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Auswirkungen des Russland-Ukraine-Kriegs
„Kosten für Autoproduktion und -nutzung steigen“

Autoexperte Stefan Bratzel hält die Effekte des Krieges zwar für noch nicht genau abschätzbar, rechnet aber mit erheblichen Folgen für die Branche.

VW Russland Fertigung Kaluga Konflikt Ukraine
Foto: VW / Patrick Lang

Russlands Überfall auf die Ukraine ist nicht akzeptabel. Unermessliches menschliches Leid wird die Folge dieses Angriffskrieges in Europa sein. Dazu kommen wirtschaftliche Folgen. Angesichts der schrecklichen Ereignisse in der Ukraine mag es befremden, im Zuge dessen auf die Autobranche zu schauen. Andererseits ist es bei Konflikten mit Russland seit jeher der zweite Reflex, auf die Gas- und Ölversorgung zu achten und der Blick auf die Autobranche zeigt, wie absurd eine bewaffnete Auseinandersetzung in einer hochgradig vernetzten Weltwirtschaft ist.

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Dabei spielt der ukrainische Automarkt global betrachtet keine Rolle und der russische stagniert seit Jahren, ist dabei weit entfernt von einstiger Größe und vor allem Zukunftsperspektive. Um so bemerkenswerter, wie schwerwiegend die potenziellen Konsequenzen sein können.

34 Auto-Werke in Russland

In einer ersten Analyse schreibt Prof. Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management (CAM), dass der russische Automobilmarkt zwar seit dem Jahr 2015 nur mehr zwischen 1,4 und 1,8 Millionen verkauften Fahrzeugen pendelt. Allerdings besitze Russland eine Automobilproduktion mit insgesamt 34 Produktionsanlagen für Pkw, Lkw, Vans, Busse und Motoren. Die produzieren zwar überwiegend für den eigenen inländischen Markt, aber mit hoher Beteiligung ausländischer Autohersteller. Im Vor-Coronajahr 2019 wurden weniger als 50.000 Pkw exportiert und der gesamte Exportwert der russischen Automobilindustrie lag im Jahr 2019 bei lediglich 3,3 Milliarden US-Dollar. Der Importwert dagegen erreichte 20 Milliarden US-Dollar. Und dabei geht es nicht in erster Linie um Gesamtfahrzeuge – das waren 2021 nur mehr gut 32.000 Stück – sondern vor allem Teile aus aller Welt, die in den vorwiegend bloß montierenden Produktionsstätten zu Gesamtfahrzeugen zusammengefügt werden. Und genau die Versorgung mit Teilen könnte mit drastischen Sanktionen und erst recht mit dem drohenden Ausschluss Russlands aus dem internationalen Zahlungssystem Swift stocken oder zum Erliegen kommen. Ein Ersatz der ausbleibenden Teile aus beispielsweise China wird nicht ohne weiteres möglich sein – vieles ist sehr speziell angefertigt und nicht einfach gegen andere Teile austauschbar. Das wäre ein Tiefpunkt für die Produktion in Russland.

Dazu Stefan Bratzel: "Grundsätzlich muss aufgrund des Russland-Ukrainekrieges und der anstehenden Sanktionen mit erheblichen Störungen der Lieferkette der Produktion in Russland gerechnet werden. Besonders betroffen dürfte die Renault-Gruppe mit seinen Autowerken im Land sein. Aber auch Volkswagen und andere Hersteller betreiben Fahrzeugwerke in Russland. Die meisten dieser Werke sind für die Fahrzeugproduktion zu hohen Anteilen von der Teilebelieferung aus dem Ausland angewiesen. Die absehbaren Sanktionen könnte in kurzer Frist zu einem Stopp der Teileversorgung aus Europa und auch aus anderen Ländern führen. Damit droht der Stillstand der Produktionsbänder in Russland. Russland und die Ukraine spielen umgekehrt zwar als Zuliefer-Standort der globalen Automobilindustrie nur eine untergeordnete Rolle. Aber auch hier könnten Störungen der Lieferkette eintreten. Aufgrund der komplexen Wertschöpfungsnetzwerke der Automobilindustrie könnten Zulieferer vorgelagerter Produktionsstufen negativ betroffen sein, was in der Folge zu Engpässen in der Teileversorgung der europäischen Werke führen kann."

Renault-Nissan-Mitsubishi mit dem größten Absatz

Dabei galt Russland lange Zeit als wichtiger Zukunftsmarkt der globalen Automobilindustrie, der im Jahr 2012 mit 2,8 Mio. abgesetzten Fahrzeugen sich sogar dem Niveau des deutschen Marktes annäherte. Schon im Jahr 2020 lag der Weltmarktanteil des russischen Automarktes nur mehr bei 2,3 Prozent. 2021 wurden in Russland nur mehr rund 1,67 Mio. Pkw (2020: 1,60 Mio.) und leichte Nutzfahrzeuge abgesetzt (die beliebtesten Modelle siehe Bildergalerie). Damit kommt Russland nach Südkorea und vor Frankreich und England nur mehr auf Rang 8 der weltweit größten Automobilmärkte.

Marktanteile Russland
Center of Automotive Management (CAM)
Die Marktanteile der Autohersteller in Russland im Jahr 2021.

Für mache Hersteller geht es dabei aber durchaus um nennenswerte Absatzzahlen, die sich 2022 angesichts des Krieges weiter nach unten bewegen werden. Absatzstärkste Herstellergruppen im Jahr 2021 sind Hyundai (inkl. Kia) mit rund 380.000 Fahrzeugen sowie Avtovaz (Lada) mit 351.000 und Renault-Nissan-Mitsubishi Allianz 212.000 Fahrzeugen, wobei Renault seit 2017 auch einen Mehrheitsanteil an Avtovaz besitzt. Unter den deutschen Herstellern hat die Volkswagen-Gruppe mit 204.000 Fahrzeugen einen Marktanteil von zwölf Prozent, während BMW und Mercedes mit einem Marktanteil von rund drei Prozent rund 49.000 bzw. 50.000 Fahrzeuge in Russland verkaufen.

Der russische Automarkt 2020

Hersteller 

Marktanteil in Russland

Anteil des Russland- am Gesamtabsatz*

Audi 

1,0%

0,9%

Autovaz

22,0%

100,0%

BMW

2,8%

1,9%

Ford

0,9%

0,3%

GM

0,1%

0,1%

Hyundai 

22,9%

5,7%

Mazda

1,7%

2,2%

Mercedes

2,5%

1,6%

Mitsubishi

1,8%

3,4%

Nissan

4,6%

1,8%

PSA

0,5%

0,3%

Renault 

8,0%

4,4%

Toyota

7,0%

1,2%

VW

13,8%

2,4%

*

OEM-Marktrelevanz (2020)

Die zu erwartenden wirtschaftlichen Sanktionen treffen insofern neben dem Hyundai Konzern vor allem die Renault-Nissan-Mitsubishi Kooperation sowie auch die Volkswagen Gruppe am stärksten. Da die Marktrelevanz von Russland für Volkswagen jedoch nur bei zwei Prozent liegt (Russlandabsatz/Gesamtabsatz), sind die negativen direkten Absatzeffekte ähnlich wie bei BMW und Mercedes-Benz jedoch als moderat einzuschätzen. Renault-Nissan-Mitsubishi ist dagegen aufgrund der hohen Absatzanteile der Gruppe sowie des russischen Tochterunternehmen Avtovaz wirtschaftlich am stärksten betroffen.

Fazit

Autoexperte Stefan Bratzel resümiert die Situation folgendermaßen: "Russland wird lange Zeit als wichtiger Absatzmarkt und Produktionsstandort für die Automobilindustrie ausfallen. Zwar sind die konkreten Effekte des Krieges und der anstehenden Sanktionen noch nicht genau abzusehen. Allerdings dürfte das Anlagevermögen von Automobilherstellern und Zulieferern in Russland erheblich an Wert verlieren. Die Automobilindustrie wird für viele Jahre keine relevanten Investitionen in Russland tätigen. Allerdings ist auch mit erheblichen indirekten Folgen für die Automobilbranche in Deutschland und Europa zu rechnen. So werden in den nächsten Jahren nicht zuletzt aufgrund der Verteuerung der Energie- und Mineralölpreise die Kosten für die Automobilproduktion und für die Autonutzung steigen."

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Erscheinungsdatum 12.09.2024

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