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VW-Diesel-Skandal – Ärger bei Gebrauchtwagen
Freibrief von Gebraucht-Käufern – das sagt VW

Mit einem Freibrief von Gebrauchtwagenkäufern will sich VW offenbar vor möglichen Schadenersatzforderungen schützen. Der Hersteller sieht die Maßnahme etwas anders und nimmt Stellung dazu.

Strafe Dieselskandal Gericht Urteil Volkswagen VW
Foto: Hersteller / Patrick Lang

2015 kam der Diesel-Abgas-Skandal bei VW ins Rollen. Aber auch Jahre später nimmt Dieselgate für Volkswagen noch kein Ende. Der Europäische Gerichtshof und das Verwaltungsgericht Schleswig haben entschieden, dass sogenannte "Thermofenster" in den Abgasreinigungssystemen von Dieselmodellen aus dem VW-Konzern illegal sein könnten.

Risiko auf Kunden verlagern

In Folge könnten auf den Autobauer bei einem möglichen Weiterverkauf der von den Urteilen betroffenen Dieselmodelle weitere Schadenersatzforderungen zukommen. Gegen diese wolle sich der Konzern jetzt über seine Händler absichern, so das Manager Magazin. Die Händler sollen beim Verkauf von Gebrauchtwagen ihre Kunden eine Warnung unterschreiben lassen, dass ihnen das Risiko bewusst ist, dass vom Diesel-Skandal betroffene Autos die Fahrzeugzulassung entzogen werden könnte. Die Autos wären damit quasi wertlos.

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"Um auszuschließen, dass sich die am Vertrieb solcher Fahrzeuge beteiligten Personen und Betriebe rechtlicher Risiken aussetzen, bitten wir Sie sicherzustellen, dass jeder Händler und jeder Kunde vor Abschluss des Kaufvertrages über ein von der Thematik betroffenes Fahrzeug die Kundeninformation unterzeichnet", zitiert das Manager Magazin aus einem Schreiben von VW-Vertriebsleiter Jörg-Martin Saage an die deutschen VW-Händler vom 5. Juni.

Mit ihrer Unterschrift bestätigen die Kunden, dass ihnen mögliche Konsequenzen der eingebauten Thermofenster beim Kauf klar waren. In dem zu unterschreibenden Dokument heißt es: "Dies könnte bis hin zu einem gegen Fahrzeughalter gerichteten Entzug der Fahrzeugzulassung oder einer Nutzungsuntersagung reichen. Mögliche Auswirkungen auf den Wiederverkaufswert der Fahrzeuge können in einem solchen Fall nicht ausgeschlossen werden", schreibt ergänzend die Automobilwoche.

Keine Unterschrift, kein Auto

Sollten Kunden bereits einen Kaufvertrag unterschrieben haben und ihr Auto nun abholen wollen, "muss die jeweils beizufügende Kundeninformation vor Übergabe unterzeichnet werden", berichtet das Manager Magazin weiter. Das heißt: ohne Unterschrift kein Auto. Kunden, die die Zusatzerklärung nicht unterzeichnen wollen, können vom Kauf zurücktreten. Wer unterschreibt, ist dagegen unter anderem "mit der Durchführung einer etwaigen technischen Maßnahme" am Auto einverstanden, sollte diese von Volkswagen verlangt und bereitgestellt werden.

Bei VW geht es dem Schreiben an die Händler zufolge um alle Dieselmodelle in Europa mit dem Emissionsstandard Euro 6 oder niedriger, die nicht mit RDE (Real Driving Emissions) zertifiziert wurden. Das sind alle Diesel, die zwischen dem 1. Januar 2000 und dem 31. August 2017 gebaut wurden. Auch einige neuere Dieselmodelle fallen darunter. Wie viele der Autos noch auf der Straße sind, konnte Volkswagen auf Nachfrage des Manager Magazins nicht beziffern, da "die erforderlichen Zulassungsdaten nicht vorliegen".

Urteil noch nicht rechtskräftig

Sollte das Urteil vom Verwaltungsgericht Schleswig vom 20. Februar 2023 Bestand haben, drohen teure Massenrückrufe oder – falls es keine technische Lösung gibt – im schlimmsten Fall Stilllegungen. In der Klage gegen das Kraftfahrtbundesamt haben die Richter in der ersten Instanz der Deutschen Umwelthilfe recht gegeben. Demnach sind das von Volkswagen verbaute Thermofenster sowie weitere Einrichtungen (Höhenkorrektur und Taxischaltung) unzulässige Abschalteinrichtungen. In dem Urteil ging es um die Abschalteinrichtung eines VW Golf mit dem EA189-Motor.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Volkswagen AG und das KBA haben gegen die Entscheidung vom Verwaltungsgericht Schleswig Berufung eingelegt. Bis zum 7. August laufen die Begründungsfristen für die Berufung. Bis über Rückrufe, Schadensersatz oder sonstige Folgen für Volkswagen entschieden wird, kann es also noch einige Zeit dauern.

Auch der Europäische Gerichtshof hatte in Urteilen vom 14. Juli 2022 und 8. November 2022 die bisherige europäische Rechtsprechung zu Thermofenster für den Motorschutz gekippt. Aus Sicht der Richter sind Abschalteinrichtungen unzulässig, wenn das Abgasrückführungssystem nicht während des überwiegenden Teils des Jahres aktiv ist. Egal ob eine Typgenehmigung besteht oder nicht.

VW-Stellungnahme

Der Hersteller sieht die Maßnahme naturgemäß nicht in erster Linie getrieben von der Abwehr von Schadensersatzforderungen, verweist auf die Möglichkeit, vom Kaufvertrag zurückzutreten und nimmt wie folgt dazu Stellung (Zitat):

"Volkswagen legt großen Wert auf eine transparente Kommunikation und Information seiner Kundinnen und Kunden und hat sich anlässlich der Entwicklungen in der jüngeren Rechtsprechung zu Thermofenstern entschieden, potenzielle Käufer von gebrauchten Dieselfahrzeuge vor dem Kauf proaktiv, transparent und schriftlich hierzu zu informieren.

Alle Kunden, die ein gebrauchtes Fahrzeug der Abgasnorm Euro 6c oder niedriger bei einem autorisierten Vertragspartner kaufen, erhalten eine Kundeninformation.
Kunden, die ihr Auto bei einem autorisierten Vertragspartner bereits gekauft haben, bei denen die Übergabe jedoch noch nicht erfolgt ist, erhalten die Kundeninformation vor der Fahrzeugübergabe.

Wenn ein Kunde den Wunsch hat, nach Kenntnisnahme der Kundeninformation vom Kaufvertrag zurückzutreten, wird ihm dieses ermöglicht.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Schleswig vom 20. Februar 2023 ist nicht rechtskräftig. Das Verfahren wird fortgeführt; die Volkswagen AG und das Kraftfahrt-Bundesamt haben gegen das Urteil Berufung eingelegt. Ob die Entwicklung der jüngsten Rechtsprechung voranschreiten wird, ist derzeit ebenso ungewiss wie die Frage, ob überhaupt Ansprüche von Kundinnen und Kunden gegenüber Volkswagen im Zusammenhang mit den betreffenden Funktionen bestehen könnten.

Bis zu höchstrichterlichen Entscheidung werden erfahrungsgemäß einige Jahre vergehen.

Die schon im Markt befindlichen Fahrzeuge sind (sofern keine individuellen Fahrzeugschäden vorliegen) sicher und können ohne Einschränkungen genutzt werden, alle behördlichen Genehmigungen liegen für sie vor. Das Kraftfahrt-Bundesamt hat für den deutschen Markt keinen verpflichtenden Rückruf angeordnet. Die Fahrzeuge können weiterhin ohne Einschränkung sowohl privat, als auch gewerblich gehandelt werden."

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Fazit

Offenbar auch um sich vor weiteren Schadenersatzforderungen aus dem Diesel-Abgasskandal zu schützen, will der VW-Konzern das Risiko auf Gebrauchtwagenkäufer verlagern. Die stünden im ungünstigsten Fall mit einem wertlosen Auto da. VW selbst spricht von einer transparenten Kommunikation und Information gegenüber potenziellen Käufern von gebrauchten Dieselfahrzeugen.

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Erscheinungsdatum 03.07.2024

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