MISSING :: structure.inactiveTabOverlay
{"irCurrentContainer":"31062821","configName":"structure.inactiveTabOverlay"}
MISSING :: ads.vgWort
{"irCurrentContainer":"31062821","configName":"ads.vgWort"}

Hagen Heubach (SAP) im Interview
„KI kann das Kundenerlebnis verbessern“

Hagen Heubach leitet bei SAP die Industry Business Unit Automotiv. Er spricht über die Rolle künstlicher Intelligenz in der Automobilbranche, die Vorzüge dieser Technologie und die Ängste um Jobverluste.

Hagen Heubach
Foto: Hagen Heubach
Haben die deutsche Softwareindustrie und die deutsche Automobilindustrie aus Ihrer Sicht schon wieder eine Technologie verschlafen – dieses Mal im Hinblick auf KI?

Die Kritik ist immer wieder zu vernehmen, aber ich sehe das differenzierter. Die Automobilindustrie ist im Wandel. Sie muss sich nicht nur den Herausforderungen der Stabilität der Lieferketten, sondern auch den steigenden Anforderungen an Nachhaltigkeit, der Umstellung auf neue Antriebstechnologien und der Veränderung der Kundenbedürfnisse stellen. Dazu gehören auch neue Geschäftsmodelle, zum Beispiel das Abonnieren statt Kaufen von Fahrzeugen. In diesem Kontext ist Künstliche Intelligenz (KI) ein entscheidender Faktor, um wettbewerbsfähig zu bleiben und Innovationen zu fördern. Unsere Automobilkunden bei SAP haben das erkannt und investieren verstärkt in intelligente Lösungen, die ihnen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Dabei unterscheiden wir grundsätzlich zwischen zwei Arten von KI-Anwendungsfällen: Zum einen gibt es die sogenannte Business AI – das ist der Bereich, auf den SAP sich konzentriert. Sie integrieren wir in die Geschäftsprozesse, um diese effizienter, intelligenter und kundenorientierter zu gestalten. Zum anderen wird KI direkt in die Endprodukte implementiert, um Fahrzeuge beispielsweise teilautonom fahren zu lassen oder intelligente Infotainment-Dienste anzubieten. Beide Bereiche bieten großes Potenzial für die Automobilindustrie.

Unsere Highlights
ChatGPT, Gemini und andere Chatbots haben KI in die Wohnzimmer gebracht. Ist dieser Siegeszug ein Segen für die Automobilindustrie oder ein Risiko wegen potenziellen Missbrauchs?

Der Erfolg dieser KI-Chatbots, basierend auf Large Language Models, ist definitiv ein Türöffner. Sie demonstrieren, wie leistungsfähig KI sein kann, vor allem, wenn es um die Verarbeitung von unstrukturierten Daten geht. Das sind Daten, die nicht in Tabellen oder Datenbanken gespeichert sind, sondern in Form von Text, Bildern, Videos oder Sprache vorliegen. Diese Daten machen einen Großteil der Informationen aus, die wir alle täglich produzieren und konsumieren. Mit Large Language Modellen wie ChatGPT oder Gemini können wir diese Daten besser verstehen, analysieren sowie nutzen und erhalten in kürzester Zeit zielgerichtete Antworten auf unsere Anforderungen. Das bietet enorme Chancen für die Automobilindustrie, zum Beispiel in der Kundeninteraktion. Wir können so die Bedürfnisse, Wünsche und Probleme der Kunden besser erfassen, ihnen somit individuelle und passende Lösungen anbieten.

Einige sagen, dass die deutsche Industrie nicht innovativ genug ist. Wie sieht die KI-Strategie von SAP aus, um das Gegenteil zu beweisen?

Unsere KI-Strategie basiert auf einem einfachen, aber effektiven Prinzip: Wir kombinieren erstklassige Daten mit neuen, leistungsfähigen Technologien der künstlichen Intelligenz, um intelligente Lösungen zu schaffen. Durch die Nutzung unserer umfangreichen Erfahrung vor allem in der Verarbeitung strukturierter Daten und der Entwicklung von Geschäftsanwendungen, die können wir Unternehmen dabei unterstützen, ihre Daten optimal zu nutzen und so Mehrwert durch KI zu generieren. Dabei ist eines unumgänglich: Die Datenbasis muss zuverlässig sein. Hier gilt das IT-Motto: schlechte Daten rein, schlechte Ergebnisse raus.

Was ist der entscheidende Vorteil, den SAP speziell seinen Automobilkunden durch KI bietet?

KI ist ein fester Bestandteil unserer Software, eingebettet in Prozesse und Anwendungen. Der entscheidende Vorteil, den SAP seinen Automobilkunden durch KI bietet, ist, dass wir KI nach unseren drei Leitprinzipien definieren: relevant, verlässlich und verantwortungsvoll. Unsere KI-Lösungen sind in unsere führenden Geschäftsanwendungen und -technologien integriert, liefern sofortige Geschäftsergebnisse und basieren auf den Geschäftsdaten und dem Prozesskontext unserer Kunden. Außerdem berücksichtigen wir bei unseren KI-Anwendungen die höchsten Standards für Sicherheit, Datenschutz, Compliance und Ethik, die Regulierungen wie dem EU AI Act entsprechen.

Sie sprechen oft von konkretem Nutzen und Mehrwert. Haben Sie ein Beispiel, wie KI in der Praxis die Automobilproduktion revolutioniert?

Selbstverständlich. Ein Beispiel ist die visuelle Qualitätskontrolle. Durch den Einsatz von KI können wir Bilder von Fahrzeugteilen oder Komponenten auswerten und automatisch Fehler oder Mängel erkennen, die das menschliche Auge übersehen würde. Das erhöht die Qualität der Produkte, spart Zeit und Ressourcen und vermeidet Rückrufaktionen oder Garantieansprüche. Ein weiteres Beispiel ist die Optimierung von Lagereingangsprozessen. In diesem Fall geht es um die Verarbeitung von Lieferscheinen, wenn Lkw-Fahrer Ware anliefern. Kurz gesagt: Es geht stets darum, nachweisbare und überzeugende Ergebnisse für unsere Kunden innerhalb ihrer Prozesse zu erzielen.

Viele Mitarbeiter fürchten um ihre Jobs. Wie reagieren Sie auf diese Ängste, und kann KI den aktuellen Fachkräftemangel ausgleichen?

Menschen sind teilweise in Sorge, dass KI ihre Arbeitsplätze gefährdet. Ich sehe eher das Gegenteil: In Zeiten des Fachkräftemangels kann KI dazu beitragen, Lücken zu schließen, indem sie Routineaufgaben übernimmt und den Mitarbeitenden ermöglicht, sich weniger auf eben diese Routineaufgaben, sondern vor allem auf komplexere und wertschöpfendere Tätigkeiten zu konzentrieren. So entstehen für die Mitarbeiter deutliche Produktivitätsgewinne, wenn sie beispielsweise direkt mit unserem KI-Assistenten Joule kommunizieren können und so Zugang zu den – eingangs erwähnten – unstrukturierten Daten haben. Die Akzeptanz ist zudem ein wichtiger Faktor: Schulungen und Weiterbildungen bereiten die Belegschaft auf die neuen Technologien vor, verdeutlichen zudem ihre Vorteile.

Praktisch wie eine Glaskugel für die Automobilindustrie, die auch gleich Aufgaben erledigt?

Unser KI-Assistent Joule steht nicht nur mit nützlichen Informationen zur Seite, sondern kann auf Anordnung des Nutzers sogar direkt Aufgaben im System erledigen – und das über Produktgrenzen hinweg. Wir erreichen das durch die Integration in unsere Software, weshalb Joule vom ersten Tag an einen Mehrwert schafft. Durch die Breite unseres Portfolios gibt es so gut wie keinen Geschäftsprozess, den SAP-Lösungen nicht abbilden.

Für manche Kunden wirkt das bestimmt auch befremdlich. Da könnte ein Entwickler, der Controller oder der Einkäufer in einem Konzern doch instinktiv zurückzucken, bevor er mit Ihrem Joule über die Geschäftsgeheimnisse plaudert.

Die Implementierung von Joule erfolgt nach festgelegten Sicherheitskriterien und -standards und ist in einen definierten Governanceprozess eingebunden. Darüber hinaus erfolgen Zugriffe auf Informationen festgelegten Regeln und Zuständigkeiten, also Berechtigungskonzepten. Und wir als SAP haben keinerlei Zugriff auf die Daten unserer Kunden. Das versteht sich von selbst.
Es muss in den Unternehmen aber auch eine offene Kommunikation über (generative) KI geben, um Vorbehalte, Ängste abzubauen und das Vertrauen in die Technologie zu stärken. Dazu gehört auch, deutlich zu machen, dass KI nicht Menschen ersetzen soll, vor allem nicht als Instanz, die eine Entscheidung zu treffen hat. Daher möchte ich noch einmal betonen: Für SAP hat verantwortungsbewusste KI oberste Priorität, denn unsere Systeme enthalten sensible Daten. Unsere höchsten Standards sind Ethik, Sicherheit und Datenschutz.

Welche Bereiche in der Automobilindustrie sind denn beim Einsatz von KI besonders weit?

Direkt zu Beginn müssen wir festhalten, dass KI einen Einfluss auf die gesamte automobile Wertschöpfungskette hat: von der Entwicklung, über die Produktion und Logistik bis hin zum Service. Als SAP müssen wir uns die Frage stellen, wo wir mit unseren intelligenten Lösungen die größtmögliche Wertschöpfung für unsere Kunden erzielen können. Ein gutes Beispiel ist der Personalbereich: Wir haben schon Ende letzten Jahres die ersten Lösungen mit generativer KI bereitgestellt wie das Generieren von Stellenanzeigen auf Knopfdruck oder die Zeitersparnis von bis zu 20 Prozent durch den Einsatz von Joule bei der Bearbeitung von Anfragen der Mitarbeitenden an die Personalabteilung. Diese Anwendungen können die Automobilindustrie dabei unterstützen, qualifizierte und motivierte Fachkräfte zu finden und zu binden, die den Wandel in der Branche mitgestalten können. Zum Beispiel können wir mit KI gezieltere Stellenanzeigen für Mitarbeitende im Bereich der Produktion von Elektrofahrzeugen erstellen, die nicht nur die fachlichen Anforderungen, sondern auch die kulturellen Werte und die Vision des Unternehmens mittragen.

KI kann jedoch nicht nur innerhalb der Geschäftsprozesse unterstützen. Sie kann auch das Kundenerlebnis verbessern, sei es der Verkauf von Ersatz- und Zubehörteilen oder die Bereitstellung von Automobile Services. Ob es sich um eine Anhängerkupplung, einen Dachträger oder das nachträgliche Freischalten der Sitzheizung handelt: Die Kunden möchten die passenden Produkte und Dienstleistungen für ihr Fahrzeug finden und buchen. Mit SAPs CX (Customer Experience) AI-Toolkit können unsere Automobilkunden intelligente Funktionen in ihren Webshop integrieren, beispielsweise eine visuelle Suche, die es dem Endkunden ermöglicht, ein Produkt anhand eines Bildes zu finden. Sie können auch einen intelligenten Copiloten anbieten, der mithilfe von generativer KI auf Fragen der Kunden antworten und ihnen Empfehlungen geben kann. Außerdem können unsere Automobilkunden mit KI attraktive Produktbeschreibungen erstellen, die ihre Kunden überzeugen und bestmöglich informieren. So können sie die Kundenbindung erhöhen, den Umsatz steigern und die Kosten senken.

Was ist Ihre Vision für die Zukunft der Automobilindustrie mit KI?

Ich sehe eine vernetzte, intelligente und nachhaltige Automobilindustrie. KI wird eine Schlüsselrolle spielen, um nicht nur die Fahrzeuge, sondern auch die Prozesse der gesamten Wertschöpfungskette effizienter, sicherer und umweltfreundlicher zu gestalten. Wir stehen am Beginn einer neuen Ära, in der Technologie und Mobilität nahtlos ineinander übergehen und letztlich den Alltag der Menschen nachhaltig verbessern werden.

Vita

Hagen Heubach, Global Vice President Industry Business Unit Automotive bei SAP
Ingo Cordes

Hagen Heubach ist Global Vice President and Head of the Industry Business Unit Automotive, SAP SE.

Hagen Heubach leitet die Industry Business Unit Automotive bei der SAP SE. In seiner Rolle trägt er die Gesamtverantwortung für das Automotive-Lösungsportfolio von SAP sowie für die Strategie für zukünftige Geschäftsmodelle im Bereich Mobilität. Seit Mai 2021 ist Hagen Heubach zudem Vorstandsmitglied des Catena-X Automotive Network e.V..

Er begann seine Arbeit bei SAP im Jahr 2007 und besetzte seither zahlreiche Führungspositionen. Vor seiner jetzigen Position leitete er mehrere Jahre lang das Automobilgeschäft von SAP in Japan. Hagen Heubach verfügt über einen Masterabschluss in Wirtschaftswissenschaften der Universität Mannheim.

Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 21 / 2024

Erscheinungsdatum 26.09.2024

148 Seiten