Missbrauch mit Anhörungsbögen: Miese Masche mit falschen Adressen

Missbrauch mit Anhörungsbögen
Miese Masche mit falschen Adressen

Veröffentlicht am 16.07.2025
Dustin Senebald
Foto: Senebald

Führerschein weg! Dustin Senebald (Foto) war stinksauer, als er Post von der Führerscheinstelle bekam. Acht Punkte in Flensburg bedeuten: Entziehung der Fahrerlaubnis. Schon zuvor war der 34-Jährige verwarnt worden, weil sein Punktekonto immer voller wurde. Doch Senebald will – bis auf eine Ausnahme (zu schnell, ein Punkt) – nie selbst gefahren sein. Drei Personen sollen seine Identität gestohlen haben. Möglicher Ablauf: Auf den Anhörungsbögen haben die Halter ihn mit Namen und Geburtsdatum angegeben, die bis vor kurzem auf Social Media-Plattformen frei einsehbar waren. Zudem wurden zwei Adressen in Düsseldorf und Gevelsberg verwendet, mit denen Senebald nichts zu tun hat, wie er sagt: "Da habe ich nie gewohnt oder gearbeitet." Laut Melderegisterauszug aus dem Juni (liegt der Redaktion in Kopie vor) hat der Unternehmer seinen alleinigen Wohnsitz ganz woanders.

Täter hatten offenbar Zugriff auf Briefkästen

Senebald vermutet, dass die Täter Zugriff auf zwei Briefkästen hatten, die Post an ihn so abfangen konnten. Dem Tatvorwurf konnte er mangels Kenntnis so nie widersprechen. Folge: Hinter seinem Rücken sammelten sich immer mehr Punkte an. Dem Frankfurter Rechtsanwalt Uwe Lenhart ist ein ähnlicher Fall nur im Zusammenhang mit bestellten Waren untergekommen, nicht aber in Bußgeldsachen. "Damit kann man jemanden gehörig in Schwierigkeiten bringen", sagt der Jurist. Den Betroffenen ärgert, dass sich die Bußgeldstellen mit den Angaben auf den Anhörungsbögen einfach zufriedengegeben haben. "Durch einen Passbildabgleich hätte jeder sehen können, dass ich nicht die Person auf den Blitzerfotos bin", sagt Senebald. Erst als er einen Anwalt einsetzt, holen das einige Behörden offenbar nach, stellen nach dessen Auskunft bis Redaktionsschluss sechs von acht Verfahren ein. Der Führerschein: vorerst gerettet.

Uwe Lenhart
Lenhart

Städte: unmöglich, alles nachzuprüfen

"Eine systematische Vorabprüfung jeder einzelnen Anschrift wäre in der Breite nicht umsetzbar", heißt es aus Dortmund. Unisono Wuppertals Stadtverwaltung: "Bei diesem Massenverfahren ist es nicht möglich, jede angegebene Anschrift im Voraus zu überprüfen." Die Sprecherin Bottrops verweist auf den "nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand", der in "Massenverfahren wie diesem" durch weitergehende Nachforschungen entstehe.

Die meisten Bußgeldstellen prüfen nach eigenen Angaben zumindest die Plausibilität der Angaben. "Also etwa, ob die Person aufgrund des angegebenen Alters oder Geschlechts in Frage kommt, bei anderen Behörden unter der angegebenen Adresse bekannt ist, bei einem Lichtbildabgleich erkannt wird und so weiter", heißt es aus Bottrop. Für den Kreis Kleve können Angaben schon dann plausibel sein, wenn der vermeintliche Fahrer seinen Namen und seine Adresse selber auf dem Anhörungsbogen in der "Ich-Form" mitteilt.

Kritik am Vorgehen der Behörden

Dustin Senebalds Anwalt Marco van Donzel-Giesen findet das bisherige Verfahren unzureichend. "Wenn das Beispiel des Identitätsmissbrauchs Schule macht, haben die Behörden mit Wiederaufnahmeverfahren noch mehr Arbeit. Und das ganze System kann zu Fall kommen.Werden die Täter erwischt, drohen ihnen Strafen wegen falscher Verdächtigung nach § 164 Strafgesetzbuch und bis zu fünf Jahre Haft.