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Rückruf Porsche Taycan und Audi E-Tron GT
Software legt Motor während der Fahrt still

Erst musste Porsche alle bis Juni produzierten Taycan nachbessern, jetzt trifft es den Audi E-Tron GT. Die Software kann sporadisch die Abschaltung des Antriebs auch während der Fahrt auslösen und wird in der Werkstatt aktualisiert. Zu Schaden gekommen ist niemand.

06/2021, Porsche Taycan Turbo von Vivid Racing
Foto: ams

Laut Porsche fiel der sporadisch auftretende Fehler bei internen Erprobungen auf. Auf dem US-Markt gab es aber wohl bereits im Januar 2021 erste Beanstandungen von Kunden. Am 17. Mai beschrieb die NHTSA (National Highway Traffic Safety Administration) das Problem als "Verlust der Antriebskraft während der Fahrt bei jeder Geschwindigkeit". Die neun betroffenen Taycan-Fahrer mit Autos der Modelljahre 2020 und 2021 gaben an, dass das Elektroauto ohne Warnung oder Fehlermeldung über einen Batteriefehler abgestorben sei. Sechs der Fahrzeuge konnten nach dem Absterben nicht wieder gestartet werden, so der Bericht der Behörde.

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Porsche Taycan Basismodell
Daniel Wollstein, Porsche
Die Motoren (oder Motor) können während der Fahrt ausgehen; danach hilft es den Start-Stopp-Knopf zu drücken.

Kommunikationsfehler zwischen Steuergeräten

Laut der Entwicklungsabteilung von Porsche kommt es in solchen Fällen zu einem Fehler in der abgesicherten Kommunikation zwischen Antriebssteuergerät und dem Pulswechselrichter (bei Allradmodellen zwei), in dessen Folge die Software den Antrieb abschaltet, um Fehlsteuerungen vorzubeugen. Der Pulswechselrichter entsteht bei einem Zulieferer, mit dem Porsche den Spannungsgeber der Motoren (wie auch die Software) gemeinsam entwickelt hat.

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Porsche
Der Pulswechselrichter verwandelt die Gleichspannung in Wechselspannung für die Motoren (oder den einen Heckmotor) im Taycan - und anderen E-Autos.

Der Fehler tritt offenbar nur sehr selten auf und ist kaum reproduzierbar. Daher blieb er so lange unentdeckt. Der Antriebsentwickler des Taycan, Dr. Klaus Rechberger, sagte auf Nachfrage bedauernd, Software-Entwicklung funktioniere nur über Erprobung unter ständig wechselnden Bedingungen. Trotzdem könnte es sein, dass auch nach unzähligen Testkilometern nicht alle möglichen Kombinationen von Betriebszuständen aufgetreten seien. Aktuell sind 42.826 der weltweit verkauften Taycan oder Taycan Cross Turismo (davon 5.432 in Deutschland) von dem Rückruf betroffen.

Servolenkung, Bremskraftverstärker und ESP funktionieren weiter

Die betroffenen Fahrzeuge rollen dann selbst während der Fahrt antriebslos ohne starke Verzögerung aus. Ein Porsche-Sprecher sagte, bei 140 bis 150 km/h auf der Autobahn beispielsweise blieben dann etwa 90 Sekunden bis zum Stillstand. Alle anderen Fahrfunktionen wie etwa Servolenkung oder Bremskraftverstärkung, ABS und ESP blieben voll betriebsfähig, nur die Motoren eben nicht. Im Instrumentenboard erscheint dann ein entsprechender Warnhinweis, der das Aufsuchen einer Werkstatt empfiehlt. Tritt der Fehler auf, lässt er sich laut Rechberger dennoch ähnlich beheben wie bei einem Computer: Einmal runter- und hochfahren, sprich: Start-Knopf betätigen.

Die Besitzer der betroffenen Fahrzeuge können diese weiterhin nutzen. Danach kann der Fehler dennoch erneut auftreten. Deshalb kontaktieren die Porsche-Partner alle Kunden und rufen die Elektrosportwagen ausnahmslos in die Werkstatt, die binnen einer Stunde ein Software-Update aufspielt. Weil dabei auch die Steuergeräte neu kalibriert werden, verzichtet Porsche auf ein technisch auch für diese Steuergeräte möglichen Upload "over the air", also per drahtloser Datenübertragung aus der Ferne. Die kostenlose Maßnahme protokolliert die Werkstatt im Serviceheft. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) ist verständigt, muss aber bei der Halterermittlung nicht unterstützen. Die KBA-Referenznummer lautet 010882, der Hersteller-Code der Rückrufaktion AMB5.

Audi E-Tron GT: 1.728 betroffene Fahrzeuge

Die Technik des Porsche Taycan nutzt auch der Audi E-Tron GT. Vom KBA ist zu lesen, dass aktuell 1.728 Fahrzeuge weltweit und 548 Fahrzeuge deutschlandweit, die zwischen dem 20. November 2020 und dem 20. April 2021 produziert wurden, von dem Software-Fehler betroffen sind. Aufgrund der deutlich späteren Markteinführung hat der Audi E-Tron GT jedoch meist bei der Software (und bei diversen Komponenten) bereits einen aktuelleren Entwicklungsstand. Beispielsweise sei Audis Elektro-Coupé in Nordamerika überhaupt nicht betroffen. Alle Autos haben dort schon ab Werk den Software-Stand, auf den beim Taycan bei diesem Rückruf upgedatet wird. Der Audi-Rückruf ist beim KBA unter der Referenznummer 010966 und beim Hersteller selbst unter dem Code 93L3 zu finden.

Jene E-Tron GT, die in anderen Märkten schon beim Kunden sind, hat Audi entweder bereits vor Auslieferung auf den neuen Stand gebracht oder tut das in diesen Tagen. Dazu gab es eine Servicemaßnahme mit aktiver Kundenansprache. Dies sei schon bei mehr als 50 Prozent aller Autos umgesetzt. Die verbleibenden E-Tron GT mit der Vorgänger-Software wird Audi weiterhin kontinuierlich mit der aktuellen Software-Version updaten, die jeder Audi-Service-Partner bereits seit einigen Wochen zur Verfügung habe. In der Produktion finde die neueste Software, die auch über den Bug-Fix hinaus Verbesserungen bringe, bereits seit Wochen Verwendung.

Software bald Rückruf-Grund Nummer 1?

Mit Software-Problemen und entsprechenden Updates musste auch VW Erfahrungen sammeln: Der ID.3 bot zu Beginn seiner Produktion nicht alle Funktionen, was VW allerdings ankündigte und mit Vergünstigungen "belohnte"; so lief beispielsweise ausgerechnet die Smartphone-Verbindung via Android Auto oder Apple Car Play nicht. Auch VW rief die Autos in die Werkstatt, wo die Software dann erst für "Over-the-Air"-Updates ertüchtigt wurde.

Software-Probleme hatte zuletzt außerdem Tesla. Die Amerikaner mussten die Software in mehr als 285.000 ihrer Autos in China updaten, um Sicherheitsprobleme der umstrittenen Autopilot-Funktion auszumerzen. Allerdings schaffte Tesla das markentypisch ohne Werkstatt, nämlich "over the air".

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Fazit

Elektronik und Software bestimmen immer weitere Funktionsbereiche des Autos. Dementsprechend sind sie auch für immer mehr Fehler verantwortlich. Wer täglich mit Notebooks oder Smartphones umgeht, kennt nicht nur regelmäßige Software-Updates ("over the air"), sondern auch zahlreiche Bugs und Fehlermeldungen. Absicherungen sollten beim Auto ähnliche Fehlerhäufigkeiten eigentlich verhindern. Die Beispiele Taycan und E-Tron GT zeigen aber, dass auch bei sorgfältiger Erprobung Bugs selbst bei Fahrfunktionen, die dann letztlich sicherheitsrelevant sind, nicht auszuschließen sind.

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