Wer hin und wieder beliebte Urlaubsrouten in unseren Nachbarländern oder anderen europäischen Staaten nutzt, war sicher schon einmal mit ihr konfrontiert. Sie heißt "Section Control" und ist auch unter den deutschen Begriffen Streckenradar oder Abschnittskontrolle benannt. Es handelt sich dabei um ein Verfahren der Geschwindigkeitsüberwachung, das bereits seit den frühen Neunzigerjahren in den Niederlanden eingeführt wurde, weshalb das Land als Section-Control-Vorreiter gilt. Doch auch in Italien, Großbritannien, Polen und in der Schweiz wird das Verfahren bereits intensiv genutzt. Ebenso in Österreich, wo sie neuerdings im Pfändertunnel (siehe Fotoshow) an der Grenze zu Deutschland eingesetzt wird.
Doch wie funktioniert das überhaupt? Und warum wird es nicht in Deutschland angewendet? Wir beantworten diese und weitere Fragen zum umstrittenen Streckenradar.
Wie genau funktioniert Section Control?
Die Technik nutzt eine simple Gleichung, die wir alle aus dem Physikunterricht kennen: Die Geschwindigkeit ergibt sich aus der Zeit, die nötig ist, um eine bestimmte Strecke zurückzulegen. Folgerichtig arbeiten die Streckenradar-Systeme mit zwei Messpunkten; einer befindet sich am Anfang, der andere am Ende der Wegstrecke. Je nachdem, wie viel Zeit ein Auto für diese Strecke benötigt, ermittelt diese spezielle Tempoüberwachung die durchschnittliche Geschwindigkeit abzüglich einer Messtoleranz zugunsten der Fahrerinnen und Fahrer.
Allerdings muss das System wissen, welches Auto wann welchen Messpunkt ausgelöst hat. Also wird beim Einfahren in die Abschnittskontrolle vollautomatisch ein Foto jedes einzelnen Fahrzeugs angefertigt, das den Bereich passiert, und mit einem Zeitstempel versehen. Das Gleiche geschieht beim Verlassen des Abschnitts. "Liegt diese über dem Tempolimit, wird zur Identifizierung eine Frontaufnahme von Fahrzeug und Fahrer ausgelöst – und der Temposünder zur Kasse gebeten", erklären das Bundesverkehrsministerium und der Deutsche Verkehrssicherheitsrat im Rahmen ihrer Initiative "Runter vom Gas". Dabei wird auch das Kennzeichen des Fahrzeugs erfasst. Inwiefern das problematisch sein kann, klären wir später.
Was ändert sich für Fahrer im Vergleich zur Radarkontrolle oder zum Blitzer?
Section-Control-Systeme sind über deutlich längere Streckenabschnitte angelegt, oft über mehrere Kilometer und im Bereich potenzieller Unfallschwerpunkte wie Tunnel oder Baustellen. Über die ganze Strecke muss eine Durchschnittsgeschwindigkeit erzielt werden, die das Tempolimit nicht überschreitet. Anders als bei Blitzern oder Radarkontrollen, die punktuell die Geschwindigkeit messen, reicht es also nicht, für eine kurze Strecke vorschriftsmäßig zu fahren und danach wieder Gas zu geben. Wer nicht später eine böse Überraschung in Form eines Bußgeldbescheids zugeschickt bekommen möchte, sollte sich also die gesamte überwachte Streckenlänge über an die Vorschriften halten.
Lässt sich Section Control austricksen?
Das bedeutet freilich nicht, dass sich die Section Control nicht manipulieren ließe. Theoretisch ist es möglich, Teile der Strecke zu schnell zurückzulegen und dennoch auf das nötige Durchschnittstempo zu kommen. Ein Beispiel: Wer über die halbe Streckenradar-Distanz 15 km/h zu flott unterwegs ist, auf der anderen Hälfte aber 15 km/h langsamer fährt als erlaubt und nicht komplett stehenbleibt, kommt rechnerisch annähernd auf das vorgeschriebene Tempo. Doch das ist natürlich nicht Sinn der Sache und erfordert von der Person am Steuer mathematische Kompetenzen, die vom eigentlichen Fahrgeschehen ablenken können und deshalb nicht empfehlenswert sind.
Was sind Vorteile aus Autofahrersicht?
Section Control setzt sich im Ausland auch deswegen nachhaltig durch, weil nicht nur das konsequentere Einhalten eines Tempolimits für ein höheres Sicherheitsniveau auf der Straße sorgt. Was automatisch ausbleibt, ist ein plötzliches Abbremsen von Fahrzeugen kurz vor dem Blitzer oder der Radarkontrolle; es hat schon Auffahrunfälle gegeben, weil der oder die Hinterherfahrende damit nicht gerechnet hat. Zudem werden die Abschnittskontrollen in der Regel durch eine entsprechende Beschilderung angekündigt; "Überraschungs-Blitzer" sind damit ausgeschlossen.
Gibt oder gab es Section Control in Deutschland?
Hierzulande gab es exakt einen Straßenabschnitt, auf dem ein Streckenradar angewendet wurde. Ende 2018 startete ein Pilotprojekt auf einem 2,2 Kilometer langen Teilstück der Bundesstraße 6 in Niedersachsen zwischen Gleidingen und Laatzen bei Hannover. Gut zwei Jahre und einige juristische Hürden später ging die Anlage 2021 in den Regelbetrieb. Allerdings nicht lange; inzwischen wurde die niedersächsische Section Control wieder abgeschaltet.
Warum setzt sich Section Control in Deutschland nicht durch?
Die bereits angesprochenen juristischen Hürden hatten weniger mit einer etwaigen Fehleranfälligkeit, unterstellter Gängelung der Verkehrsteilnehmer oder Ähnlichem zu tun. In der Debatte ging es stets um Datenschutzfragen. Zwar versprachen die Behörden einst, dass der Einsatz der Section Control "selbstverständlich" (laut "Runter vom Gas") datenschutzkonform erfolge und strenge Vorgaben eingehalten würden. So wurden beispielsweise die Daten und Aufnahmen aller Fahrzeuge ohne Tempoüberschreitung sofort gelöscht, um eine Identifizierung der Fahrerinnen und Fahrer auszuschließen. Sogar das Bundesverwaltungsgericht gab im September 2020 seinen Segen und bestätigte, dass das Streckenradar regelkonform arbeitet.
Dennoch war es letztlich der Datenschutz, der zur Abschaltung führte. Seit Anfang 2024 gelten neue gesetzliche Bestimmungen für die Verschlüsselung der vom System gesammelten Daten, welche die niedersächsische Section Control in ihrer dort genutzten Variante nicht erfüllen konnte. Da der Betreiber Jenoptik laut NDR auch nicht vorhatte, die Technik nachzubessern, wurde das System außer Betrieb gesetzt. Zudem legte die niedersächsische Polizei die Planungen für eine weitere Anlage auf Eis.
Macht Section Control die Straßen wirklich sicherer?
Die Zahlen sprechen dafür. Bevor die niedersächsische Anlage in Betrieb genommen wurde, gab es auf dem entsprechenden Abschnitt der B6 zahlreiche Unfälle und vier Verkehrstote zwischen 2014 und 2017. Während der Laufzeit wurden laut ADAC dagegen keine Verkehrsunfälle mehr festgestellt. Der Autofahrerclub berichtet zudem, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit auf dem Teilstück von 105 (vor Inbetriebnahme der Section Control) auf 95 km/h nach der Einführung sank. Die Zahl der Autofahrer, die sich an die Höchstgeschwindigkeit hielten, stieg demnach um 40 Prozent. Folgerichtig wurden 2023 auf der Strecke nur 1.319 Autofahrerinnen und Autofahrer mit zu hohem Tempo erwischt – im Schnitt also nur etwa 3,6 pro Tag.
Im Ausland sind die Erfahrungen mit Section Control ebenfalls klar positiv. "Section-Control-Anlagen sind wirksamer als Radaranlagen, die nur punktuell die Geschwindigkeit messen", lässt Österreichs Innenministerium verlauten. Dort wurde 2003 der erste Streckenradar in Betrieb genommen; seither sank die Zahl der Getöteten auf den Kontrollabschnitten um bis zu 50 Prozent. Ähnlich eine Zahl aus den Niederlanden, wo auf einer Autobahn nach Installation des Systems im Jahr 2002 die Zahl der Verkehrsunfälle um 47 Prozent abnahm. Da Großbritannien und die Schweiz immer neue Streckenradar-Anlagen in Betrieb nehmen, dürfte man auch dort eine positive Entwicklung verzeichnen.
Was kostet eine Section-Control-Anlage?
Wie das niedersächsische Innenministerium damals bekanntgab, hat das dortige Streckenradar den Steuerzahler etwa 505.000 Euro gekostet. Das deckt sich in etwa mit den Summen, die aus Österreich bekannt sind. "Eine fixe Anlage kostet etwa eine Million Euro, ein mobiles System zwischen 300.000 und 400.000 Euro", vermeldete das österreichische Innenministerium 2014. Das ist natürlich ein Vielfaches dessen, was konventionelle Blitzer oder Radar-Messstellen kosten. Und in der Zwischenzeit dürften die Anlagen kaum billiger geworden sein.