Lebensmittel, Drogerieartikel oder die neuen Winterreifen fürs Auto – egal was wir im täglichen Leben benötigen, wir sind darauf angewiesen, dass die gewünschten Güter bei uns ankommen. Gerade die Corona-Pandemie hat einmal mehr vor Augen geführt, wie wichtig der Straßengüterverkehr für unsere tägliche Versorgung ist. Umso positiver: Die Zahl der Lkw-Unfälle sinkt immer weiter – und das, obwohl immer mehr Lkw auf unseren Straßen unterwegs sind.
Allein im Jahr 2018 haben deutsche Lastkraftfahrzeuge – also Lkw mit mehr als 3,5 Tonnen Nutzlast sowie Sattelzugfahrzeuge – laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) im Gütertransport 419,1 Millionen Fahrten durchgeführt. Reichlich Strecke, auf der einiges passieren kann. Doch selbstverständlich steht auch in der Transport- und Logistikbranche das Ziel "Vision Zero" – keine Toten im Straßenverkehr – im Fokus, und es wird einiges dafür getan.
Dazu zählt etwa aufseiten des Bundes die Förderung des Abbiegeassistenten für Lkw. Aber auch EU-weit arbeitet man laut BMVI zusätzlich zu den bestehenden Assistenzsystemen an weiteren Sicherheitssystemen. Doch an welchen Stellschrauben lässt sich drehen, um Unfälle im Straßengüterverkehr noch weiter zu reduzieren?

Eine Antwort auf diese Frage lautet simpel: weniger Lkw auf den Straßen, weniger Unfälle. Schaut man sich die Erhebungen des KBA für den Straßengüterverkehr weiter an, klingelt es nach dieser Feststellung direkt. Denn auf die oben genannten 419,1 Millionen Fahrten im Gütertransport im Jahr 2018 kamen 155,4 Millionen Leerfahrten. Das entspricht 6.594,6 Millionen unnötiger Kilometer mit Unfallpotenzial.
Leerfahrten vermeiden
Um Leerfahrten zu verringern, existieren unterschiedliche Lösungsansätze. Was die Fahrten angeht, die quer durchs europäische Ausland führen, gibt es die sogenannte Kabotage-Regelung. Die besagt, dass ein ausländisches Transportunternehmen auf der Rückfahrt ins Heimatland nach dem Entladen der ursprünglichen Sendung auf dem Rückweg Aufträge annehmen darf.
Hat also zum Beispiel ein bulgarisches Transportunternehmen eine Sendung nach Hamburg gebracht und dort komplett entladen, darf es von der Hansestadt aus eine andere Sendung abholen, diese auf dem Weg zurück nach Bulgarien in Berlin abliefern und vermeidet so zumindest teilweise Leerfahrten.
Auch im Hinblick auf die Fahrzeugart lässt sich etwas tun. Bereits seit 2017 sind nach einem Feldversuch von 13 Bundesländern und 60 Unternehmen, den die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) begleitete, Lang-Lkw in Deutschland zugelassen.
Hierzu zählen verschiedene Kombinationen aus Zugmaschinen und Anhängern mit einer maximalen Länge von bis zu 25,25 Metern und einem Gesamtgewicht von 40 Tonnen im normalen Güterverkehr beziehungsweise 44 Tonnen im kombinierten Verkehr. Aus dem Feldversuch ging laut BASt nicht nur hervor, dass beim Einsatz von Lang-Lkw die Effizienz gesteigert und 15 bis 20 Prozent Kraftstoff eingespart werden, sondern auch, dass zwei Lang-Lkw-Fahrten drei Fahrten mit einem herkömmlichen Lkw ersetzen.

Doch nicht für jede Fahrt eignet sich der Einsatz von Lang-Lkw. Diese dürfen nämlich nur auf festgelegten Strecken, dem sogenannten Positivnetz, unterwegs sein. Und nicht für jedes Transportunternehmen lohnen sich Lang-Lkw.
Was aber jeder Dienstleister in der Transportbranche tun kann: besser planen. Dabei helfen smarte digitale Lösungen, die es ermöglichen, die Beladung der einzelnen Lkw so zu optimieren, dass möglichst keine Leerfahrten mehr entstehen.
KI hilft bei der Planung
Unter die zahlreichen Plattformen für die Lieferkette, die es mittlerweile gibt, mischen sich seit wenigen Jahren auch Anbieter von KI-Lösungen wie die beiden Hamburger Unternehmen Cargonexx und Carrypicker. Sie machen sich Künstliche Intelligenz zunutze, um Transporte optimal zu planen.
Doch viele Logistiker sind noch skeptisch, ob das funktioniert. Die Branche sei generell sehr traditionell eingestellt, meint Cargonexx-Gründer Rolf-Dieter Lafrenz gegenüber der Deutschen Welle. Wenn die Kunden erfahren, dass das Unternehmen mit KI arbeite, gebe es Vorbehalte. Dass die unbegründet sind, sieht man daran, dass "Manni", die Cargonexx-KI, funktioniert. Sie analysiert eigenständig Frachtdaten und lernt, Preise vorherzusagen. Die Software bringt so Ladungen und freie Kapazitäten zusammen, erkennt dank maschinellem Lernen, wenn sie falsch liegt, und wird dadurch immer besser.
Ähnlich läuft das bei Carrypicker. Die KI des Hamburger Unternehmens errechnet nach eigenen Angaben innerhalb von Sekunden die besten Touren mithilfe von ausgeklügelten Algorithmen. Diese basieren auf mehr als 300 Millionen historischen Frachtdaten.
Durch die Plattform können die Auslastung gesteigert und Marktpreise passgenauer und konsistenter ermittelt werden – in einem Maße, zu dem der Mensch nicht in der Lage ist. Die planerische Arbeit der Disponenten wird also durch die Algorithmen ersetzt. Dabei kommunizieren die Systeme aller Beteiligten, also Kunden und Empfänger sowie Transportunternehmer und Verlader, autonom miteinander. So hat jeder Zugriff in Echtzeit auf sämtliche Daten.

Auch hier lernt die KI im System durch jeden weiteren Auftrag das Unternehmen besser kennen und macht Optimierungsvorschläge. Gerade bei Teilladungen sei die Disposition besonders problematisch. "Leerfahrten der Lkw bei Teilladungen zu vermeiden war bislang aufgrund der Komplexität nicht möglich. Die optimale Verteilung dieser Ladungen hängt von bis zu 50 verschiedenen Einzelfaktoren ab, die zu Millionen von Kombinationsmöglichkeiten führen", so Carrypicker.
Die KI berücksichtige dabei in Echtzeit zahlreiche sich ständig ändernde Variablen und treffe die jeweils beste Entscheidung für den Kunden. Die Auslastung wird so nach Angaben des Hamburger Start-ups von durchschnittlich 70 Prozent auf mehr als 80 Prozent gesteigert: "Die Bedeutung der Digitalisierung von Prozessen zur Effizienzsteigerung nimmt in allen Wirtschaftsbereichen stetig zu. Mit den herkömmlichen Methoden stößt man bereits an Grenzen. Hier eröffnet Künstliche Intelligenz vollkommen neue Möglichkeiten."
Neben der Vermeidung von Leerfahrten gibt es noch einen anderen Vorteil. Die KI-Lösungen tragen nicht nur zu mehr Verkehrssicherheit bei, sie schonen auch die Umwelt: Hochgerechnet auf die Gesamtzahl an Lkw hätte laut Carrypicker die gesteigerte Auslastung eine Reduktion des gesamten jährlichen CO2-Ausstoßes um circa 0,5 Prozent zur Folge. Das entspricht dem jährlichen CO2-Ausstoß der Stadt Frankfurt.