Spezialkonzerns Volkswagen das missverstanden hat, war sicher auch Diess‘ provokanter Kommunikation geschuldet.

Das eigentliche Problem des Riesentankers VW mit 680.000 Mitarbeitern weltweit scheint aber die Trägheit der Bürokratie in seinem Heimatland, wegen der ein "Einfach-machen"-Milliardär wie Elon Musk das Risiko eingeht, eine Giga-Factory ohne Genehmigung fertigzustellen. Zöge VW ein solches Vorgehen beim Trinity-Werk in Erwägung, würde vermutlich nicht erst Aufsichtsrat Stephan Weil, Ministerpräsident des Bundeslandes Niedersachsen, als Kontrolleur der Unternehmungsführung die Stirn runzeln.

Jetzt gilt es für alle Beteiligten zu zeigen, dass die schnelle Umsetzung großer Pläne am Standort Deutschland auch mit regulären Genehmigungsverfahren möglich ist.

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