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Seat-Entwicklungs-Chef Axel Andorff im Interview
„Keine Zwitterlösung fürs E-Auto“

Was ist an Barcelona anders und was zeichnet Seat aus? Wie geht es mit der Marke weiter und was mag VW-Chef Herbert Diess an Seat? Interview mit Seat-Entwicklungs-Chef Axel Andorff am Seat-Standort in Martorell bei Barcelona.

Axel Andorff
Foto: Seat
Nach dem Rücktritt von Luca de Meo: Wer ist gerade Ihr Chef?

Andorff: Luca hat einen super Job gemacht und ist auch als Mensch extrem in Ordnung – er war derjenige, der mich hierhergeholt hat. Wir wünschen ihm alle das Beste. Jetzt ist der bisherige Seat-Finanzvorstand Carsten Isensee mein Chef. Carsten hat einen riesigen Weitblick und viel Erfahrung. In der Entwicklung, in der Produktion und beim Design haben wir alle eine klare Richtung, wo wir hinwollen – und das passt gut in Carstens Gesamtbild.

Unsere Highlights
Als Sie im März 2019 nach 20 Jahren bei Daimler zu Seat kamen, was war da vollkommen anders?

Andorff: Es fängt schon damit an, dass Sie sich in Stuttgart in den Flieger setzen und in Barcelona landen (lacht). Und dann fahren Sie zu Seat und merken, dass das Arbeiten hier das Lebensgefühl in Barcelona widerspiegelt. Das hat nichts mit easy going zu tun: Es ist professionell, aber es ist nicht verkrampft. Und wir sind stark in VW-Gruppenaktivitäten eingebunden, die einen riesigen Fundus mit sich bringen, aus dem man schöpfen kann. Das hat mich auch überrascht: Wie viele Leute aus der VW-Group schon hier waren. Sie treffen fast keinen, der noch nicht hier war: Sei es Porsche-Chef Oliver Blume, VW-Markenvorstand Jürgen Stackmann oder VW-COO Ralf Brandstätter. Außerdem ist es für mich als Entwickler schön, die Verantwortung für die gesamte Entwicklung zu haben. Seat entwickelt sich gerade gut, aber das wird kein Home Run: 2020 wird für alle brutal schwierig.

Warum wird es so schwierig?

Andorff: Die Märkte sind nicht mehr so im Aufwind und CO2 ist ein wichtiges Thema. Das sind für uns riesige Herausforderungen. Da bin ich lieber in einem Team wie hier, wo man mit einer positiven Einstellung an die Sache geht.

Was haben Sie in Ihrem ersten Jahr bei Seat erlebt?

Andorff: Zu dem Team Spirit kommt eine extreme Fokussierung. Wir können nicht „Hans Dampf in allen Gassen“ spielen, sondern müssen ganz genau schauen, wo wir unsere Ressourcen einsetzen. Wir probieren auch Sachen aus, bauen Modelle auf, machen Marktanalysen – aber bei unserem Tun sind wir sehr fokussiert.

Mit Mercedes kommen Sie von einer Marke, die viel Tradition und ein klares Image hat. Seats Tradition ist aus deutscher Sicht bei weitem nicht so gut erkennbar. Welches Image hat Seat für Sie und wie können Sie das noch weiter prägen?

Andorff: Es gab zwei ausländische Automarken, die mir in Deutschland immer aufgefallen sind – eine davon war Seat, und das ist bis heute so. Da war immer irgendwas da, was die Autos für mich attraktiv gemacht hat. Andererseits ist so eine Marke kein Selbstläufer, die müssen Sie immer wieder befeuern, zum Beispiel mit einer neuen Designsprache. Sie müssen Brand Building betreiben, Seat-Marketingvorstand Wayne Griffiths macht da gerade mit Cupra einen höllenguten Job. Zum Hegen und Pflegen der Marke gehören auch die Produktinhalte, ansonsten wird es irgendwann Fake. Das ist unser Job und da kommt dann sowas raus wie der neue Leon.

Zur Rolle von Seat im VW-Konzern am Beispiel des neuen Leon: Der hat wieder mehr Radstand bekommen – weicht jetzt das sportliche Image der Marke wieder auf?

Andorff: Es gibt gute Gründe, ein Auto größer zu machen – die Menschen und die Segmente wachsen. Aber ich muss natürlich genau schauen, was das für Auswirkungen hat. Mir waren Agilität, Querbeschleunigung und Handling extrem wichtig. Das muss definitiv wieder hervorragend sein, ansonsten haben wir unseren Job nicht richtig gemacht. Die Abgrenzung der Marken beschäftigt uns intern sehr und gewisse Überschneidungen lassen sich nicht vermeiden. Wir beschreiben aber unsere Kundenmilieus sauber – jede Marke hat eine gewisse Aufgabe. Die Aufgabe von Seat ist es, die junge Klientel mit einem frischen sportlichen Design anzusprechen, was vielleicht für Kunden anderer Marken zu progressiv wäre.

Im VW-Konzern kommt vieles aus Baukästen – was hat man als Entwicklungs-Chef von Seat da noch in der Hand?

Andorff: Bei VW haben wir eine gut durchorganisierte Maschinerie, mit einer sehr klaren Steuerung und viel Abstimmung. Das ist sehr aufwendig, aber Sie erzielen Skaleneffekte und können sich Sachen leisten, die sich Seat allein nie leisten könnte. Ein weiterer Vorteil ist, dass Sie bei neuen Entwicklungen einen hohen Reifegrad hineinbekommen. Und wenn mal irgendetwas aus dem Ruder zu laufen droht, sind die anderen Marken da. Drei/vier Anrufe bei VW in Wolfsburg, bei Audi in Ingolstadt, bei Skoda in Mladá Boleslav oder bei uns hier in Martorell, und sie haben die richtigen Experten mit extrem viel Entwicklungspower beisammen.

VW liefert viel Technik, die ihren Preis hat. Wie schafft es Seat, günstiger zu sein als VW?

Andorff: Sie müssen immer schauen, wo die Preisunterschiede herkommen. Wir haben da ein paar Vorteile: Das sind zum einen die etwas niedrigeren Entwicklungs-Stundensätze, wir können zudem bestimmte Sachen günstiger einkaufen und einige Sachen machen wir auch anders. Für mich ist aber der Blick nach draußen viel wichtiger: Wir müssen die Wettbewerber fokussieren, die außerhalb der VW-Group sind. Seat hat da gerade hohe Eroberungsraten – extern, nicht von gruppeninternen Marken.

Den neuen Leon bieten Sie auch wieder in einer Variante mit Erdgasantrieb an – lohnt sich das überhaupt?

Andorff: Ich vergleiche das immer mit einem Aktiendepot: Ich setze da auch nicht alles auf eine Karte, sondern streue meine Investitionen, weil ich mich nicht auf eine Sache verlassen möchte. Mit Erdgas ist das ähnlich: Zum einen haben Sie Märkte, in denen das unheimlich attraktiv ist – dazu zählen Italien und unser Heimatmarkt hier in Spanien. Zum anderen möchte man sich nicht auf eine Antriebsart allein verlassen. Es gibt Kunden, die Erdgas wünschen – und das bieten wir denen an, auch wenn wir damit vielleicht etwas weniger verdienen. Ich will nicht sagen, dass wir 2050 noch führend in Sachen Erdgas sein werden, aber mittelfristig gehört der CNG-Antrieb für uns einfach dazu.

Macht der Modulare Elektrifizierungs-Baukasten MEB die Differenzierungsmöglichkeiten von Seat zu den anderen VW-Marken einfacher oder schwieriger?

Andorff: Für mich ist das mit den bisherigen Fahrzeugen vergleichbar: Sie bekommen eine hochreife Plattform, und Sie setzen den Hut darauf, indem Sie unterschiedliche Differenzierungsmöglichkeiten nutzen. Für mich ist es wichtig, dass diese Plattform komplett auf Elektroantrieb ausgelegt und nicht, wie bei manch einem Konkurrenten, eine Zwitterlösung ist. Wir haben ja auf dem Genfer Autosalon 2019 mit der Elektrostudie El Born gezeigt, dass wir auch auf Basis des MEB eine Differenzierung hinbekommen, die der Kunde sehr wohlwollend wahrnimmt. Ähnlich wie beim Leon schaffen wir auch dort eine Individualisierung über beispielsweise Design, Interieur und das HMI (Human-Machine Interface/Mensch-Maschine Schnittstelle, Anm. d. Red.). Das, was der Kunde wahrnimmt, das ist das, was wir individualisieren können.

Wo sehen Sie Seat in fünf Jahren?

Andorff: Wir haben jetzt den neuen Leon, wir bringen das SUV-Coupé Formentor, den elektrisch angetriebenen El Born und den Elektrosportwagen Tavascan. Dann erweitern wir unser Portfolio und bringen auch noch was in der Cupra-Ecke. Wenn ich so in meinen Kalender schaue – mir wird jedenfalls nicht langweilig.

VW-Chef Herbert Diess mahnt ja für den gesamten Konzern mehr Mut und Agilität an. Was heißt das für Seat?

Andorff: Wir werden nicht darum herumkommen, das Thema Car-Software-Organisation umzusetzen. Für mich ist das ein ganz zentrales Thema. Das müssen wir sauber umsetzen, weil das nicht nur in Sachen Kundenangebot den Unterschied macht, sondern auch in Sachen Unabhängigkeit und in Sachen Features, die wir dem Kunden anbieten können. Dann können Sie natürlich auch unterschiedliche Oberflächen aufspielen und dann sind Sie auch flexibler, was unterschiedliche Apps angeht. Das heißt für mich aber nicht, dass wir alles andere über Bord werfen. Wir haben definitiv Vorteile, auch wenn die aktuell rapide schmelzen, beim klassischen Automobilbau – die müssen wir beibehalten. Da optimieren wir ständig weiter. Dann ist die Frage, wie wir aus Wandel ein Geschäft machen können. Wir müssen die Car-Software-Organisation auch nutzen, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Das ist ein riesiger Kraftakt – bei VW müssen wir da 600.000 bis 700.000 Menschen mitnehmen. Beim Global Board Meeting Anfang des Jahres in Berlin ging es nicht darum, ob wir einen Wandel hinbekommen, sondern wie schaffen wir es am besten und wie schaffen wir es schnell.

Was ist Ihr Eindruck: Was mag VW-Chef Herbert Diess besonders an Seat?

Andorff: Herbert Diess ist ja nicht nur VW-Chef, sondern auch noch unser Aufsichtsratsvorsitzender – Seat hat ja einen eigenen Aufsichtsrat. Ich glaube, er mag die Art und Weise, wie wir arbeiten und wie wir mit überschaubaren Mitteln Sachen auf die Beine stellen. Ein Beispiel ist der Elektrosportwagen Tavascan, den wir auf der IAA in Frankfurt gezeigt haben – es ist kein Zufall, dass der aus Martorell kommt. Ich für mich versuche mein Team zu stärken, indem ich es heterogen zusammensetze. Sie müssen natürlich eine klare Ausrichtung haben. Aber wenn unterschiedliche Akteure diese Ausrichtung bedienen, macht das das Team stark. Herbert Diess mag also das Team. Er mag, was das Team leistet, aber Sie können sicher sein: Er hat auch genug Herausforderungen für uns.

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