Die neue Straßenverkehr-Fernlenk-Verordnung (StVFernLV) regelt die Voraussetzungen für diesen Telefahr-Betrieb. Sie gilt befristet bis zum 30. November 2030 und soll als Erprobungsrahmen für neue Mobilitätskonzepte und technische Lösungen dienen. Die Verordnung wurde im Juli 2025 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und ergänzt bestehende Regelungen zum autonomen Fahren, die das Fernlenken bislang ausschlossen.
Steuerung aus der Distanz – der Mensch bleibt in der Verantwortung
Im Gegensatz zum autonomen Fahren wird das Fahrzeug beim Fernlenken nicht durch ein System, sondern durch eine Person in Echtzeit gesteuert – allerdings aus der Distanz. Der sogenannte Telefahrer sitzt in einem Leitstand mit Bildschirmen, Lenkrad und Pedaleinheit. Über Mobilfunkverbindung und Kameras übernimmt er die vollständige Kontrolle. Juristisch bleibt diese Person Fahrzeugführer im Sinne der Straßenverkehrsordnung – obwohl sie sich nicht im Fahrzeug befindet. Zulässig sind Fahrzeuge der EU-Klassen M (Personenbeförderung) und N (Güterbeförderung), etwa Pkw, Kleinbusse, Lieferwagen und Lkw.
Die Teleoperation unterscheidet sich dabei deutlich vom autonomen Fahren: Das Fahrzeug trifft keine eigenen Entscheidungen, sondern reagiert ausschließlich auf die Eingaben des Fahrers aus der Ferne. Bei einem Verbindungsverlust muss das Fahrzeug automatisch abbremsen und sicher anhalten – dies ist gesetzlich als "risikominimaler Zustand" definiert.
Betrieb nur unter Auflagen
Der Einsatz ist ausschließlich innerhalb behördlich genehmigter Betriebsbereiche erlaubt. Diese Betriebsbereiche können ein Stadtviertel, ein Werksgelände oder ein konkret kartierter Streckenabschnitt im öffentlichen Raum sein. Betreiber müssen für jeden Betriebsbereich eine Genehmigung und für jedes einzelne Fahrzeug eine separate Einzelbetriebserlaubnis beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) einholen. Eine Typgenehmigung für Serienfahrzeuge ist nicht vorgesehen.
Die Höchstgeschwindigkeit ist auf öffentlichen Straßen auf 70 km/h begrenzt, auf Autobahnen sind 80 km/h erlaubt. Diese Tempolimits sollen der Verkehrssicherheit dienen, führen aber auch zu einer eingeschränkten Praxistauglichkeit für längere Strecken oder Mischverkehr mit schneller fahrenden Fahrzeugen.
Die technischen Anforderungen an das Fahrzeug und das Fernlenksystem sind hoch. Dazu zählen:
- Redundante Steuerungskomponenten und Datenverbindungen
- automatische Notfallfunktionen bei Verbindungsabbruch
- zuverlässige Funkverbindung mit geringer Latenz (z. B. über 5G)
- Notstopp-Funktion, wenn keine sichere Steuerung mehr möglich ist
Die tägliche Abfahrtskontrolle ist vorgeschrieben und umfasst neben der Prüfung des Fahrzeugs auch eine Funktionskontrolle der Fernsteuerung, der Übertragungstechnik und der Notfallmechanismen. Diese Prüfung muss dokumentiert und dem Betrieb vorgelagert werden.
Anforderungen an den Fahrer
Der fernlenkende Fahrer unterliegt strengen Regeln. Telefahrer müssen mindestens 21 Jahre alt sein, seit drei Jahren eine gültige Fahrerlaubnis besitzen und gesundheitlich geeignet sein. Außerdem ist eine fahrzeugspezifische Schulung für jedes eingesetzte Fernlenksystem vorgeschrieben – diese Schulung muss dokumentiert und vom Halter organisiert werden. Ändert sich das System (z. B. nach Software-Updates), besteht Nachschulungspflicht. Wichtig: Der Telefahrer muss in einem festen Arbeitsverhältnis mit dem Betreiber stehen. Freie Mitarbeiter oder kurzfristige Einsätze sind ausgeschlossen.
Ein Fernfahrer darf immer nur ein Fahrzeug gleichzeitig steuern. Eine zentrale Leitstelle, die mehrere Fahrzeuge parallel bedient, ist nicht erlaubt. Begründet wird dies mit der vollständigen Aufmerksamkeit, die für jedes einzelne Fahrzeug erforderlich ist – bei einem Zwischenfall wären Reaktionszeit und Steuerungsqualität sonst nicht gewährleistet.
Erste Pilotprojekte bereits im Einsatz
Bereits vor Inkrafttreten der Verordnung laufen in Deutschland mehrere Pilotprojekte mit Ausnahmegenehmigungen:
- Das Start-up Vay testet in Hamburg ein Carsharing-Modell, bei dem Elektrofahrzeuge ohne Fahrer zum Kunden gelenkt werden. Nach der Nutzung fährt das Auto ebenfalls ferngesteuert zum nächsten Standort. Der Betrieb findet derzeit im Bezirk Bergedorf statt – mit Sondererlaubnis der Hamburger Behörde.
- In Bonn erprobt ein gemeinsames Projekt mit der Deutschen Telekom und dem Unternehmen MIRA den Telebetrieb eines elektrischen Shuttles zwischen verschiedenen Standorten. Der Betrieb erfolgt über ein hochleistungsfähiges 5G-Netzwerk.
- Das Unternehmen Fernride setzt in Häfen und Logistikzentren auf teleoperierte Lkw, etwa im Hamburger Hafen oder im Containerterminal von Tallinn. Die Fahrzeuge werden aus einer Zentrale von geschultem Personal gesteuert – ohne Fahrer an Bord.
Unterschiede zum autonomen Fahren
Die StVFernLV grenzt sich klar vom Rechtsrahmen für autonomes Fahren ab. Letzterer sieht den Betrieb fahrerloser Fahrzeuge durch KI-Systeme vor, die eigenständig Entscheidungen treffen, Hindernisse erkennen und im Notfall reagieren können. Solche Fahrzeuge unterliegen der sogenannten AFGBV (Autonome-Fahrzeuge-Genehmigungs- und Betriebsverordnung). Fernlenken hingegen ist keine automatisierte Fahrfunktion nach SAE-Level 4. Stattdessen handelt es sich um klassische menschliche Steuerung – nur nicht mehr vom Fahrersitz, sondern aus der Ferne.
Experten sehen darin eine wichtige Zwischenstufe. Andere kritisieren, dass Telefahrzeuge trotz äußerlicher Ähnlichkeit zu autonomen Fahrzeugen (beide fahren ohne Mensch an Bord) geringere Sicherheitsanforderungen erfüllen müssen – etwa bei Sensorik oder Umfeldwahrnehmung. Die Verordnung sieht jedoch vor, dass ein technisches Sicherheitsniveau erreicht wird, das mindestens vergleichbar mit menschlichem Fahren vor Ort sein muss.
Internationale Vergleiche
Auch andere Länder experimentieren mit Fernlenkung – allerdings unter sehr unterschiedlichen Voraussetzungen:
- In den USA gibt es erste Leitlinien der Verkehrsbehörde NHTSA für sogenannte "Remote Driving Systems". Der Einsatz ist dort bislang auf Testgelände oder durch Einzelgenehmigungen beschränkt.
- In Japan werden in Tokio seit 2022 ferngesteuerte Shuttle-Busse im Rahmen von Forschungsprojekten getestet. Der Betrieb findet jedoch ausschließlich auf abgesicherten Sonderfahrstrecken statt.
- In Schweden arbeitet ein Konsortium aus Ericsson, Volvo und weiteren Partnern an einem Telefahrkonzept für Lieferroboter und Transporter im Werksverkehr – ebenfalls bisher nur außerhalb des Mischverkehrs.
Deutschland zählt mit der StVFernLV zu den ersten Ländern, die den Regelbetrieb im öffentlichen Raum unter strenger Regulierung ermöglichen.
FAQ Fernblenkverordnung
Wann tritt die Verordnung in Kraft?
Am 1. Dezember 2025. Die Laufzeit ist auf fünf Jahre befristet.
Welche Fahrzeuge sind betroffen?
Alle Fahrzeuge der EU-Klassen M und N – etwa Pkw, Transporter, Busse und Lkw. Motorräder und andere Leichtfahrzeuge sind nicht erfasst.
Wer darf fernlenken?
Nur Personen ab 21 Jahren mit mindestens drei Jahren Fahrpraxis, fester Anstellung, nachgewiesener Schulung und gesundheitlicher Eignung.
Wie schnell dürfen Fahrzeuge fahren?
Auf regulären Straßen bis 70 km/h, auf Autobahnen bis maximal 80 km/h.
Dürfen mehrere Fahrzeuge gleichzeitig ferngelenkt werden?
Nein. Jede Person darf immer nur ein Fahrzeug gleichzeitig steuern.
Wie sicher ist das System bei Verbindungsverlust?
Das Fahrzeug muss in diesem Fall automatisch bremsen und sicher zum Stillstand kommen – mit aktivierter Warnblinkanlage.