Es war angeblich das sportlichste Auto, das er je gefahren ist – und sein letztes großes Projekt: Mit strahlenden Worten beschrieb Adrian Mardell jüngst Jaguars neues Elektro-GT-Flaggschiff, einen elektrischen Supersportwagen im Stil des Porsche Taycan. Wenige Wochen später kündigt der langjährige Jaguar-Land-Rover-CEO überraschend seinen Rücktritt an. Und das mitten in einem historischen Umbau der Marke, den er selbst maßgeblich orchestriert hat.
Von tiefroten Zahlen zur Rendite-Rekordfahrt
Als Mardell das Ruder 2022 von Thierry Bolloré übernahm, stand JLR wirtschaftlich unter enormem Druck: Pandemie-Schulden, Absatzprobleme, Strukturprobleme. In knapp drei Jahren formte er daraus wieder einen rentablen Premiumhersteller. Dank der profitablen Range-Rover- und Defender-Modelle erzielte JLR zuletzt den höchsten Gewinn seit einem Jahrzehnt – und steuerte erstmals wieder auf eine zweistellige Rendite zu.
Eine Marke, vier Gesichter – und ein Fragezeichen
Strategisch trieb Mardell die neue House-of-Brands-Struktur voran: Defender, Discovery, Range Rover und Jaguar etablierte er als eigenständige Marken mit eigener Positionierung. Jaguar sollte dabei zum Elektro-Bentley aufsteigen – High Performance, High Design, High End. Doch genau hier scheint die Strategie zu wackeln: Aktuell stellt Jaguar keine Fahrzeuge her. Die neue Elektroflotte soll erst ab 2026 starten. Und Jaguars Weg zurück erweist sich als steiniger als anscheinend von Mardell vermutet.
Werbe-Katastrophe
Mitte Mai 2025 hat Jaguar die Agentur Accenture Song gefeuert, die für das neue Image der britischen Traditionsmarke verantwortlich war. Ultradivers, ultrajung, ultramodern – nur Jaguars Luxus-Attitüde sollte es aus der Vergangenheit in die Gegenwart schaffen. Inzwischen scheinen die Jaguar-Verantwortlichen zu verstehen, dass so viel beinahe schon bizarre Radikalität selbst am Geschmack der jüngeren Generationen ein bisschen vorbeigeht – und dass die gesetztere Kundschaft auch Geld für Autos ausgibt. Hier nochmal ganz klar: Die Kritik an Jaguars Markenwandel kam nicht nur aus den sozialen Medien – sondern auch massiv aus dem eigenen Haus.

Durchgeknallt bunt und maximal divers: Die Kampagne für Jaguars neues Marken-Image hat anscheinend auch die Lebenswirklichkeit junger Generationen verfehlt.
Jaguar steht auf dem US-Markt nackt da
Hinzu kommt die epochale Zeitenwende auf Jaguar Land Rovers wichtigstem Markt: In den USA gelten bald beinahe keine ernstzunehmenden Abgasnormen mehr. Der Verbrennungsmotor hat dort wieder eine Zukunft, zumindest, bis er durch natürliche Entwicklungen vom Elektroantrieb abgelöst wird. Während Defender, Discovery und Range Rover noch Verbrenner im Programm haben, steht Jaguar vollkommen blank da und muss in den USA auf vermögende sowie fortschrittsfreundliche Kundschaft aus Kalifornien hoffen.

Mit dem elektrischen GT will Jaguar nach mehr als einem Jahr Pause zurück auf den Markt (hier als Erlkönig). Auf Jaguars wichtigstem Markt, den USA, haben jetzt aber wieder Autos mit Verbrennungsmotor eine Zukunft - Verbrenner-Modelle hat Jaguar allerdings nicht auf dem Plan.
Zölle, Zweifel, Zurückhaltung
Parallel zu Jaguars Modellpause bremsen internationale Handelskonflikte JLR aus: Neue US-Zölle treffen JLR hart – schließlich betreibt JLR kein einziges Werk in den USA. Britische Verhandler konnten einen Teil der Strafabgaben in letzter Minute von den angedrohten 25 Prozent herunterhandeln. Die USA verlangen jetzt beim aus dem EU-Land Slowakei importierten Defender 15 Prozent Zoll, bei den aus Großbritannien stammenden Modellen (Solihull: Range Rover-Modelle, Halewood: Range Rover Evoque und Discovery Sport) sind zehn Prozent fällig. Allerdings nur für die ersten 100.000 Exemplare, die innerhalb eines Jahres in die USA kommen. Jedes weitere in dem Jahr gelieferte Modell beaufschlagen die USA dann mit den ursprünglich angedachten 25 Prozent. Nochmal: Die USA sind jedoch der wichtigste Markt für JLR.
Mardell geht – die Unsicherheit bleibt
Obwohl Mardell selbstsicher davon sprach, dass Jaguar mit seiner neuen Strategie "keinen Grund zur Sorge" habe, zeigt sich am Markt ein anderes Bild: Verzögerungen bei der Range-Rover-EV-Einführung, Rückzug aus den USA im Frühjahr, die massiven Imageprobleme rund um das unglücklich aufgenommene Rebranding – all das schwächt den Rückenwind.