Der Vorsitzende des Reservistenverbands, Patrick Sensburg, fordert, die Beschilderung aus Zeiten des Kalten Krieges wieder anzubringen. Hintergrund ist die unzureichende Übersicht über die Tragfähigkeit vieler Brücken, auf die militärische Einheiten im Ernstfall angewiesen wären. Sensburg betont, dass der Zustand zahlreicher Bauwerke unklar sei oder sie bereits ganz gesperrt wurden – die Bundeswehr könne daher im Bedarfsfall nicht zuverlässig planen.
Zwar existieren zentrale Datenbanken zur Brückenbelastbarkeit, doch Sensburg kritisiert gegenüber der Rheinischen Post, dass auf diese unter Einsatzbedingungen nur schwer zugegriffen werden könne. Sollte eine geplante Marschroute kurzfristig geändert werden müssen, wären Konvois auf eine schnell abrufbare Information vor Ort angewiesen. Fehlt diese, könne ein stehender Fahrzeugverband zu einem leicht angreifbaren Ziel werden. Ein sichtbares Schild unmittelbar an der Brücke wäre in einem solchen Fall eine einfache, aber wirkungsvolle Lösung.
Herkunft und Funktion der gelben Schilder
Bei den sogenannten Panzerschildern handelt es sich um gelbe, kreisrunde Tafeln mit schwarzen Zahlen und Richtungspfeilen. Offiziell heißen sie MLC-Schilder – nach dem englischen Begriff "Military Load Classification". Sie wurden in Westdeutschland flächendeckend eingeführt, nachdem die Bundesrepublik 1955 der NATO beigetreten war. Ihr Zweck bestand darin, militärischen Einheiten eine schnelle und eindeutige Information darüber zu geben, ob ein bestimmtes Fahrzeug eine Brücke befahren durfte, ohne sie statisch zu überlasten.
Die Schilder zeigten zwei Zahlen an: Die Zahl, kombiniert mit einem Doppelpfeil, bezeichnete die zulässige MLC bei Begegnungsverkehr. Die Zahl mit einem einfachen Pfeil stand für die erlaubte Belastung bei Einzelfahrt ohne Gegenverkehr. Damit ließ sich vor Ort direkt ablesen, ob ein bestimmtes Militärfahrzeug – beispielsweise ein Kampfpanzer oder ein Spähfahrzeug – die Brücke überqueren konnte oder nicht.
Die runde Form und das einprägsame Farbschema sollten dabei eine eindeutige Erkennbarkeit auch bei Nacht oder aus großer Entfernung gewährleisten.

Das gelbe Panzerschild mit den unterschiedlichen Werten und Fahrzeugsymbolen.
Was bedeutet die MLC-Klassifikation?
Die Military Load Classification ist ein standardisiertes System der NATO zur Einschätzung der Belastbarkeit von Infrastruktur durch militärische Fahrzeuge. Es wurde eingeführt, um sicherzustellen, dass Straßen und Brücken bei Verlegungen nicht durch zu schwere Fahrzeuge beschädigt oder unbrauchbar gemacht werden.
Ein moderner Leopard-Panzer mit einer MLC-Klassifizierung von 60 oder 70 darf eine Brücke nicht befahren, wenn das MLC-Schild einen Wert von 50 bei Gegenverkehr (doppelter Pfeil) angibt – das wäre aus statischen Gründen unzulässig. Ist hingegen kein Gegenverkehr vorhanden und erlaubt das Schild bei Einzelfahrt (einfacher Pfeil) eine MLC von 100, darf der Panzer die Brücke passieren. Deutlich weniger Gewicht bringt der Spähpanzer "Luchs" mit, der mit einer MLC von 19 klassifiziert ist. Für ihn stellt eine Brücke mit der Kennzeichnung 50/100 unter allen Verkehrsbedingungen kein Problem dar.
Die wichtigsten Merkmale im Überblick:
- Die MLC ist eine Zahl zwischen etwa 4 und 150 und entspricht grob dem Gesamtgewicht eines Fahrzeugs in amerikanischen Tonnen (short tons).
- Für Kettenfahrzeuge wie Kampfpanzer entspricht der MLC-Wert dem tatsächlichen Gewicht.
- Für Radfahrzeuge liegt der MLC-Wert etwa 15 % unter dem realen Gewicht, da sie punktueller auf die Fahrbahn wirken.
- Die Bewertung basiert auf hypothetischen Standardfahrzeugen, die typische militärische Belastungsszenarien simulieren.
- Die niedrigste MLC einer Brücke entlang einer Marschroute bestimmt die maximal zulässige Last für die gesamte Strecke.
- Über Einbahnregelung oder andere Verkehrsmaßnahmen kann die Belastung angepasst werden.
- Zusätzlich wird eine maximale Einzelachsenlast definiert, um auch kurze Brückenelemente nicht zu überlasten.
- Militärfahrzeuge sind mit MLC-Schildern gekennzeichnet – bei Gespannen erfolgt dies oft mit einem zusätzlichen "c"-Schild für die Gesamteinheit.
Historischer Einsatz und Rückbau der Schilder
Die MLC-Schilder wurden ab den 1960er-Jahren an militärisch relevanten Strecken installiert – vor allem entlang von Autobahnen, Bundesstraßen und in der Nähe strategischer Knotenpunkte. Sie ermöglichten eine einfache und schnelle Routenplanung im Ernstfall. In den neuen Bundesländern kamen sie hingegen nie zum Einsatz, da das System dort nicht eingeführt wurde.
Mit dem Ende des Kalten Krieges änderten sich die Anforderungen. Ab 1993 begann der schrittweise Rückbau der Beschilderung, da viele neue Brücken ohnehin höhere Lasten tragen konnten als die alten Bauwerke. Zudem galt das Risiko groß angelegter Panzerbewegungen in Mitteleuropa als unwahrscheinlich. 2009 schließlich verzichtete das Bundesverteidigungsministerium vollständig auf die Verpflichtung zur Beschilderung. Ein Abbau ist seither nicht verpflichtend, doch viele Schilder verschwanden nach und nach aus dem Straßenbild – insbesondere entlang von Autobahnen. Lediglich an wenigen kommunalen Brücken sind sie noch vereinzelt zu finden.
Aktuelle sicherheitspolitische Debatte
Mit der Rückkehr territorialer Verteidigung und der wachsenden Bedeutung von Infrastruktur im militärischen Kontext gewinnt auch die Frage nach der praktischen Nutzbarkeit deutscher Verkehrswege wieder an Bedeutung. Der Zustand vieler Brücken ist kritisch, Sanierungen kommen teils nur schleppend voran. Gleichzeitig werden militärische Übungen und Verlegungen innerhalb der NATO wieder regelmäßiger – etwa im Rahmen von Großübungen wie "Defender Europe".
In diesem Zusammenhang sehen Experten wie Patrick Sensburg die Rückkehr der Panzerschilder nicht als nostalgisches Symbol, sondern als pragmatischen Schritt zur Verbesserung der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr. Eine einfache, analoge und direkt sichtbare Information könne im Ernstfall den entscheidenden Zeitvorteil bedeuten – gerade in einer Phase, in der digitale Systeme möglicherweise nicht zur Verfügung stehen.
Ob die Forderung politisch aufgegriffen wird, bleibt vorerst offen. Klar ist jedoch: Die Debatte um die unscheinbaren gelben Schilder steht sinnbildlich für größere Herausforderungen bei der Modernisierung der militärischen Infrastruktur in Deutschland.
In der Fotoshow zeigen wir die Spezialfahrzeuge der Bundeswehr.