München hat sich den Spitzenplatz von Berlin zurückerobert. Aber hat Bayerns Landeshauptstadt ihn je verloren? Die Erkenntnisse der aktuellen Staustudie des Verkehrsdaten-Anbieters Inrix wirft im ersten Moment Fragen auf. Denn vor Jahresfrist hieß es: Berlin ist die Stauhauptstadt der Republik (mehr dazu lesen Sie hier). Hier standen der Statistik zufolge Autofahrer im Schnitt 154 Stunden im Stau. München landete mit 140 Stunden auf Position zwei.
„Genaueres Bild der Pendelaktivitäten“
Nun gilt München plötzlich als Titelverteidiger, und zwar „nur“ noch mit 87 Stunden Stauzeit. Grund dafür ist, dass Inrix im Vergleich zur vergangenen Auswertung die Methodik geändert hat. Bisher wurden die Zeiten ausschließlich anhand der Zeit für die Fahrt aus den umliegenden Pendlervierteln in die Innenstadt und wieder zurück ermittelt. Weil viele Städte jedoch mehrere große Gewerbe- und Bürozentren haben, nutzt Inrix nun deutlich mehr stark frequentierte Strecken – und zwar auch über die Stadtzentren hinaus – sowie Ziele in einer Region als Datenbasis. „So ergibt sich ein genaueres Bild der Pendelaktivitäten in einer Region und nicht nur der Fahrten in die Innenstadt und zurück“, heißt es vom Verkehrsdatenanbieter.
Rang (Vorjahr) | Stadt | Zeitverlust in Stunden | Veränderung zum Vorjahr | Staukosten pro Fahrer |
1 (1) | München | 87 | -1% | 774 Euro |
2 (2) | Berlin | 66 | 0% | 587 Euro |
3 (4) | Düsseldorf | 50 | 11% | 445 Euro |
4 (3) | Hamburg | 48 | -10% | 427 Euro |
5 (4) | Stuttgart | 42 | -7% | 374 Euro |
5 (6) | Nürnberg | 42 | -5% | 374 Euro |
7 (7) | Köln | 41 | -2% | 365 Euro |
8 (9) | Hannover | 40 | 8% | 356 Euro |
9 (10) | Bremen | 37 | 6% | 329 Euro |
10 (8) | Frankfurt (Main) | 36 | -5% | 320 Euro |
Aufgrund dieser Methoden-Änderung haben sich die durchschnittlichen Verzögerungen verringert. Und weil Inrix für die letzten Jahre nochmal nach neuer Definition nachgerechnet hat, lag letztlich doch München vorne und nicht, wie ursprünglich kommuniziert, Berlin. Und zwar – genau wie im vergangenen Jahr – mit großem Abstand. In Bayerns Landeshauptstadt betrug 2019 der durchschnittliche Zeitverlust eines Autofahrers im Stau 87 Stunden, also umgerechnet 3,6 Tage. Im Jahr zuvor waren es 88 Stunden, 2017 gar 91 Stunden. Zum Vergleich: Berliner standen in den letzten beiden Jahren jeweils 66 Stunden im Stau, 2017 waren es 70 Stunden. Und der bundesweite Stau-Durchschnitt beträgt 46 Stunden.
Dreimal Berlin bei den staureichsten Straßen
Ähnlich groß wie der Abstand vom Erst- zum Zweitplatzierten ist jener zum neuen Dritten Düsseldorf. Die Rhein-Metropole ist eine von wenigen Städten in den Top Ten (die anderen sind Hannover und Bremen), in der sich die Lage verschlimmert hat: Von 45 Stunden 2018 auf 50 Stunden 2019. Hamburg dagegen, das im vergangenen Jahr den letzten Podiumsplatz holte, verzeichnet einen Riesenfortschritt. Hier sank die durchschnittliche Stundenzahl von 59 auf 48. Grundsätzlich gab es viel Bewegung in den Top Ten: Neben den beiden Spitzenreitern hat nur das siebtplatzierte Köln seinen Rang verteidigt.
Bei den staureichsten Straßen hat jedoch Berlin die Nase vorn – und das gleich dreifach. Am schlimmsten ist es auf der B2 von der Seeburger Chaussee bis in die Hofjägerallee. Allein hier verlieren Autofahrer pro Tag neun Minuten und auf's Jahr gerechnet 36 Stunden. Dahinter folgen Abschnitte der B96 und der A100. In den Top Acht folgen drei Münchner Straßen sowie zwei Abschnitte in Hamburg.
Rang | Stadt | Straßenname | Von | Bis | Tägliche Verspätung (in Minuten) | Jährliche Verspätung (in Stunden) |
1 | Berlin | B2 | Seeburger Chaussee | Hofjägerallee | 9 | 36 |
2 | Berlin | B96 | L76/B96 | Tempelhofer Ufer | 8 | 32 |
3 | Berlin | A100 | A113 | Beusselstraße | 7 | 28 |
4 | München | B2 | Lortzingstraße | Martin-Greif-Straße | 6 | 24 |
4 | München | B2/B2R | A96 | A9 | 6 | 24 |
4 | Hamburg | Luruper Straße/B431/B4 | Rugenbarg | Neuer Kamp | 6 | 24 |
7 | Hamburg | B447/B5/Ring 2 bzw. B433/B5/Ring 2 | Borsteler Chaussee | Königstraße | 5 | 20 |
7 | München | Dachauer Straße | Pelkovenstraße | Nymphenburger Straße | 5 | 20 |
7 | Stuttgart | B10 | L1204 | Pragstraße | 5 | 20 |
10 | Frankfurt | B3/B8 | A66/Kreuz 21 Frankfurt am Main-Miquelallee | Grusonstraße | 4 | 16 |
In der internationalen Betrachtung spielen die deutschen Städte keine Rolle. Nicht einmal der Spitzenreiter München schafft es in die Top 25. Die weltweiten Stauzentren liegen allesamt in Lateinamerika: Mit 191 Stunden liegt die kolumbianische Hauptstadt Bogota knapp vor Brasiliens Metropole Rio de Janeiro (190 Stunden). Istanbul, das von Inrix als asiatische Stadt definiert wurde, führt diesen Kontinent mit 153 Stunden an. Die vollsten Straßen Nordamerikas gibt es in Boston (149) und Chicago (145).
Rang (Vorjahr) | Stadt | Zeitverlust in Stunden | Veränderung zum Vorjahr |
1 (1) | Bogota | 191 | 3% |
2 (4) | Rio de Janeiro | 190 | -5% |
3 (3) | Belo Horizonte | 160 | 3% |
4 (2) | Mexico City | 158 | 2% |
5 (n.b.) | Istanbul | 153 | 6% |
6 (n.b.) | Sao Paulo | 152 | 5% |
7 (n.b.) | Jakarta | 150 | 5% |
8 (9) | Boston | 149 | -5% |
9 (n.b.) | Chicago | 145 | 4% |
10 (6) | Quito | 144 | 0% |
Blickt man isoliert auf Europa, geht es auf den römischen Straßen am schlimmsten zu. Hier standen Autofahrer 2019 im Schnitt 166 Stunden im Stau. Knapp dahinter folgt Paris mit 165 Stunden, der Abstand zum drittplatzierten London (149 Stunden) ist bereits beträchtlich. Zu beachten ist, dass sich auch in der internationalen Betrachtung die Methodik analog zu den deutschen Städten verändert hat.
Rang (Vorjahr) | Stadt | Zeitverlust in Stunden | Veränderung zum Vorjahr |
1 (1) | Rom | 166 | 1% |
2 (3) | Paris | 165 | -4% |
3 (2) | Dublin | 154 | -4% |
4 (9) | St. Petersburg | 151 | 3% |
5 (5) | London | 149 | -9% |
6 (n.b.) | Brüssel | 140 | -7% |
7 (n.b.) | Palermo | 137 | 5% |
8 (n.b.) | Lissabon | 136 | -9% |
9 (8) | Moskau | 128 | -2% |
10 (n.b.) | Turin | 123 | 1% |
Fazit
Trotz neuer Methodik verändert sich kaum etwas in der Inrix-Staustatistik. Was zeigt: Städte lösen ihre grundlegenden Verkehrsprobleme nicht über Nacht. Das Gesamtbild zeigt aber auch: International betrachtet stehen die deutschen Städte – bei allem Verbesserungsbedarf – gar nicht schlecht da.