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Stauforscher Michael Schreckenberg im Interview
Tempolimit wird gegen Staus nicht helfen

Professor Michael Schreckenberg ist Deutschlands bekanntester Stauforscher. Gegen Autobahnstaus richte ein Tempolimit nichts aus, sagt er.

Michael Schreckenberg
Foto: Florian Mazur
Herr Schreckenberg, könnte ein Tempolimit von 120 oder 130 km/h gegen Staus helfen?

Nein, das ist nicht nachvollziehbar. Meine Mitarbeiter und ich haben die Entstehung von Autobahnstaus 30 Jahre lang untersucht. Die Gründe für sie sind Baustellen, Überlastung, Unfälle oder widrige Wetterbedingungen. Staus entstehen nicht bei hohen, sondern bei relativ niedrigen Geschwindigkeiten. Erst wird der Verkehr zäh fließend, dann bilden sich Stauwellen an Anschlussstellen oder Steigungen, wo die Dichte steigt. Sie laufen dann mit einer Geschwindigkeit von 12 bis 15 km/h nach hinten.

Rücksicht hat Vorfahrt
Wie viel CO₂-Ausstoß verursachen Staus auf der Autobahn?

Eine grobe Abschätzung, die auf den Stauangaben des ADAC basiert, kommt auf rund 0,9 Millionen Tonnen im Jahr 2021 auf den deutschen Autobahnen. Ich würde mir wünschen, dass Staus ernsthaft bekämpft würden, etwa durch ein Baustellenmanagement, bei dem rund um die Uhr gearbeitet wird. Aber das ist natürlich viel schwieriger, als Tempolimit-Schilder aufzustellen. Wobei ich gar nicht generell gegen Geschwindigkeitsbeschränkungen bin – aber bitte nur strecken- und situationsabhängig, damit der Verkehr örtlich besser fließt.

Was haben Sie gegen ein starres Tempolimit?

Ablenkung ist die Ursache für etwa die Hälfte aller tödlichen Unfälle. Und wer nachts auf einer leeren Autobahn permanent 120 fahren muss, verliert an Konzentration. Ich glaube auch nicht, dass sich der Verkehr auf der Autobahn durch ein Tempolimit verringern würde, wie die Studie des UBA annimmt. Ich würde eher von einer Zunahme ausgehen, und zwar durch Autofahrer, die sich heute auf unlimitierten Strecken nicht wohlfühlen. Und wer wegen eines Tempolimits auf die Bahn umsteigt, dem wünsche ich schon mal viel Glück!

Wie schätzen Sie die Studie des Umweltbundesamts insgesamt ein?

Sie ist mehr eine politische Zielvision als eine wissenschaftliche Arbeit. Viele Zahlen und Annahmen sind mehr oder weniger beliebig und mit großen Unsicherheiten und Streuungen belastet. Am Ende steht dann eine hypothetische CO₂-Einschätzung als Produkt vieler solcher Zahlen. Nach meiner Einschätzung haben die Annahmen der Studie mit den tatsächlichen Verhältnissen in der Realität des Straßenverkehrs wenig gemein. Aber so geht’s heute halt oft in der Wissenschaft zu.

Professor Michael Schreckenberg lehrt an der Universität Duisburg-Essen. Sein Gebiet ist die Physik von Transport und Verkehr.

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