Pfusch an der Rahmedetalbrücke der A45?: Verschwundenes Dokument wirft Fragen auf

Pfusch an der Rahmedetalbrücke der A45?
Verschwundenes Dokument wirft Fragen auf

Veröffentlicht am 20.06.2025

Demnach war der kritische Zustand des Bauwerks bereits Jahre zuvor bekannt. Fachliche Standards wurden offenbar ignoriert, Warnungen übergangen und ein brisantes Protokoll letztlich zurückgezogen.

Frühwarnungen ignoriert

Nach offizieller Darstellung war der schlechte Zustand der Brücke im nordrhein-westfälischen Lüdenscheid erst im Zuge von Untersuchungen im Winter 2021 erkannt worden. Die Sperrung erfolgte am 2. Dezember desselben Jahres. Interne Papiere zeigen nun: Schon zwischen 2010 und 2014 hatten statische Berechnungen auf "enorme Defizite" hingewiesen. Eine Restnutzungsdauer konnte laut Dokumenten "aufgrund der Ergebnisse nicht ausgewiesen werden". Auch vorgeschriebene Messungen und Maßnahmen zur Verkehrsführung wurden demnach nicht umgesetzt.

Ein entscheidender Punkt ist eine Fachbesprechung vom 30. September 2021 – rund zwei Monate vor der Sperrung. Zwölf Fachleute, teils langjährige Kenner der Brücke, trugen im Baubüro der benachbarten Lennetalbrücke ihre Erkenntnisse zum Zustand des Bauwerks zusammen.

Die interne Lagebeurteilung sei dabei eindeutig gewesen: Die Verkehrsführung entsprach nicht den notwendigen Kompensationsmaßnahmen. Statt Entlastung wurde womöglich zusätzlicher Schaden verursacht, wie im Protokollentwurf vermerkt wurde: "Die Lkw-Spur steht nicht wie vorgeschrieben an der richtigen Stelle über dem Hauptträger, sondern mittig auf der Fahrbahn." Die Gruppe forderte laut Entwurf eine "schnellstmögliche" Anpassung. Der gravierende Fehler war offenbar über Jahre nicht korrigiert worden.

Fragwürdige Rechenmodelle

Auch bei den statischen Nachweisen kam es zu problematischen Entscheidungen. So sei ein Rechenmodell verwendet worden, "welches den Verkehr nicht realistisch abbildet". Die Lastannahmen für mehrere 44-Tonnen-Lkw könnten daher unzutreffend gewesen sein. Die Wahl des Modells wurde im Entwurf mit dem Ziel begründet, überhaupt noch rechnerisch tragbare Ergebnisse zu erhalten – und damit weiter einen Betrieb zu rechtfertigen.

"Eine vorgeschriebene, vollständige Berechnung liegt weder vor, noch war die Erzeugung einer solchen Nachrechnung bei der technischen Bearbeitung beabsichtigt beziehungsweise beauftragt worden", heißt es laut WDR im Entwurf. Auch Betonprüfungen und Temperaturanalysen sollen vom Regelwerk abgewichen sein.

Die wichtigsten Punkte im Überblick:

  • Frühwarnungen ab 2010: Statische Defizite waren lange bekannt, wurden aber nicht angemessen dokumentiert.
  • Fehlerhafte Verkehrsführung: Die Lkw-Spur war falsch positioniert, was zusätzliche Belastung erzeugt haben könnte.
  • Unrealistische Rechenmodelle: Zur Stabilitätsbewertung wurde ein vereinfachtes Modell eingesetzt.
  • Zurückgezogenes Protokoll: Der Entwurf eines achtseitigen Sitzungsprotokolls wurde nach interner Kritik zurückgenommen.
  • Verkürzte Dokumentation: Stattdessen existiert nur noch eine Notiz mit drei Spiegelstrichen ohne belastende Details.
  • Keine Auskunft durch Autobahn GmbH: Der Sprecher verweigerte auf WDR-Anfrage eine Stellungnahme zum Protokollinhalt.

Politische Brisanz

Die Enthüllungen sind auch für den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss von Bedeutung, der klären soll, wie es zu dem Brückendesaster kommen konnte. Brisant: Mehrere Teilnehmende der Besprechung haben bereits im Landtag ausgesagt – ohne das Treffen zu erwähnen. Auch aus den offiziellen Unterlagen war dieses offenbar bewusst gestrichen worden.

Die Autobahn GmbH bestätigte zwar das Treffen, wollte sich zu den Inhalten und dem zurückgezogenen Protokoll jedoch nicht äußern. Man habe "kontrovers diskutiert", so ein Sprecher auf WDR-Anfrage. Eine kritische Aufarbeitung steht aus.