Jedes Jahr zum TÜV: HU-Intervalle für ältere Gebrauchtwagen

TÜV will Intervalle für Gebrauchtwagen verkürzen
„Die HU bleibt bezahlbar“

Veröffentlicht am 13.12.2024
Jürgen Wolz Geschäftsleiter TÜV Süd Collage
Foto: TÜV Süd / Patrick Lang

Neuwagen sind in den letzten fünf Jahren bis zu 44 Prozent teurer geworden. Da wird der Besuch im Autohaus für viele vom Shopping-Erlebnis zur Traumreise. Kein Wunder, boomt der Gebrauchtwagenmarkt, obgleich die Corona-Pandemie Spuren in der Angebotsvielfalt hinterlassen hat. Dennoch: ein gebrauchtes Auto ist für viele Fahrer erste Wahl, wenn es um die Neuanschaffung geht. Künftig könnten jedoch die Fix-Kosten steigen – zumindest, wenn es nach dem TÜV Süd geht.

TÜV Süd: ab 10 Jahren jährlich HU

Der TÜV Süd will Prüfintervalle für Autos auf 12 Monate verkürzen, die älter als zehn Jahre sind. Im Interview befürwortet Geschäftsführer Jürgen Wolz eine jährliche Hauptuntersuchung (HU) für Gebrauchtwagen vor Baujahr 2014. Wolz erklärt außerdem, wie die HU moderner und effizienter werden soll.

Wie dringlich ist die Aufgabe, die Hauptuntersuchung (HU) zu modernisieren?

Sehr dringlich. Die Fahrzeugtechnologie entwickelt sich immer rasanter weiter. Das Ziel sind zeitgemäße Prüfungen. Wir wollen moderne Fahrzeuge so prüfen, dass sich der Halter ruhigen Gewissens auf das Prüfergebnis verlassen kann. Eine zeitgemäße HU, die ein gutes Sicherheitsniveau der Fahrzeuge in Deutschland garantiert, ist zusammen mit vielen anderen Maßnahmen die beste Voraussetzung, um die wichtigen Umwelt- und Verkehrssicherheitsziele zu erreichen. Bis hin zur Vision Zero – also null Verkehrstote und keine Schwerverletzten mehr.

Gibt es ein Beispiel für etwas, was sich momentan aufgrund veralteter Mittel nicht prüfen lässt?

Bei Elektroautos können wir oft nur Sichtprüfungen durchführen, etwa bei Isolationsmängeln oder defekten Kabeln. Oder denken Sie an moderne Assistenzsysteme. Die können wir nur über den HU-Adapter anpinnen und schauen, ob das System aktiv ist. Aber die Wirkung können wir nicht überprüfen.

Es dauert oft lange, die Regularien zu ändern – läuft Ihnen die Zeit weg?

Wir glauben, dass die EU-PTI-Richtlinie (PTI = Periodical Technical Inspection, d. Red.), die ja die Grundlage für die nationale Gesetzgebung ist, Anfang des kommenden Jahres veröffentlicht werden wird und in nationales Recht umgesetzt werden muss. Das ist eine gute Gelegenheit, das eine oder andere mit aufzunehmen und umzusetzen.

Sind Sie da nicht zu optimistisch?

Wir gehen natürlich davon aus, dass nicht alle Wünsche und Anregungen der Charta 2030 innerhalb von wenigen Jahren umgesetzt sein werden. Die Entwicklungsstände sind auch unterschiedlich weit. Bei der Isolationsprüfung für Elektrofahrzeuge etwa sind wir schon in der Pilotierung von Prüfgeräten und Messmitteln. Beim Prüfen von Assistenzsystemen durch Fahrversuche mit einem künstlichen Hindernis oder einem dynamischen Prüfstand wird es bis zur Praxisreife sicher noch längere Zeit dauern. Vielleicht gibt es irgendwann mal Prüf-Hubs nur für autonome Autos.

Die Charta 2030 sieht auch vor, sicherheitsrelevante Software und damit verbundene Updates zu überprüfen. Nicht alle Hersteller werden sich freiwillig in die Karten schauen lassen ...

Auch hier hilft uns, glaube ich, die EU. Es ist zum Beispiel geplant, im Februar 2027 einen Batteriepass einzuführen, der das Akkuleben nahtlos dokumentiert. Außerdem wollen wir die SOH-Messungen standardisieren und von den Herstellerangaben wegkommen. Bisher hat hier jeder Hersteller seine eigenen Geheimnisse, wie er den Fitnesszustand des Akkus ermittelt und anzeigt. Gibt es hier erst einmal einen einheitlichen Messprozess, können wir auch das Bundesverkehrsministerium davon überzeugen, dies in eine Verordnung zu gießen.

Für sicherheits- und umweltrelevante Bauteile, Baugruppen und Systeme fordert die Charta 2030 ergänzend zur periodischen HU "remote unterstützte Untersuchungen". Könnten Sie hierfür ein Beispiel nennen?

Etwa wenn ein Hersteller einen Schaden entdeckt und darauf eine Rückrufaktion folgt. Oder wenn ein sicherheitsrelevantes Software-Update aufgespielt werden muss. Unsere Prüfingenieure sollen solche Informationen bei der HU bereits vorliegen haben und damit überprüfen können, ob Service- und Rückrufaktio- nen durchgeführt worden sind. Ein weiteres Beispiel sind Unfallwagen, die im Ausland instand gesetzt werden und als unfallfrei zu uns zurückkommen. Auf den ersten Blick sind die mechanisch sauber repariert, oft aber wurden ausgelöste Airbags durch einen Widerstand ersetzt. Hier würden wir im System sehen, dass die Airbags ausgelöst haben, und der Sache in der HU auf den Grund gehen.

Was hat der Verbraucher noch von der Charta 2030, etwa bei Kilometerständen und Vorschäden?

Über den für Mitte 2025 geplanten digitalen Prüfbericht, der in einer digitalen Fahrzeugakte liegt, hätte der Halter – je nach Zugriffsrechten – Einblick in die gesamte HU-Historie und könnte zum Beispiel die Kilometerstände nachvollziehen. Diese werden derzeit nicht unter den Prüforganisationen ausgetauscht. Es ist auch nicht mehr zeitgemäß, für 31 Millionen Hauptuntersuchungen jedes Jahr mindestens 64 Millionen Blatt Papier zu verschwenden, die zwei Jahre im Handschuhfach liegen und dann weggeworfen werden.

Wie viel teurer, aufwendiger, länger und komplizierter wird die HU?

Komplexer wird die HU durch neue Prüfmethoden und -technologien ganz sicher werden. Aber das Ziel ist, sie weiter in einem effizienten und für den Bürger bezahlbaren Umfang durchführen zu können. Die HU muss weiterhin in einem verträglichen Preis-Leistungs-Verhältnis leistbar sein. Wegen modernerer und effizienterer Prüfmethoden wird sie nicht sprunghaft teurer werden.

HU Hauptuntersuchung TÜV-Termin
TÜV Süd
Ist geplant, dass die Intervalle für Präsenzuntersuchungen verkürzt werden? Die Rede ist von jährlichen Intervallen.

Grundsätzlich nicht. Was wir aber befürworten und immer wieder ansprechen, ist eine jährliche HU bei mehr als zehn Jahre alten Fahrzeugen. Bei diesen Autos ist die Mängelquote deutlich höher, insbesondere wenn sie nicht regelmäßig gewartet werden.

Bei Verbrennern sollen Verbrauch und CO₂-Ausstoß, bei E-Autos Energieeffizienz und bei Hybriden der rein elektrische Fahranteil erhoben werden. Warum?

Uns geht es darum, anonymisierte Marktdaten zu erfassen und damit auch der Argumentation in der Politik Unterstützung zu leisten. Etwa beim Flottenverbrauch. Es gibt ja immer wieder Berichte über Plug-in-Hybride als Firmenwagen, deren Ladekabel auch nach Jahren noch originalverpackt im Kofferraum liegen. So etwas könnte man dann widerlegen oder belegen.

Hauptuntersuchung: Kosten und Intervalle

Haupt- und Abgasuntersuchung kosten aktuell je nach Prüforganisation bis zu 150 Euro. Alle zwei Jahre müssen Fahrzeughalter ihr Auto entsprechend abnehmen lassen. Entdeckt der Prüfer sicherheitsrelevante Mängel, müssen diese behoben werden. Andernfalls droht der Verlust der Betriebserlaubnis.