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Interview Bundesverkehrsminister Dobrindt
Mautberechnungen sind schlüssig

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt spricht im Interview über E-Mobilität, autonomes Fahren, die umstrittene Maut und die Herausforderungen bei der Datensicherheit.

Alexander Dobrindt
Foto: CSU
Sie fahren einen BMW i3 als Dienstwagen. Welche Eindrücke von der E-Mobilität haben Sie gewonnen?

Dobrindt: Meinen Dienstwagen kann ich sehr empfehlen. Wer sich heute in einer Stadt wie Berlin bewegt, kommt mit einem Elektroauto gut zurecht. Wer allerdings in der Fläche unterwegs ist, muss seine Strecken anders planen. Bei der Ladeinfrastruktur haben wir einen Nachholbedarf. Deshalb sind wir dabei, deutschlandweit an Autobahnen und Raststätten ein Netz von rund 400 E-Tankstellen zu errichten. Das gibt den Elektrowagen-Besitzer die notwendige Sicherheit, nicht auf halber Strecke liegen zu bleiben.

Unsere Highlights
Glauben Sie noch an die eine Millionen Elektroautos, die bis 2020 verkauft werden sollen?

Dobrindt: Ja, das ist machbar. Aktuell sind 17 Modelle deutscher Hersteller auf dem Markt – reine Batteriefahrzeuge und Plug-in-Hybride. Eine richtige Marktdurchdringung entsteht nicht allein durch Neuwagen, sondern über den Gebrauchtwagenmarkt. Elektrofahrzeuge mit ihrem noch relativ hohen Neuwagen Kaufpreis werden dann stärkere Verbreitung finden, wenn es einen umfangreichen Gebrauchtwagenmarkt gibt. Erst dann werden die Fahrzeuge auch attraktiv für eine breite Käufergruppe.

Wir haben aktuell einen Bestand von 24.000 reinen Elektroautos. Das ist von einer Million noch weit entfernt. Die Hersteller fordern deshalb politische Unterstützung. Wie sehen Sie das?

Dobrindt: Wir haben über 126.000 Hybrid- und Elektrofahrzeuge, und wir haben bereits eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, die die Attraktivität von Elektroautos steigern– das Herausrechnen der Batteriekosten bei der Dienstwagenbesteuerung oder die Befreiung von der Kfz-Steuer zum Beispiel. Mit unserem Elektromobilitätsgesetz schaffen wir jetzt die Grundlage für weitere Privilegien wie kostenfreies Parken in den Städten oder die Aufhebung von Zufahrtsbeschränkungen. In einem nächsten Schritt gehen wir gerade den Aufbau der Ladestationen an.

In Märkten wie Norwegen oder den Niederlanden, wo wesentlich höhere steuerliche Vorteile geltend gemacht werden können, kommt der Absatz von E-Autos aber schneller voran. Glauben Sie nicht, dass Sie noch mehr machen könnten, um dieses Antriebskonzept zu forcieren?

Dobrindt: Ich glaube, dass jetzt die Zeit ist, den Markt auch reagieren zu lassen. Elektroautos sind eine starke Alternative zu den klassischen Antrieben. Es gibt aber immer noch viel zu wenig E-Autos in den Flotten – auch in den staatlichen. Da bestehen noch erhebliche Möglichkeiten für E-Autos.

Sie haben im Bundesverkehrsministerium einen Runden Tisch zum Thema „autonomes Fahren“ ins Leben gerufen. Wie wichtig ist Ihnen dieses Thema?

Dobrindt: Enorm wichtig. Automatisiertes Fahren ist kein Science Fiction, sondern schon heute technische Realität. Wir werden das teilautomatisierte Fahren schon bald auf unseren Straßen erleben, das vollautomatisierte Fahren ist keine zehn Jahre mehr von der Praxis auf unseren Straßen entfernt. An unserem runden Tisch wollen wir z.B. haftungsrechtliche Regeln dafür entwickeln – gemeinsam mit Wissenschaftlern und Vertretern der Industrie.

Was ist Ihr Interesse aus Sicht der Politik? Die Vision des unfallfreien Fahrens?

Dobrindt: Ja, es geht darum, unsere Straßen sicherer zu machen. Und wir wollen dadurch die Kapazität der bestehenden Infrastruktur besser nutzen, als dies bisher der Fall ist.

Es gab auch von vielen anderen Bundesländern wie etwa Nordrhein-Westfalen Anfragen, die auch gerne Teststrecken angeboten hätten. Warum haben Sie sich im ersten Schritt nur für A9 entschieden?

Dobrindt: Die A9 ist eine hochfrequentierte Autobahn, die alle Voraussetzungen für einen solchen Versuch mitbringt und heute schon mit moderner Technik ausgestattet ist. Sie wird uns ein Höchstmaß an Informationen und Daten liefern. Wir gestalten das Testfeld offen für alle Autohersteller und Unternehmen, die dort Versuche fahren wollen – aus dem In- und Ausland.

Sie haben angekündigt, von diesem Runden Tisch heraus zur IAA erste Eckdaten zu haftungsrechtlichen Fragen zu benennen. Gibt es schon erste Erkenntnisse?

Dobrindt: Sie müssen sich noch ein wenig gedulden, aber zur IAA im September liegen die Eckpunkte vor. Grundsätzlich kann ich aber sagen, dass die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden können, um automatisiertes Fahren zu ermöglichen.

Das Ganze steht ja auch im Kontext der Car-to-X-Technologie und dem Thema Datensicherheit. Glauben Sie, dass da alle gesetzlichen Rahmenbedingungen schon geschaffen sind?

Dobrindt: Es sollte ein Grundprinzip gelten: Die Daten, die in einem Fahrzeug erhoben werden, gehören dem Fahrzeughalter. Er muss selber entscheiden können, wie weit er seine Daten für andere Zwecke zur Verfügung stellt. Das ist das höchste Maß an Sicherheit, das man einbauen kann: Die Einwilligung zur Datennutzung, die jeder persönlich für sich treffen muss.

Was antworten Sie Versicherungen, die sagen, sie brauchen diese Daten, um ihre Tarife abstimmen zu können?

Dobrindt: Die Versicherungen werden unterschiedliche Tarifsysteme für die Zukunft entwickeln. Diese können sich auch danach richten, was Nutzer bereit sind an Daten zur Verfügung zu stellen. Das kennen wir doch heute schon: Wird das Fahrzeug allein genutzt oder auch von anderen? Handelt es sich um ein Garagenfahrzeug oder nicht, wie hoch ist die jährliche Kilometerleistung? Das alles kann Einfluss haben auf die Ausgestaltung der Policen.

Die Daten bleiben aber doch nicht Privatsache, sie gehen über die Server der Hersteller, die wiederum selbst manchmal gar nicht so genau wissen, wohin die Daten drittverarbeitet werden. Ist es nicht eine Utopie zu glauben, die Daten bleiben beim Fahrer?

Dobrindt: Nein, die Daten gehören dem Fahrzeughalter. Wer heute die Einwilligung zur Nutzung seiner Daten erteilt, z.B. um die Sicherheit seines Fahrzeugs und der anderen Fahrzeugteilnehmer zu erhöhen, muss erkennen, was er in diesem Moment an relevanten Daten preisgibt. Ich sehe hier auch die Fahrzeughersteller in der Verantwortung, ihre Kunden darüber aufzuklären, wie und wofür ihre Daten genutzt werden.

Was sind die drängendsten Fragen rund um das Thema autonomes Fahren und Datensicherheit, die die Autohersteller Ihnen stellen?

Dobrindt: Die Hersteller sind sich einig, dass die Fahrzeuge möglichst unabhängig werden sollen. Das bedeutet, dass sich das Auto auch ohne Fahrer sicher im Straßenverkehr bewegen kann. Die Vision sieht so aus: Das Fahrzeug fährt Sie autonom zu einem bestimmten Ziel, sucht sich selbständig einen Parkplatz und holt Sie zu einem vereinbarten Zeitpunkt an einem speziellen Punkt wieder ab. Für solch ein Szenario gibt es aber große Hürden. Wie gehen wir zum Beispiel unter rechtlichen Aspekten mit einem Fahrzeug um, das keinen Insassen mehr hat? Darauf erarbeiten wir die Antworten.

Auf der anderen Seite akzeptieren wir heute jährliche viele Verkehrstote.

Dobrindt: Das automatisierte Fahren wird die Mobilität deutlich sicherer machen. Dass kann heute schon jeder nachvollziehen, der Fahrerassistenzsysteme in seinem Auto nutzt. Das Ziel ist doch mit Hilfe der Technik, kritische Situationen zu vermeiden. Wenn die Fahrzeuge sich miteinander oder mit der Infrastruktur vernetzen, also Daten austauschen, werden Kollisionen vermieden und die Sicherheit deutlich erhöht.

Stichwort Datensicherheit mit Blick auf die Maut: Sie wollen die Maut über die Kennzeichenerkennung erheben. Wie regeln Sie hier den Datenschutz?

Dobrindt: Wir haben den größtmöglichen Datenschutz im Gesetz, den wir in Deutschland kennen. Die Daten werden sofort gelöscht, wenn erkannt wird, dass die Maut gezahlt wurde. Bei Mautprellern werden die Daten nicht länger als notwendig gespeichert.

Der Mautpreller wird also nicht elektronisch lahm gelegt?

Dobrindt: So etwas ist weder jetzt noch in Zukunft vorstellbar.

Was heißt das konkret: Dass die Daten nur so lange vorgehalten werden wie notwendig?

Dobrindt: Es geht um den Zeitraum, der zur Abwicklung der Nachzahlung notwendig ist.

Warum haben Sie sich so schwer getan offenzulegen, wie Sie die zu erwartenden Mauteinnahmen kalkuliert haben?

Dobrindt: Das Gegenteil ist der Fall. Ich habe meine Zusage erfüllt, die ich dem Deutschen Bundestag bereits im Dezember 2014 gegeben habe, die Informationen im Zuge der parlamentarischen Beratung des Gesetzentwurfes vorzulegen.

Bleiben Sie dabei, dass sich die Einnahmen aus der Maut auf rund 500 Millionen Euro belaufen. Die Zahl ist ja sehr umstritten?

Dobrindt: Unsere Berechnungen sind schlüssig, nachvollziehbar und umfassend geprüft. Das entsprechende Gutachten sagt: Wir können in Zukunft sogar mit eher höheren Einnahmen rechnen, weil wir konservativ und geradezu vorsichtig kalkuliert haben.

Es gibt andere Gutachten, die besagen, dass nach Abzug aller Kosten gar nicht mehr übrig bleibt. Was sagen Sie dazu?

Dobrindt: Unseren Berechnungen liegen zuverlässige empirische Daten zugrunde.

Glauben Sie, dass Sie die Maut bei der EU durchbekommen?

Dobrindt: Unser Maut-Gesetz ist eindeutig EU-rechtskonform. Das ist durch ein großes Gutachten von Professor Hillgruber von der Universität Bonn belegt.

Aber die EU-Verkehrskommissarin würde es doch am liebsten sehen, wenn wir ein EU-einheitliches Mautsystem hätten.

Dobrindt: Es ist ein gutes Signal, dass die EU-Kommission eine Mautfinanzierung von Straßen fordert. Eine einheitliche europäische Maut ist ein nachvollziehbarer Wunsch, die Realisierbarkeit eines solchen Vorhabens liegt aber in weiter Ferne. Dies ändert nichts an unserer Entscheidung, die Infrastrukturabgabe in Deutschland im nächsten Jahr einzuführen.

Laufen wir nicht Gefahr, hier eine komplexe Mautstruktur aufzubauen, die in zwei bis drei Jahren einem EU-einheitlichem System weichen muss?

Dobrindt: Nein. In zwei bis drei Jahren ist eine europaweite Maut nicht zu schaffen. Zudem hat die Kommissarin darauf hingewiesen, dass eine Teilnahme an einer EU-weiten Maut den Nationalstaaten freigestellt wäre. Was sollte die vielen Länder bewegen, ihre bestehenden Mautstruktur aufzugeben? Da besteht noch Diskussionsbedarf in Europa bis eine EU-weite Maut realistisch wird.

Was macht es für Sie so dringend, die Maut bis 2016 umgesetzt zu haben? Brauchen Sie das Geld?

Dobrindt: Deutschland hat eine stark vernetzte Infrastruktur. Sie muss aber erhalten, noch leistungsfähiger und moderner werden. Meine Aufgabe ist es, dafür die notwendigen Investitionsmittel bereitzustellen. Dazu habe ich einen Fünf-Punkte-Investitionshochlauf auf den Weg gebracht, der Schritt für Schritt zu einer Erhöhung der Investitionszinsen um 40 Prozent ab dem Jahr 2018 führt, und zwar dauerhaft! Ein Element davon ist auch die Einführung der Infrastrukturabgabe.

Wir haben in Deutschland rund 6.000 marode Brücken, für deren Sanierung wir viel mehr Geld brauchen. Sehen Sie das auch so?

Dobrindt: Diese Zahl ist nicht korrekt. Richtig ist: rund 15 Prozent der Brückenflächen sind in einem nicht ausreichenden Zustand. Ich habe deshalb ein Brückenmodernisierungsprogramm aufgelegt: In den nächsten drei Jahren stehen dafür 1,4 Milliarden Euro zur Verfügung. Das Programm ist Teil unseres 5-Punkte Investitionshochlaufes. Dazu gehören alle fünf Zusatzmilliarden zu Beginn der Legislaturperiode und weitere sechs Milliarden Euro aus den aktuellen Haushaltsentscheidungen der Bundesregierung. Hinzu kommen die Mehreinnahmen aus der Ausweitung der Lkw-Maut und der Einführung der Infrastrukturabgabe. Wir starten zudem eine neue Generation von Projekten Öffentlich-Privater Partnerschaften im Umfang von 15 Milliarden Euro, setzen z.B. mit dem Programm zur Seehafen-Hinterland-Anbindung klare Prioritäten und legen den Schwerpunkt Erhalt und Modernisierung vor Aus- und Neubau.

Wie ist Ihre Perspektive bei der Entwicklung der Maut? 500 Millionen Euro Einnahmen klingen angesichts dieser Anforderungen nicht so viel. Lohnt sich dafür der Unmut, den Sie sich in der Bevölkerung hier zuziehen? Wollen Sie nicht langfristig mehr einnehmen?

Dobrindt: Nein. Wir vollziehen mit der Infrastrukturabgabe einen echten Systemwechsel: Von einer Steuer- zu einer Nutzerfinanzierung. Wir stärken das Verursacherprinzip. Insgesamt bewegen wir mit der Infrastrukturabgabe 3,7 Milliarden Euro vom Haushalt des Bundesfinanzministeriums in den Haushalt des Bundesverkehrsministeriums, und zwar jedes Jahr, dauerhaft und zweckgebunden für die Infrastruktur.

Die reinen Netto-Mehreinnahmen betragen innerhalb einer Legislaturperiode zwei Milliarden Euro- das ist ein bedeutender Beitrag zur Finanzierung unserer Infrastruktur. Wie erklären Sie sich persönlich den großen Unmut über die Maut?

Dobrindt: Die Maut ist seit über 30 Jahren ein politisches Projekt, das sich im parteipolitischen Streit befindet. Ich hatte nicht die Erwartungshaltung daran, dass ich einen seit 30 Jahren währenden Streit innerhalb von Wochen auflöse. Da muss man Geduld und gute Nerven haben. In der Bevölkerung ist die Infrastrukturabgabe übrigens längst akzeptiert, weil sie Gerechtigkeit auf unseren Straßen schafft und weil gegen den Wechsel von der Steuerfinanzierung hin zur Nutzerfinanzierung kein einziger überzeugender Grund spricht.

Sie sind auch ein Befürworter der Gigaliner, die sich gerade in einem Feldversuch befinden. Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann zweifelt stark an, dass diese großen LKW CO2 einsparen. Was macht Sie so sicher, dass dieses Projekt sinnvoll ist?

Dobrindt: Wenn zwei Lastwagen die Kapazität von bisher drei Lastwagen ersetzen, dann ist der ökologischen Nutzen offensichtlich. Das sollte Winfried Hermann eigentlich gefallen.

Er verlangt aber von Daimler noch ein zusätzliches Gutachten, das nachweisen soll, ob wirklich CO2 eingespart werden kann – und Daimler wird sich wohl auf diesen Nachweis einlassen.

Dobrindt: Manche brauchen eben etwas länger, um von der Palme, auf die sie gestiegen sind, auch wieder herunterzukommen. Erkennbar nehmen aber immer mehr Länder an dem Versuch der Lang-LKW teil und erkennen die Vorteile.

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