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Wann fahren wir mit komplett autonomen Fahrzeugen?
Die Level der Automatisierung und ethische Fragen

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Einschätzungen und Meinung von Experten, die eine wichtige Rolle auf dem Weg zum autonomen Fahren spielen. Mit einer Übersicht der Level 1 bis 5 erklären wir den Stand der Entwicklung.

Autonom fahrenden XC90
Foto: Volvo

„Wir könnten Künstliche Intelligenzen züchten wie Hunde.“ Diese Aussage stammt weder aus einer Anleitung mit dem Titel „Lasst uns Gott spielen“ oder von einem Amateur, wird aber zugegebenermaßen erst im richtigen Kontext verständlich. Dazu später mehr.

Künstliche Intelligenz ist schon heute unser ständiger Begleiter, sei es beim Sprachassistenten im Smartphone oder auch im Auto. Hier zeigen vernetzte Infotainmentsysteme und geläufige Fahrassistenten für das Halten und Wechseln der Fahrspur, das automatisierte Ein- und Ausparken oder die richtige Lichtverteilung adaptiver Scheinwerfer erste Schritte in Richtung autonomes Fahren.

Unsere Highlights

Level 1 bis 5: Die schritte zum vollautomatisierten Fahren

Auf dem Weg zum selbstfahrenden Auto hat die Branche fünf Stufen (Levels) definiert:

SAE Norm J3016 für autonomes Fahren
SAE
In dieser tabellarischen Form unterteilt die internationale Vereinigung SAE die Stufen des autonomen Fahrens.

Level 1

Der Fahrer fährt, Assistenten geben Hinweise und unterstützen ihn. Ein Beispiel dafür wäre der Notbremsassistent, der die Teil-Aufgabe des Bremsens in einem Gefahrenkontext übernimmt, dem Fahrer jedoch alle weiteren Aufgaben der Fahrzeugsteuerung überlasst.

Level 2

Einzelne Fahrmanöver übernimmt der Computer für einen begrenzten Zeitraum, der Fahrer muss ihn jedoch stets überwachen und Eingreifen (z.B. Spurhalteassistent mit Gegenlenkfunktion, Stauassistenten, die im Stop-And-Go-Verkehr automatisch abbremsen und wieder anfahren).

Level 3

Das hochautomatisierte Fahren. Viele Funktionen übernimmt das Auto bzw. die darin eingebaute Technik selber, der Fahrer muss aber stets umgehend eingreifen können, wenn Gefahr droht oder das System ausfällt (z.B. der Staupilot im neuen Audi A8).

Level 4

Vollständig automatisiertes Fahren. Das Auto manövriert komplett selbständig in Parkhäusern oder auch über längere Strecken auf der Autobahn. Bei einfacher Anfahrtstrecke könnte ein Car-Sharing-Auto den Fahrer zu Hause abholen, er muss nicht mehr zum geparkten Auto gehen (z.B. automatisiertes Autobahnfahren, bei der Ausfahrt übernimmt der Fahrer wieder, da die kurvige Landstraße und der Innenstadtverkehr komplexer werden

Level 5

Das autonome Fahren. Das Auto fährt komplett selbständig, anstatt Fahrer und Passagiere sitzen nur noch Passagiere im Fahrzeug. Pedale oder ein Lenkrad sind nicht mehr nötig.

Diese Stufen der Automatisierung wurden von der internationalen Ingenieurs- und Automobilindustrie-Vereinigung SAE definiert. Das beinhaltet auch ein Level 0, zu viel Zeit muss sein. Hierbei handelt es sich um ein Auto ohne jegliche Fahrassistenz.

Auch Maschinen müssen lernen, um zu verstehen

Professor Sepp Hochreiter von der Johannes-Keppler-Universität im österreichischen Linz ist einer der Vordenker auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz und des autonomen Fahrens und der Mann, der am Anfang dieses Artikels zitiert wurde. Eine wesentliche Grundlage für lernende Maschinen stammt von ihm: Long Short-Term Memory. Was wie ein Widerspruch in sich klingt, bezeichnet – vereinfacht ausgedrückt – einen sich stets erweiternden Speicher. Im Gegensatz zu einem bekannten Unfalldatenschreiber merkt sich das maschinelle Gehirn nicht nur das „Gelernte“ in einem bestimmten Zeitraum, sondern addiert immer mehr Informationen. Die Maschine lernt also wie ein Lebewesen.

„Erst so konnten wir erreichen, das eine Künstliche Intelligenz ein Weltverständnis aufbaut“, erklärt Sepp Hochreiter. Damit ist eine logische Schlussfolgerung von Zusammenhängen und das Erkennen bestimmter Situationen gemeint.

Ein Beispiel: Das autonome Auto fährt eine Straße entlang, die plötzlich steil einen Berg hinaufführt. So steil, dass die Sensoren und Kameras, also die Augen des Autos, nur noch Himmel sehen. Das Computergehirn würde keine Straße mehr erkennen, das Auto bleibt stehen. Mit dem selbstlernenden, wachsenden Speicher würde sich der Computer „erinnern“, dass es bergauf geht, würde gleichzeitig GPS Daten abgleichen und erfahren, dass die Straße durchaus noch unter dem Auto ist. Die Fahrt ginge bis zur Bergkuppe und darüber hinaus weiter.

Bevor Autos vollständig automatisiert, also auf Level 5, unterwegs sind, müssen von den Entwicklern und Forschern noch viele Aufgaben gelöst werden. Das beginnt bei der Hardware.

Dr. Stefan Poledna, Gründer und Vorstand von TTTech in Wien, erklärt den nötigen Wandel. „In aktuellen Autos gibt es in sich geschlossene Steuergeräte für die Fahrassistenten, das Infotainment und Komfortfunktionen. Ein autonomes Auto muss alle Fahrzeugfunktionen in einem zentralen Gehirn steuern können. Sonst würde ganz nebenbei auch der Bauraum ausgehen.“

Sein Unternehmen hat die Level 3-Fähigkeit des neuen Audi A8 maßgeblich entwickelt. Das Topmodell der Ingolstädter kann theoretisch bis 60 km/h autonom fahren. Höhere Geschwindigkeiten sind noch eine Herausforderung für den Techniker und seine 1.500 Mitarbeiter.

„Wir müssen auch bedenken, dass bei 130 km/h der Motor der elektrischen Lenkung ausfallen kann, was aufgrund der höheren Geschwindigkeit ungleich dramatischer wäre als bei 60 Stundenkilometern. Ein Mensch könnte auch hier noch eingreifen, für das autonome Fahren müssen wir hier jedoch einen zweiten Lenkungsmotor als Back-up einbauen.“

Bestehende Hardware füttert Künstliche Intelligenz

Auf der NIPS, einer Fachkonferenz für Künstliche Intelligenz im kalifornischen Long Beach, hat Audi am 4. Dezember 2017 eine weitere Neuentwicklung für autonome Autos: Eine Monokamera soll mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz ein sehr genaues, dreidimensionales Bild der Fahrzeugumgebung generieren können.

Die Frontkamera, die dem aktuellen Stand der Technik entspricht, liefert 15 Bilder pro Sekunde in einer Auflösung von 1.3 Megapixel. In einem neuronalen Netz werden die von der Kamera geschossenen Bilder verarbeitet. Der Computer gleicht die Bilder mit 13 programmierten Objektklassen ab und erkennt damit andere Autos, LKW, Gebäude, Menschen oder Verkehrsschilder. Eine zusätzliche Abstandsmessung ermöglicht das 3D-Modell des Umfelds, womit sich das Auto orientieren kann.

Führerschein für autonome Autos

Viel Arbeit liegt auch noch vor Sepp Hochreiter und seinem Team. Er ist davon überzeugt, dass autonome Autos irgendwann einen Führerschein machen müssen, so wie heute wir Menschen. In Hallen oder an der freien Luft werden Situationen aufgebaut, die ein solches Fahrzeug erkennen und lösen muss, bevor es auf öffentliche Straßen darf. Auch Fahrsimulatoren dürften hierfür verstärkt zum Einsatz kommen.

„Es wird viele Entwicklungen für K.I.s geben, bei denen einige alle Tests bestehen und andere sich als nicht so perfekt erweisen“, erwartet Hochreiter. „Das ist wie bei der Hundezucht. Eine Rasse erweist sich als intelligent und schön, sie wird weiter gezüchtet und zum Verkauf angeboten. Andere bringen es nicht so und man lässt es bleiben.

Das hat also, wie eingangs erwähnt, nicht mit Größenwahn zu tun, sondern mit gesundem Pragmatismus. Und natürlich auch mit ethischen Gesichtspunkten. Um darauf Antworten zu finden, muss man aber erst die Fragen genau definieren

Wer soll entscheiden, ob das autonome Auto, wenn eine Unfallsituation nicht mehr vermeidbar ist, erst die eigenen Insassen schützt oder die Mutter mit Kinderwagen, die es zu überfahren droht? Wie kann man dem Computer antrainieren, zur Vermeidung eines solchen Unfalls eine Verkehrsregel, wie das Überfahren einer durchgezogenen Mittellinie, zu brechen?

Auch Airbags und Gurte müssen neu erdacht werden

Hier weicht Hochreiter aus: “Juristen denken an den Einzelfall. Maschinen haben jedoch das Ziel, die Gesamtzahl der Verkehrstoten und -verletzten zu minimieren.„ Eine richtige Meinung klingt anders. Man könnte auch noch anmerken, dass das Computergehirn des selbstfahrenden Autos den Menschen auf der Straße anders wertet als die Passagiere an Bord – denn die profitieren ja von den Knautschzonen und Sicherheitseinrichtungen des Fahrzeugs.

Auch hier muss übrigens weitergedacht werden. Denn die aktuellen Rückhaltesysteme sind auf einen fest definierten Zustand von Fahrer und Passagieren ausgelegt. Wenn die jetzt aber in Liegesesseln entgegen der Fahrrichtung Zeitung lesen, müssen die Systeme für die passive Sicherheit im Auto auch diese Situation erkennen und bedienen können.

Datenschutz als Herausforderung

04/2018, BYTON Europapremiere Mailand
Bernd Conrad
Zukünftige Autos wie von Byton sammeln viele Daten über Fahrer und Passagiere.

Ein wichtiger Aspekt bei der Betrachtung des zukünftigen Verkehrs ist natürlich der Datenschutz. Selbstfahrende Autos, die jede Strecke und weitere Parameter wie die Anzahl der Passagiere bis hin zu deren direkter Identifikation aufzeichnen, sind eine wertvolle Datenbank.

Autohersteller können mit diesen Daten neue Services anbieten, darunter zum Beispiel individuelle Entertainmentprogramme für die Zeit im selbstfahrenden Auto.

Die Unternehmensberatung Frost & Sullivan geht davon aus, dass mit der dadurch erzeugten Monetarisierung von Daten im Jahr 2025 Umsätze von bis zu 33 Milliarden US-Dollar (ca. 27 Milliarden Euro) von den Autoherstellern generiert werden können. Im vergangenen Jahr lag der Umsatz aus gesammelten Daten bei zwei Milliarden US-Dollar (ca. 1,62 Milliarden Euro).

Autoversicherungen dürften Daten für die Berechnung von Versicherungstarifen, die den Fahrstil berücksichtigen, kaufen, Medienkonzerne Interesse an der direkten Ansprache von Kunden haben.

Frost & Sullivan geht davon aus, dass Autohersteller im Zeitraum von 2020 bis 2025 ihre Daten-Ökosysteme konsolidieren werden. Nur so können die anfallenden Daten zentral gesammelt und damit auch kontrolliert werden.

Fazit

Auf dem Weg zum autonomen Verkehr gibt es noch viel zu tun. Nur eines scheint klar zu sein: Die Technik wird so weit sein, wenn wir Menschen es auch sind. 2025? Vielleicht. Etwas später? Gut möglich.

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Erscheinungsdatum 07.12.2023

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