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Wiederverkaufstrick mit der Elektroauto-Förderung
E-Auto-Prämie absahnen, dann ins Ausland verkaufen

Beim Kauf eines Elektroautos gibt es einen Bonus von bis zu 9.570 Euro. Wer das Auto rechtzeitig ins Ausland verkauft, kann dabei Geld verdienen, und zwar völlig legal. Die Politik will das Schlupfloch nun schließen – zumindest ein bisschen.

BMW IX3, Ford Mustang Mach-E, Jaguar I-Pace, Mercedes EQC 400, Tesla Model Y, Volvo XC40 Recharge
Foto: Hans-Dieter Seufert

Die Ankündigung von großen Zielen gehört zum Standard-Repertoire der Politik, natürlich auch beim Thema Elektroautos. Die Merkel-Regierung hatte es vorgemacht und 2016 das Ziel ausgegeben, vier Jahre später eine Million E-Autos auf deutschen Straßen zu haben. Bekanntlich dauerte es etwas länger und klappte dann auch Mitte 2021 erst, nachdem der Umweltbonus auf nahezu fünfstelliges Rekordniveau erhöht wurde.

Die neue Ampel-Regierung hat Ende 2021 ein sehr viel ambitionierteres Ziel verkündet. "Unser Ziel sind mindestens 15 Millionen vollelektrische Pkw bis 2030", ist auf Seite 22 des Koalitionsvertrages nachzulesen. Diese Ankündigung hatte das Frankfurter Unternehmen Dataforce, ein auf den Automobilmarkt spezialisiertes Marktforschungsunternehmen, bereits im vergangenen Jahr zum Anlass einer genaueren Analyse genommen. Deren kurz zusammengefasstes Fazit: Das wird nichts.

Das große Gebrauchtwagen-Spezial

Im Idealfall elf Millionen Autos mit Stecker

Auf dem Weg zur vollständigen Elektrifizierung kalkulieren die Marktexperten in einer neuen Bestandsprognose vom 4. Mai 2022 auch Plug-in-Hybride mit zu den elektrifizierten Fahrzeugen und stellen fest: Auch das reicht nicht. Für die sogenannten "Steckerfahrzeuge", also aufladbare BEV und PHEV, rechnen die Analysten für das Jahr 2030 mit einem realistischen Bestand von rund elf Millionen. Zum Vergleich: Stand März 2022 waren insgesamt 48,54 Millionen Pkw in Deutschland zugelassen. Selbst wenn diese Zahl nicht wie in den Vorjahren weiter steigen würde, bedeutet das im Jahr 2030 einen EV-Anteil im Pkw-Bestand von 23 Prozent, also weniger als einem Viertel.

Dataforce Prognose Elektroautos
Dataforce
In ihrem Koalitionsvertrag hat die Ampelregierung das Ziel ausgegeben, bis 2030 einen Bestand von 15 Millionen Elektroautos zu erreichen. In einer ersten Einschätzung im November 2021 hat Dataforce bezweifelt, dass dieses Ziel unter den gegebenen Umständen erreicht werden kann.

Hierzu müsste allerdings alles optimal laufen, die Produktion ebenso wie der Kaufwille der Kunden. Bei Ersterem knirscht es aktuell bekanntlich gewaltig, die Lieferzeiten werden länger und länger. Und die Kürzung der Kaufprämien für E-Autos beziehungsweise deren Abschaffung für Plug-in-Hybride ab 2023 wird die Nachfrage nicht eben ankurbeln.

Steuer-Subventionierung von Exportautos

Ein von Dataforce angemahnter weiterer Aspekt, um das selbstgesteckte Ziel zu erreichen, klingt zunächst unscheinbar: Die neu zugelassenen Stromer müssen dafür auch in Deutschland bleiben. Doch bei ihrer Marktanalyse haben die Frankfurter eine Feststellung gemacht, die das Zeug dazu hat, die gesamte Förderpraxis in Frage zu stellen: Demnach sind 40,4 Prozent aller seit 2018 neu zugelassenen BEV/PHEV drei Jahre später nicht mehr in Deutschland angemeldet.

Nachdem davon ausgegangen werden darf, dass diese maximal dreijährigen Fahrzeuge nicht kollektiv dem Unfalltod oder der Verschrottung zum Opfer fielen, ist klar, dass hier ein gutes Geschäft zu Lasten des deutschen Steuerzahlers läuft: Die subventionierten Fahrzeuge werden nach kurzer Haltedauer als Gebrauchtwagen ins Ausland verbracht. Ein Umstand, der bereits seit Längerem bekannt ist, aber nicht in dieser Dimension.

Völlig legales Schlupfloch

Bereits seit geraumer Zeit nutzen findige Händler und deren Kunden ein – völlig legales – Schlupfloch. Ein neues E-Auto wird angemeldet, die Förderprämie kassiert und das Fahrzeug nach sechs Monaten Haltedauer als Gebrauchtwagen ins EU-Ausland weiterverkauft, zum Neupreis abzüglich der Fördersumme. Für alle beteiligten Parteien ist das ein gutes Geschäft: Der Verkäufer fährt praktisch kostenlos für ein halbes Jahr einen Neuwagen. Der Käufer (größtenteils gehen die Autos in die skandinavischen Länder, bevorzugt Dänemark, aber auch in die Schweiz) bekommt ein neuwertiges Auto dank der Deklarierung als Gebrauchtwagen zu einem viel geringeren Preis, als ein Neuwagen dort kosten würde. Und die Händler verdienen sowieso an dem Hin und Her.

Dataforce Prognose Elektroautos
Dataforce
Von knapp 69.000 Neuzulassungen aus 2018 waren Ende 2021 nur noch 40.000 im Bestand. Die Ausfallrate ist mit 40,4 Prozent extrem hoch.

Bislang ging man von rund jedem achten Fahrzeug aus, das auf diese Weise unterstützt durch deutsche Stromer-Subventionen den Rest seines Lebens im Ausland verbringt. Doch die Dataforce-Analyse lässt aufhorchen. Würde sich dieser Trend in den kommenden Jahren fortsetzen, dass rund 40 Prozent der BEV und PHEV binnen drei Jahren das Land verlassen, geht es um Milliardensummen. Alleine im Jahr 2021 zahlte das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) für 585.000 Anträge mehr als drei Milliarden Euro für die "Innovationsprämie" an die EV-Käufer aus.

130.000 E-Autos von deutschen Straßen "verschwunden"

Dass es sich hier nicht um eine Lappalie handelt, zeigt nicht nur die Dataforce-Statistik. Das Institut Schmidt Automotive Research mit Sitz in Berlin hat Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) analysiert und einem Bericht des "Spiegel" zufolge folgendes festgestellt: Zwischen Januar 2012 und Juli 2022 wurden in Deutschland insgesamt 890.000 BEV neu zugelassen. Allerdings waren hierzulande zum Stichtag 1. Juli 2022 laut KBA überhaupt nur 756.517 vollelektrisch Fahrzeuge unterwegs. Mehr als 130.000 BEV – das sind etwa 15 Prozent – sind also von den deutschen Straßen "verschwunden". Bei Fahrzeugen, die nach Einführung der E-Auto-Förderung neu zugelassen wurden, dürfte der Anteil deutlich höher sein – siehe Dataforce-Zahlen.

Natürlich wurden in diesem Zeitraum auch E-Autos "außer Betrieb gesetzt" oder sind "verunfallt", wie das KBA anmerkt. Beim überwiegenden Teil der betroffenen Fahrzeuge dürfte jedoch jener beschriebene Trick angewendet worden sind, mit dem die E-Auto-Förderung missbraucht wird. Diese "legalen Tricks" kosteten die Steuerzahler dreistellige Millionenbeträge, rechnet das Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach vor. Dessen Direktor Stefan Bratzel geht sogar davon aus, dass viele Verkäufer nicht einmal die vorgeschriebene Sechs-Monats-Frist abwarten, bevor sie ihr Auto ins Ausland verkaufen.

Vor allem ein Tesla-Problem

Besonders oft wird der Weiterverkaufs-Trick laut Auswertung von Schmidt Automotive Research bei Tesla-Fahrzeugen angewendet. Bis zum 1. Juli 2022 wurden insgesamt 98.000 Teslas auf deutschen Straßen neu zugelassen; zum selben Stichtag lag der Bestand jedoch nur bei 76.690 Exemplaren. "Das bedeutet, dass fast jeder vierte Tesla, der in Deutschland erstmals zugelassen wurde, den Markt wieder verlassen hat", sagt Instituts-Chef Matthias Schmidt. Aber auch Modelle anderer Marken seien von der Trickserei betroffen; explizit nennt er jene des Herstellers Porsche.

Werbung Tesla gratis fahren Wiederverkauf
Autozentrum Schmitz
Lukratives Geschäft: Vor allem Tesla-Modelle sind gefragt. Dieser Händler warb offen mit dem Geschäftsmodell, durch den deutschen Staat subventionierte E-Fahrzeuge nach kurzer Haltedauer ins Ausland zu verkaufen. Inzwischen ist er in seiner Kommunikation deutlich zurückhaltender.

Eine Möglichkeit, diese Geschäftemacherei zu Lasten der Steuerkasse einzubremsen, wäre die Verlängerung der Haltedauer. Bereits im Februar hieß es, diese solle von sechs auf zwölf Monate angehoben werden. Es sei "nicht Sinn der Förderung und der Regeln zur Mindesthaltedauer, dass geförderte Autos nach Ablauf der Mindesthaltedauer regelmäßig ins europäische Ausland weiterverkauft werden und dies zu einem Geschäftsmodell für Händler und Käufer wird", hieß es damals aus dem von Robert Habeck (Grüne) geleiteten Bundeswirtschaftsministerium.

Haltedauer wird auf zwölf Monate verdoppelt

Inzwischen wurde die Neuregelung abgesegnet. Falls die EU-Kommission dieser zustimmt und sie im Herbst in Kraft treten kann, muss die Förderung von der Käuferin oder vom Käufer zurückgezahlt werden, falls das E-Auto vorher verkauft wird. Doch angesichts der aktuell sehr hohen Gebrauchtwagenpreise fordern Experten eine deutlich längere Haltedauer. Mindestens 24 Monate sollten es schon sein, damit der Wertverlust groß genug ist, sodass sich die Masche nicht mehr lohnt. Matthias Schmidt fordert gar eine Fünf-Jahres-Frist. Immerhin: Ab 2023 wird die Geschichte etwas weniger lohnend, wenn die deutschen Förderprämien wie geplant eingedampft werden.

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Auf jeden Fall - das stärkt den Absatz nachhaltig.Auf keinen Fall - wer einen Stromer will, soll ihn auch selbst bezahlen.

Fazit

Die Elektrifizierung des Straßenverkehrs ist eines der Hauptziele der deutschen Politik. Auf dem Weg dorthin gibt es allerdings Stolpersteine. Selbst wenn die ambitionierten Ziele von 15 Millionen E-Autos bis 2030 erreicht würden (woran die Experten von Dataforce zweifeln), würde die Mehrheit der Pkw im deutschen Bestand immer noch aus Verbrennermodellen bestehen. Bei ihrer Analyse haben die Marktexperten allerdings einen anderen Aspekt entdeckt, der überrascht.

Demnach sind über 40 Prozent der subventionierten Elektroautos und Plug-in-Hybride nach drei Jahren nicht mehr in Deutschland. Geplant waren Umweltbonus und Innovationsprämie ursprünglich auch, um langfristig ein Angebot günstigerer E-Gebrauchtwagen auf dem deutschen Markt aufzubauen. Denn viele Autofahrer sind auf den Gebrauchtmarkt angewiesen, weil Neufahrzeuge für sie unerschwinglich sind. Sollte sich der von Dataforce festgestellte Trend fortsetzen, demnach fast die Hälfte der als Neuwagen subventionierten Stromer nach kurzer Zeit das Land verlassen, darf an der Sinnhaftigkeit der deutschen Förderpraxis gezweifelt werden.

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