In Autobahnbaustellen kommt es häufig zu Situationen, in denen Lkw-Fahrer auf der rechten Spur so weit links fahren, dass Pkw-Fahrer sie nicht mehr überholen können – obwohl die linke Spur offiziell befahrbar wäre. Diese Praxis sorgt regelmäßig für Ärger. Autofahrer empfinden das Verhalten oft als Schikane, Lkw-Fahrer verweisen auf Sicherheitsgründe. Doch was ist erlaubt, was ist verboten – und wo beginnt eine Straftat?
Kein grundsätzliches Überholverbot – aber begrenzter Platz
Baustellen auf Autobahnen sind in der Regel zweispurig geführt, wobei die linke Spur oft auf zwei Meter oder etwas mehr eingeengt ist. Für viele Pkw reicht das rechnerisch aus – der Gesetzgeber verbietet Überholen in Baustellen nicht grundsätzlich. Ein Verbot muss durch Verkehrszeichen ausdrücklich angeordnet sein.
Fahren Lkw so weit links, dass kein Überholen mehr möglich ist, ohne dass eine entsprechende Fahrbahnsituation dies erzwingt, stellt sich die Frage: Handelt es sich noch um ein zulässiges Fahrverhalten oder bereits um eine Behinderung?
Das sagt die Rechtslage
Die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) gibt in diesen Fällen klare Regeln vor. Zentral ist das Rechtsfahrgebot (§ 2 StVO), das auch auf Autobahnen gilt – wenn auch mit gewissen Spielräumen bei dichterem Verkehr. Wer aber bewusst weiter links fährt als nötig und dadurch andere behindert, kann eine Ordnungswidrigkeit begehen. Kommt es gar zu einer gezielten Blockade, steht auch der Straftatbestand der Nötigung (§ 240 StGB) im Raum.
Mögliche rechtliche Konsequenzen:
- Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot: 80 Euro Bußgeld, 1 Punkt
- Gefährdung durch zu weit links fahren: 100 Euro Bußgeld, 1 Punkt
- Nötigung im Straßenverkehr: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren, Führerscheinentzug möglich
Wie die Behörden das Verhalten bewerten
In der Praxis wird das Verhalten häufig geduldet, solange es durch die Enge der Fahrbahn begründet ist. Viele Lkw-Fahrer argumentieren, sie müssten auf Baustellen die linke Linie anvisieren, um mit dem Auflieger rechts nicht in die Leitplanken oder die Warnbaken zu geraten. Wird der linke Fahrstreifen jedoch systematisch blockiert – etwa durch bewusst mittiges Fahren ohne technischen Zwang –, liegt ein Verstoß vor.
Erfahrene Verkehrsanwälte betonen, dass nicht jede Fahrweise gleich strafbar sei. Entscheidend ist, ob andere Verkehrsteilnehmer bewusst und über einen längeren Zeitraum behindert oder gefährdet werden. In solchen Fällen ist eine Ahndung durch die Polizei möglich – bei Wiederholung sogar mit strafrechtlichen Folgen.
Verhaltenstipps für Pkw-Fahrer
Autofahrer sollten in Baustellen mit verengten Fahrstreifen besonders besonnen reagieren. Auch wenn der Eindruck entsteht, dass ein Lkw absichtlich die linke Spur blockiert oder Überholvorgänge erschwert, ist es wichtig, Ruhe zu bewahren und keine riskanten Maßnahmen zu ergreifen. Ein zu dichtes Auffahren erhöht nicht nur das Unfallrisiko, sondern kann auch selbst als Verkehrsverstoß gewertet werden. Ebenso sollte auf den Einsatz der Lichthupe oder andere aggressive Gesten verzichtet werden – diese können juristisch als Nötigung eingestuft werden und zu Konsequenzen führen.
Stattdessen gilt: Sicherheitsabstand halten und auf eine sichere Gelegenheit zum Überholen warten. Wenn die Platzverhältnisse es nicht zulassen, sollte man sich nicht dazu verleiten lassen, sich vorbeizudrängen, sondern im Zweifel hinter dem Lkw bleiben. In vielen Fällen ergibt sich nach wenigen hundert Metern ohnehin wieder eine breitere Fahrspur oder ein Ende der Baustelle.
Wer den Eindruck hat, bewusst und über längere Strecke behindert worden zu sein, sollte die Situation sachlich dokumentieren – zum Beispiel mit Angabe von Ort, Zeit, Kennzeichen und, sofern vorhanden, per Dashcam-Aufzeichnung. In gravierenden Fällen kann eine Anzeige wegen Nötigung oder Behinderung bei der Polizei geprüft werden. Voraussetzung dafür ist, dass das Verhalten des Lkw-Fahrers nicht mehr durch die Fahrbahnsituation erklärbar ist, sondern gezielt darauf abzielt, andere Verkehrsteilnehmer zu behindern.
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