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Jörg Rheinländer und Rolf Nicodemus im Interview
Weniger Schäden durch autonomes Parken?

HUK-Generalbevollmächtigter Jörg Rheinländer kämpft gegen Parkrempler als Versicherungsschaden. Bei Bosch erhielt er von Rolf Nicodemus, Leiter des Projekts Connected Parking, Einblick in das autonome Einparken.

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Foto: Achim Hartmann

Treffpunkt Heidehof in Stuttgart, direkt neben der Bosch-Stiftung. HUK-Generalbevollmächtigter Jörg Rheinländer (Geschäftsfeld Schaden-/Unfallversicherung) trifft auf Bosch-Manager Rolf Nicodemus, der das Projekt Connected Parking leitet und sich mit der Weiterentwicklung von innovativen Parktechnologien beschäftigt. Die beiden erproben automatische Bremssysteme, kamerabasierte Rundum-Überwachung des Autos und einen ferngesteuerten Parkassistenten – Technologien, die helfen sollen, die Zahl von Parkremplern drastisch zu reduzieren.

Unsere Highlights
Es werden aktuell viele Möglichkeiten des autonomen Einparkens entwickelt. Was halten Sie als Vertreter einer Versicherung denn von dieser technischen Option?

Rheinländer: Ich bin von dieser Technik persönlich fasziniert. Es ist spannend, zu sehen, wie ein Auto an einen Block zu rempeln droht und dann im letzten Moment doch noch der Bremseingriff durch das System kommt. In der Praxis hätte das sonst einen Parkschaden von mehreren Tausend Euro ergeben.

Vertrauen Sie als Versicherer diesen Systemen?

Rheinländer: Wir erkennen auch an unseren eigenen Untersuchungen, dass die Technik deutlich vorankommt. Spannend ist allerdings auch die Frage, inwiefern solche Systeme genutzt werden. Wenn wir wissen, dass ein System 50 Prozent der Unfälle verhindern kann, aber nur in 25 Prozent der Fälle vom Fahrer genutzt wird, dann haben Sie leider nur noch 25 Prozent Reduktion. Einfache Einparkhilfen über akustische Signale haben die Schadenhäufigkeit nicht reduziert. Zurzeit sehen wir keinen Rückgang bei den Parkschäden, obwohl die Verbaurate im Pkw-Bestand 46 Prozent beträgt. Der Schadendurchschnitt ist dafür sogar leicht nach oben gegangen, weil bei Parkschäden mittlerweile teure Sensorik beschädigt wird. Das war früher anders.

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Achim Hartmann
Mit im Dialog: Rolf Nicodemus, bei Bosch Leiter des Projekts Connected Parking.

Nicodemus: Das hat natürlich auch viel damit zu tun, dass die Autos viel größer geworden sind. Der Golf VII zum Beispiel ist im Vergleich zum Golf I 17 Zentimeter breiter geworden, circa 90 Zentimeter länger und viel, viel unübersichtlicher. Bei richtiger Anwendung unterstützen Parkassistenten den Fahrer. Die Frage ist aber: Werden die Systeme immer richtig genutzt? Reagiert der Fahrer immer richtig auf Hinweise der Assistenten? Es dauert einfach eine gewisse Zeit, bis die Menschen wissen, wie sie intuitiv mit diesen Systemen umzugehen haben. Und leider wird die Technik zu selten aktiviert.

Glauben Sie, dass die Systeme künftig greifen?

Rheinländer: Ja, auf jeden Fall. Unsere Untersuchungen sagen signifikante Rückgänge voraus. In der Haftpflichtversicherung wären es 40 Prozent weniger Sachschäden. Wenn man im Kaskobereich nur auf Kollisionen schaut, dann sind es 45 Prozent. Rechnet man diesen Wert auf alle Schäden um, dann könnten 25 Prozent entfallen, wenn die neuen innovativen Systeme zur Verhinderung von Parkschäden genutzt werden. Der Schadenaufwand dürfte sich dann um 20 Prozent reduzieren.

Nicodemus: Für uns als Zulieferer stellt sich die Aufgabe, die Systeme so zu gestalten, dass es zu keinen Fehlnutzungen kommt. Unser Multikamerasystem zeigt mit seinen Nahbereichskameras das komplette Fahrzeugumfeld dank spezieller Visualisierungstechnik dreidimensional auf dem Bordmonitor so deutlich und plastisch, dass die Menschen damit ganz anders umgehen können als mit Parkpiepsern. Gerade wenn es beim Parken und Rangieren auf Zentimeter ankommt, ist Sehen besser als Hören.

Arbeiten Sie als Versicherer und Zulieferer Hand in Hand, um auf diesem Gebiet schnell voranzukommen?

Rheinländer: Grundsätzlich geht das Interesse der Versicherungsbranche in Richtung mehr Verkehrssicherheit. Und da es so viele Parkschäden gibt, ist das für uns ein besonders wichtiges Thema. Da schauen wir natürlich genau hin, was technisch passiert.

Nicodemus: Wir haben bei Bosch auch unsere eigene Unfallforschung und werten intensiv aus, wo genau es Handlungsbedarf gibt. Es bilden sich hier Ökosysteme mit verschiedenen Partnern.

Bosch arbeitet ja auch am Connected Parking. Was bedeutet das genau, und welchen Vorteil soll der Kunde davon haben?

Nicodemus: Wir sehen viel Potenzial in der Vernetzung des Autos mit der Umwelt, was einen signifikanten Kundennutzen stiften kann. Wir fragen uns, was dem Kunden den meisten Mehrwert bringt – in diesem Fall eben beim Parken. Wir beschäftigen uns unter anderem intensiv mit dem automatisierten Valet-Parken. Hier ist die Idee, dass der Fahrer aussteigen kann und sich nicht mehr darum kümmern muss, wie sein Auto in das Parkhaus hinein- und wieder herausfahren wird. Das passiert fahrerlos und völlig automatisch. Das ist einer der Punkte in Richtung zukunftsgewandter Mobilität. Der andere: Durchschnittlich 30 Prozent des Verkehrs in Innenstädten ist Parksuchverkehr. 87 Prozent der Menschen sehen die Parkplatzsuche als ein Ärgernis und wünschen sich hier Verbesserungen. Also versuchen wir zum Beispiel über Parksensoren, die Suche zu vereinfachen und Autofahrer ohne Umwege zu freien Stellplätzen zu lotsen.

Interview Joerg_Rheinlaender_AMS0617
Achim Hartmann
Im eigenen Parkhaus zeigt Bosch, wie Autos alleine ihren Parkplatz finden.
Das Problem der Versicherungsbranche besteht aber nun oft darin, dass sie gar nicht so genau weiß, welche Systeme im Auto zum Einsatz kommen. Wie gehen Sie damit um?

Rheinländer: Wir haben leider keine Informationen darüber, was in den Autos steckt. Wenn wir das wüssten, könnten wir anhand des Schadengeschehens sehr genau beurteilen, wie die Systeme funktionieren – ob gut oder schlecht. Das wäre deshalb interessant, weil wir dann die Hersteller und Zulieferer belohnen können, die wirklich gute Systeme entwickeln. Das spiegelt sich durchaus in der Versicherungsprämie wider. Immerhin geben wir heute für Parkschäden insgesamt knapp eine halbe Milliarde Euro jährlich aus.

Erkennen Sie bei den Kunden mittlerweile eine höhere Bereitschaft, ihre persönlichen Daten preiszugeben?

Rheinländer: Wir haben ja gemeinsam mit unserem Technologiepartner Bosch am 1. Januar ein Telematikprojekt namens "Smart Driver" deutschlandweit gestartet. Autofahrer unter 25 Jahren können hier bis zu 30 Prozent auf den Beitrag in der Kfz-Haftpflicht und der Kasko sparen, wenn sie eine Telematikbox einbauen, die während der Fahrt Daten zu Ort, Zeit, Geschwindigkeit, Beschleunigung, Brems- und Lenkvorgängen aufzeichnet. Das kommt richtig gut an.

Nicodemus: Ich bin überzeugt, dass die Bereitschaft, Daten herauszugeben, steigt, wenn der Kundennutzen überwiegt. Und da müssen wir hinarbeiten. Bei unserem Community-based Parking spüren Autos Parklücken im Vorbeifahren mit ihren ohnehin vorhandenen Sensoren auf und melden die Informationen an andere Verkehrsteilnehmer. Damit erzeugen wir einen hohen Nutzen. Gleichzeitig werden die Daten bereits im Auto vollkommen anonymisiert. Wir können keine Rückschlüsse auf das Bewegungsprofil der Fahrer schließen.

Rheinländer: Wir haben selbst Umfragen gemacht. Danach sagen fast 50 Prozent der Befragten, dass sie kein Problem damit haben, Daten zur Verfügung zu stellen. Und 50 Prozent sehen in Telematikdiensten eine Verbesserung ihrer eigenen Sicherheit.

Wir haben heute gesehen, wie sich das Auto selbst den Parkplatz im Parkhaus suchen kann. Wenn es dann doch zu einem Parkschaden kommt – wo holen Sie sich dann das Geld? Beim Parkhausbetreiber? Oder beim Hersteller?

Rheinländer (lacht): Als Erstes regulieren wir den Schaden. Das ist doch eine gute Botschaft, oder? Speziell für den Fall, dass dabei ein Mensch zu Schaden kommt, ist das deutsche System so aufgebaut, dass für das Opfer alles getan wird. Und damit sind wir auch gut aufgestellt. Das System der Halterhaftung haben wir so längst nicht in allen Ländern. Insofern sind wir für das autonome Fahren gut gerüstet.

Nicodemus: Das muss man wirklich unterstreichen. Wir müssen automatisiertes Fahren für Menschen "erfahrbar" machen. Sonst bleibt es Science-Fiction.

Möglicherweise werden wir mit Autos ohne Fahrer und Lenkrad konfrontiert. Würden Sie diese selbstfahrenden Modelle versichern?

Rheinländer: Ja. Wir fühlen uns dafür gut gerüstet. Man muss natürlich den rechtlichen Rahmen so gestalten, dass der Verbraucher gut geschützt ist. Das muss klar geregelt sein. Wenn man die Verantwortung ans Fahrzeug abgibt, dann sollte sie dort auch sein. Das deutsche Haftungssystem ist so aufgebaut, dass automatisiertes Fahren auch heutzutage schon abgedeckt ist. Die Versicherung solcher Modelle trauen wir uns zu.

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Erscheinungsdatum 26.09.2024

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