Die Corona-Pandemie legt ganze Geschäftszweige lahm – auch auf vier Rädern. Taxifahrer, Dienstleistungsunternehmen wie Uber oder die Mitfahrzentrale Blablacar hatten in den letzten Monaten mit massiven Umsatzeinbußen zu kämpfen. Wer will schließlich bei hohen Inzidenzzahlen in einer abgeschlossenen Fahrgastzelle eng nebeneinandersitzen? Auch im privaten Bereich stellt das Virus Familien vor schwierige Entscheidungen: Die Mitfahrgelegenheit auf dem Weg zur Arbeit nutzen wie bisher – oder lieber aufs eigene Auto umsteigen? Das Kind privat zur Schule fahren oder weiterhin das Sammeltaxi bestellen?
Ständig wechselnde Verordnungen und Studien verunsichern viele Betroffene nur noch mehr. Klar ist jedoch: Eine reduzierte Virenlast im Auto führt zu einem geringeren Infektionsrisiko. Das weiß inzwischen auch die Automobilindustrie und entwickelt neue Filtersysteme, die nicht nur Allergene wie Pollen, Staub oder Milben eliminieren sollen, sondern auch Keime wie Viren oder Bakterien. Die schnelle Lösung könnten mobile Luftreiniger sein: Einfach in die Getränkebecher-Halterung der Mittelkonsole gesteckt oder an der Kopfstütze montiert, sollen die Geräte dabei helfen, die Virenlast im Pkw zu reduzieren. auto motor und sport hat gemeinsam mit der Universität Stuttgart in einem viertägigen Test drei Produkte genauer untersucht.
Unsere Testprodukte
Testprodukt Nummer eins stammt von der Firma Rolfhartge. Der Aelus Car ist mit 449 Euro das teuerste Produkt im Test und wird mit einem Klettband an der Kopfstütze des Sitzes montiert. Handelt es sich um eine integrierte oder aktive Kopfstütze, empfiehlt der Hersteller eine Befestigung auf dem Beifahrersitz. Das hochwertig verarbeitete Produkt soll alle zehn Minuten die komplette Innenraumluft reinigen, wobei drei Leistungsstufen zur Verfügung stehen. Ein im Gerät integrierter HEPA-H13-Filter soll zunächst Aerosole, Viren, Bakterien, Pilzsporen, Feinstaub und Partikel zurückhalten. In einer anschließend stattfindenden Fotokatalyse werden Viren durch keimtötende UV-C-LEDs inaktiviert. UV-A-LEDs geben laut Beschreibung Gerüchen und flüchtigen organischen Gasen den Rest.
Auch der Osram AirZing UV-Compact neutralisiert Viren, Bakterien und Mikroorganismen mithilfe von UV-C-Licht. Die UV-Strahlung, die von der Lampe ausgeht, beschädigt die DNA von Mikroorganismen und macht Viren und Bakterien unschädlich. Die Besonderheit: Dank Lithium-Ionen-Akku ist eine kabellose Inbetriebnahme im Auto möglich. Nutzer können zwischen zwei Leistungsstufen wählen. Platz findet der rund 130 Euro teure UV-Compact im Getränkebecherhalter der Mittelkonsole.
Das gilt auch für das dritte Produkt, den Air 8 der Marke R3. Mit einem Anschaffungspreis von knapp 90 Euro ist er nicht nur das günstigste, sondern mit Abmessungen von 16 x 7 x 7 Zentimetern auch das kompakteste Modell, besitzt im Vergleich zu seinen Mitstreitern dagegen nur eine Leistungsstufe. Auf den Einsatz von UV-C-Licht verzichtet der Air 8. Stattdessen setzt R3 einen HEPA-13-Filter mit Kupfer-Silber-Ionen ein. Dieser filtert nach Herstellerangaben nicht nur Viren und Bakterien, sondern tötet diese auch ab. Netter Nebeneffekt: Der Ionisator soll nicht nur die Luftqualität verbessern, sondern zusätzlich Konzentration und Wohlbefinden steigern. Auch Automobilhersteller wie Toyota oder Porsche bieten in ihrer Konfigurationsliste einen Ionisator an. Bei den Schwaben kostet allein dieses Feature rund 286 Euro. Neben HEPA-Filtersystemen und UV-C-Licht gibt es auf dem Markt Generatoren, die mit Ozon arbeiten. Da eine solche Reinigung ein gesundheitliches Risiko darstellt und nicht während einer Fahrt angewendet werden kann, fanden derartige Produkte im Test keine Berücksichtigung.
So wurde getestet
Für auto motor und sport testete das Team um Daniel Dobslaw, Arbeitsbereichsleiter der Abteilung "Biologische Abluftreinigung" an der Universität Stuttgart, im Hinblick auf die SARS-CoV-2-Pandemie die Reinigungseffizienz von Luftreinigern im Pkw. Den Test führte er im Dauertestwagen Mercedes EQC durch. Eingesetzt wurde dabei der Bakteriophage phi6, ein unbedenklicher, aber in den Eigenschaften (Größe, UV-Dosis) ähnlich viraler Referenzstamm. Die Testgeräte wurden gemäß Herstellerangaben in der Getränkehalterung der vorderen Mittelkonsole oder an der Kopfstütze des Beifahrersitzes installiert und jeweils mit maximalem Volumenstrom betrieben. Bei allen aufgezeichneten Versuchen wurde ein virales Test-Aerosol generiert, mit dem der Fahrzeuginnenraum für 5 Minuten vorkontaminiert wurde.
Die Beprobung der Keimkonzentration erfolgte mittels zweier sechsstufiger Andersen-Kaskadenimpaktoren, die Dobslaw an den Messstellen auf dem Beifahrer- und Rücksitz aufstellte. Jede Stufe enthielt eine Petrischale mit einem zweischichtigen Nähr-Agar. Die Beprobung im Kaskadenimpaktor erfolgte über ein an die Keimkonzentration angepasstes Messintervall mit einem Volumenstrom von 1 Kubikfuß/min, was 28,3 l/min entspricht. Im Anschluss verschloss Dobslaw die Platten des Impaktors. Die Inkubationszeit betrug maximal 48 Stunden bei 25 Grad Celsius. Die Präsenz von Viren war später bedingt durch ihre Vermehrung anhand von klaren Löchern im bakteriellen Rasen – auch Plaques genannt – nachweisbar. Die Quantifizierung der Virenkonzentration erfolgte dann unter anderem über eine Auszählung der Plaques auf allen sechs Stufen.
Die Messung der Reinigungseffizienz der drei Geräte führten Dobslaw und sein Team mittels einer "getakteten Folgekontamination" des Innenraums durch. Heißt: Nach der ersten Kontamination des Innenraums – ein Kontaminationsintervall entsprach 30 Sekunden – fand nach sechs Minuten und somit immer direkt nach dem einminütigen Messzyklus des Kaskadenimpaktors eine neue Kontamination statt. Dobslaws Team führte zwei unabhängige Reihen durch. Bei der dritten Probennahme folgte jeweils eine Validierungsmessung am zweiten Messpunkt. Die Messreihe fand sowohl mit dem autointernen Gebläse als auch unter Zuschaltung des jeweiligen Luftreinigers statt. Das Hauptaugenmerk lag auf den Messungen auf dem Beifahrersitz, da dieser häufiger mit Mitfahrern besetzt ist als die Rückbank.
Bleibt die Frage: Welche Wirkung zeigen die Luftreiniger? Ausgehend vom beschriebenen Testaufbau untersuchte das Team um Daniel Dobslaw von der Uni Stuttgart jedes Gerät auf dessen Wirksamkeit und verglich die Keimkonzentration an fünf Messpunkten mit den ermittelten Werten des EQC-Filtersystems, also ohne Zuschaltung eines Geräts.
Testergebnis Rolfhartge Aelus Car
Bis auf ein Gerät konnten alle im Test überzeugen. Im Vergleich zur Autolüftung führte der Aelus Car in der gegebenen Messkonfiguration zu keiner nennenswerten Absenkung der Virenkonzentration. "Aufgrund der Installation an der Nackenstütze ist das Gerät in Hinblick auf die Lokalisation der Emissionsquelle sowie des Kaskadenimpaktors auf dem Beifahrersitz verhältnismäßig ungünstig platziert", versucht Dobslaw das durchwachsene Abschneiden zu erklären.
Deshalb führte er zeitgleiche Referenzmessungen sowohl auf dem Beifahrersitz als auch auf der Rückbank durch. Doch auch diese Ergebnisse unterstrichen die niedrige Reinigungsleistung des Aelus Car.
Testergebnis R3 Air 8
Beim Air 8 von R3 zeigte sich ein erfreulicheres Bild. Der Vergleich der Messwerte machte deutlich, dass das Gerät fast kontinuierlich unterhalb der Referenzmessung lag. Dobslaws Fazit: "Mit diesen Messwerten kann man sagen, dass sich der Air 8 zur weiteren Reinigung der Passagierraumluft eignet."
Testergebnis Osram AirZing UV-Compact
Das Ergebnis zur Luftreinigung des AirZing UV-Compact von Osram überzeugt ebenfalls. Auch hier zeigt der Vergleich der Messwerte, dass das Gerät – mit Ausnahme eines Messwerts – deutlich unterhalb der Referenzmessung lag.
Zusammenfassung und Einordnung
Während der Aelus Car im Test die Erwartungen nicht erfüllen konnte, war bei den Geräten Air 8 (Wirkungsgrad 35,5 Prozent) und AirZing UV-Compact (Wirkungsgrad 54,1 Prozent) ein deutlicher Effekt festzustellen. Dobslaw fasst zusammen: "Die Geräte von R3 und Osram halten das, was sie versprechen." Für den Aelus Car gilt das laut Dobslaw jedoch nicht: "In Bezug auf Coronaviren konnten wir bei diesem Gerät im Test die Wirksamkeit nicht nachweisen."
Was bedeutet das Ergebnis nun aber für das Infektionsgeschehen im Auto? "In der vorliegenden Konfiguration führen der Air 8 und der AirZing UV-Compact zu einer zusätzlichen Verbesserung der Luftqualität in Hinblick auf Bio-Aerosole", beurteilt der Wissenschaftler das Ergebnis. Im Zusammenspiel mit dem starken Reinigungssystem im Auto sinke so auch die Infektionsgefahr: "Bereits die Autolüftung hat einen enormen Effekt, was die Keimkonzentration im Fahrgastraum anbelangt", fügt Dobslaw hinzu. Im Zusammenspiel mit einem der beiden Geräte könne so das Risiko einer Infektion deutlich gesenkt werden. Doch er mahnt zur Vorsicht: "Es schadet sicherlich nicht, die Maske auch weiterhin zu tragen."
Fazit
Der Test zeigt: Die Automobilhersteller scheinen die Wichtigkeit der Luftqualität im Pkw erkannt zu haben und tüfteln fleißig an neuen Technologien, um das Reisen auf vier Rädern auch in Pandemie-Zeiten so sicher und angenehm wie möglich zu gestalten. In Zukunft sollten Systeme wie das Air Balance von Mercedes jedoch bereits in Serie ihren Weg ins Auto finden. Bis dahin können mobile Luftreiniger einen erheblichen Beitrag zu einem geringeren Infektionsrisiko im Pkw leisten. Fakt ist aber auch: Um eigene Hygienemaßnahmen kommen Insassen nicht herum, denn einen kompletten Schutz können die Systeme nicht garantieren.
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