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Echtzeit-Navigationssysteme im Test
Smartphones gewinnen, Mercedes und Volvo patzen

Durch vernetzte Autos sollen Staus der Vergangenheit angehören. Wir haben aktuelle Echtzeit-Verkehrsdienste getestet, um zu klären, wer am schnellsten ans Ziel kommt – App oder Navi?

Navi Echtzeit Staudienst Verkehr Test ams 08 / 2017
Foto: ams

Der Weg ist das Ziel? Klar, wenn es beim Road Trip über die verschlungenen Pfade zwischen Norwegens Fjorde geht oder sich die endlose Weite amerikanischer Highways vor einem ausbreitet. Beim täglichen Weg zur Arbeit sieht die Sache dagegen völlig anders aus. Hier baut sich bei kaum jemandem das innige Verlangen auf, sich die Zeit zu nehmen, um jeden Quadratzentimeter der Pendelstrecke einzeln zu begutachten – auch wenn der Feierabendverkehr dafür häufig ausreichend Gelegenheit bieten würde. Wie gut, dass es in unserer vernetzten Welt heute allerhand Wege gibt, sich dem Stau zu entziehen. Nur welcher der Services funktioniert tatsächlich am besten?

TomTom, Inrix und Here dominieren

Der Markt der sogenannten Verkehrslagedienste, die die Automobilhersteller und ihre Navigationssysteme via Internet mit Echtzeit-Verkehrsdaten versorgen, wird von drei großen Namen bestimmt: TomTom, Inrix und Here, wobei Letzterer 2015 von Audi, Mercedes und BMW übernommen wurde und damit vor allem in Zukunft eine Sonderrolle einnehmen wird. Darüber hinaus gibt es noch das Urgestein: den altbekannten TMC-Standard, bei dem die Daten seit den 90ern nur in eine Richtung über das Radio versendet werden. Auch moderne Navigationssysteme greifen oft darauf zurück, wenn sie ohne Internetverbindung auskommen müssen. Hinzu kommen noch diverse Smartphone-Apps, allen voran die der beiden Silicon-Valley- Giganten Apple und Google.

Um zu klären, welcher Dienst der beste ist, haben sich die sechs Tester zur ersten Fahrt des Tages morgens um sieben Uhr in Tübingen versammelt, um die tägliche Fahrt ins auto motor und sport-Hauptquartier im Herzen Stuttgarts zu simulieren. Wobei schon auf den ersten Metern klar ist, dass die Unterschiede gewaltig ausfallen können. Bereits an der ersten Kreuzung trennt sich der Konvoi. Fiat (TMC), Mercedes (TomTom) und Volvo (Inrix) sowie die Google-Maps-App, die wir für den Test im Skoda navigieren lassen, fahren nach links, während der BMW (Here) und der Ford, der im Test mit der iPhone-App Karten unterwegs ist, rechts abbiegen, um über die Landstraße den Stau auf der B 27 zu umfahren.

Volvo und Mercedes patzen

Navi Echtzeit Staudienst Verkehr Test ams 08 / 2017
ams
Die Smartphones führen häufig schneller ans Ziel, als die festeingebaute Konkurrenz.

Für den BMW geht es fortan über Hölzchen und Stöckchen. Mit der Folge, dass er auf dieser Etappe knapp 20 Minuten nach dem ersten Auto ins Ziel kommt. Doch solche Patzer leistete sich das 2.200 Euro teure ConnectedDrive-Navi, das seine Daten von der ehemaligen Nokia-Tochter Here bezieht, selten. In den meisten Fällen fuhr der Bayer im vorderen Mittelfeld. Über die 15 Etappen erfuhr er sich so einen Vorsprung von 14 Minuten zum Durchschnitt und kam sogar einmal als Erster ans Ziel. Das gelang auch der schwedischen Konkurrenz, die seit 2015 auf die Daten von Inrix vertraut. In Sachen Präzision bei der Ankunftszeitvorhersage ließ der Volvo in unserem Test allerdings zu wünschen übrig. Denn während alle anderen über die insgesamt mehr als 4.000 Kilometer ab und an auch Zeit gutmachten, musste das Sensus-Navi (1.170 Euro) die erwartete Ankunft ausschließlich nach hinten korrigieren und kam auf insgesamt 4.30 Stunden Verspätung. Zudem verbrachte der V90 Cross Country mit insgesamt 12.53 Stunden die meiste Zeit auf der Strecke. Mit 12.50 Stunden nur etwas kürzer, aber dafür deutlich präziser mit zusammen nur 3.11 Stunden Verspätung zu den erwarteten Ankunftszeiten erreichte der Mercedes seine Ziele. Eine Glanzleistung liefert die E-Klasse damit aber auch nicht ab.

Im Vergleich zum Durchschnitt lag der Mercedes fünf Minuten zurück und damit sogar hinter dem Fiat 500X aus unserem Dauertest-Fuhrpark. Ohne Smartphone-Anbindung greift der Fiat auf den veralteten TMC-Standard zurück und kann daher nur mit den vergleichsweise groben Informationen arbeiten, die die Radiosender ausstrahlen. Zu unserer Überraschung kam der kleine Italiener trotz dieses vermeintlichen Handicaps aber stolze fünf Mal als Erstes ins Etappenziel – allerdings auch viermal mit Abstand als Letzter, weil er einige Staus schlicht nicht erkannte und stur hineinfuhr. Das war besonders dann eine echte Härteprüfung für die Tester, wenn der Radiosprecher im selben Moment eine Alternativroute über den Äther schickte, das TMC-Navi seine Außenwelt und die Verkehrssituation aber gekonnt ignorierte und munter weiter auf das bevorstehende Stauende auf den Hauptverkehrsrouten zusteuerte.

Smartphones am schnellsten

Hauptverkehrsrouten wählte die Apple-Navigation am seltensten – mit Erfolg. Insgesamt lotste die Karten-App die Fahrer in weniger als zwölf Stunden über die Staurouten und kam dabei auch auf die kürzeste Gesamtstrecke. Die Gefahr dabei: Ist eine der kleinen Seitenstraßen doch mal verstopft und das System reagiert zu spät, geht gar nichts mehr – wie wir ebenfalls beim Test feststellen mussten.

Dagegen verhielt sich die Routenführung von Google Maps schon deutlich risikoscheuer und lotste die Fahrer seltener von den großen Straßen, allerdings auch ganze sieben Mal als Erstes ans Ziel, was klar den Testsieg bedeutet. Zumal die kostenfreie App (nur Datenvolumen ist kostenpflichtig) mit insgesamt 19 Minuten auch den größten Vorsprung zum Etappendurchschnitt herausfuhr. Die IT-Giganten schlagen die Pkw-Elite. Ob so bereits eine neue Ära eingeläutet wird? Die genauen Ergebnisse aus unserem Test sehen Sie in unserer Bildergalerie.

So haben wir getestet

Eins vorweg: Trotz über 75 Stunden Fahrzeit und mehr als 4.000 Kilometern Strecke bleibt unser Test eine Stichprobe. Zu unterschiedlich sind die Voraussetzungen und Verkehrslagen. Um dennoch ein möglichst vergleichbares Ergebnis zu erhalten, hat sich auto motor und sport mit sechs Fahrzeugen an vier Tagen auf Stausuche begeben. Dafür fuhr das Team zur selben Zeit vom selben Startpunkt an das selbe Ziel und folgte dabei strikt den Angaben der Navigationsgeräte, die allesamt mit Staudiensten ausgerüstet waren. Während bei BMW, Mercedes, Fiat und Volvo auf die fest integrierten Systeme zurückgegriffen wurde, kamen im Skoda und Ford die Smartphone-Navigationen von Google und Apple zum Einsatz. Ausgerüstet mit Kamera- und GPS-Überwachung machten sich die Fahrer auf den Weg und wechselten regelmäßig die Fahrzeuge, um die Chancengleichheit zu gewährleisten. Aus diesem Grund galt auf der Autobahn auch ein striktes Tempolimit von 130 km/h. Zusätzlich wurden die Fahreindrücke der Tester in einem Fahrtenbuch festgehalten.

Navi Echtzeit Staudienst Verkehr Test ams 08 / 2017
ams
Sechs Autos mit sechs unterschiedlichen Systemen haben wir ins buchstäbliche Rennen geschickt.

Die getestete Technik

Fest eingebaute Navis bieten meist die komfortabelste Lösung, selten die günstigste. Während man mit Apps und portablen Geräten die Staudienste frei wählen kann, lässt man beim fest integrierten Navi den Hersteller entscheiden. Wobei der seine Meinung auch mal ändert: Bis vor Kurzem bauten BMW und der VW-Konzern (heute TomTom) noch auf Inrix-Daten und haben ohne Absprache mit ihren Kunden den Anbieter gewechselt. Seit der Übernahme von Here hat sich die Dynamik der Branche noch einmal gesteigert, und viele Hersteller wollen künftig mit Here kooperieren. Die flexible Nachrüstmöglichkeit muss dagegen oft teuer erkauft werden.

Navi Echtzeit Stauassistent Test
Dino Eisele
Die beiden Navigationsdienste Google Maps und Apple Karten wandern nicht einfach als gespiegelte Variante des Displays ins Armaturenbrett, sondern bieten eine vereinfachte Oberfläche.

Wer genug von wackligen Handyhalterungen und zu kleinen Smartphone-Displays im Auto hat, kann seit einigen Jahren via Apples Carplay und Googles Android Auto App Inhalte direkt ins Infotainment-Display spielen. Insbesondere die beiden Navigationsdienste Google Maps und Apple Karten wandern dabei nicht einfach als gespiegelte Variante des Displays ins Armaturenbrett, sondern bieten eine vereinfachte Oberfläche, die auch eine Bedienung während der Fahrt zum Kinderspiel macht – inklusive Sprachsteuerung via Siri oder Google, die sich in unserem Test bei bei den Varianten als erste Wahl bei der Zieleingabe herausstellte. Ebenfalls positiv: Man hat immer die aktuellste Navigation an Bord. Zudem bieten immer mehr Hersteller die Handyschnittstelle an. Das Problem ist allerdings, dass Carplay und Android Auto meist nur für die modernsten Infotainment-Generationen verfügbar sind, die das erforderliche Sieben-Zoll-Display parat halten. Das gibt es bei den meisten Herstellern aber in der Regel nur mit dem großen und vor allem auch teuren Infotainment-Paket, das bereits die Hersteller-Navigation beinhaltet und damit das Smartphone wieder obsolet macht.

Fazit

Smartphone schlägt Auto – ein Ergebnis, das man sonst nur bei Beliebtheitsumfragen unter Jugendlichen sieht. Im Fall der Staunavigation spielen die IT-Giganten Apple und Google aber gekonnt ihre Stärken aus, nutzen ihre immens großen Datenbanken und führen so am schnellsten ans Ziel. Ganz abgehängt haben sie die Autohersteller allerdings nicht. Immerhin der BMW blieb im Windschatten und konnte mit einem guten Ergebnis die Fahne der Hersteller hochhalten. Ob das allerdings mehr als 2.000 Euro für ein üppig ausgestattetes Infotainment-System wert ist, bleibt fraglich. Zumal der längst tot geglaubte TMC-Dienst sogar besser abschnitt als die Echtzeit- Navigation mit Internetanbindung von Mercedes und Volvo.

Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 15 / 2024

Erscheinungsdatum 03.07.2024

148 Seiten