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20 Jahre Porsche Cayenne
Erst Rettungsanker, dann Kassenschlager

Noch in der dritten Generation PO536 feiert der Porsche Cayenne sein 20-Jahr-Jubiläum. Wie hat sich das SUV aus Stuttgart seit seinem Startschuss 2002 entwickelt? Ein Rückblick auf ein Modell, das für Porsche von elementarer Bedeutung war und vom Rettungsanker zum Kassenschlager wurde.

20 Jahre Porsche Cayenne
Foto: Porsche

Die finanzielle Lage von Porsche Anfang der 90er-Jahre war alles andere als rosig. Bis zum Erscheinen der Baureihe 996 im Jahr 1997 war jede Elfer-Iteration eine Weiterentwicklung des Urmodells von 1963. Die "kleinen" Porsche-Alternativen mit Vierzylindermotoren schleppten sich mit teils nur dreistelligen Jahresproduktionszahlen bis ins Jahr 1995. Freie Fertigungskapazitäten wurden zur Produktion von 500 E/E 500 (W124) an Mercedes abgetreten. Kurzum, der Erfolg der Marke ruhte auf dem Verkauf eines Sportwagens, bei dem die vollständige Neuentwicklung des Nachfolgers gerade Milliarden verschlang, sowie an einer Handvoll Auftragsarbeiten für andere Hersteller, darunter Seat, Opel, oder auch Lada. Es war an der Zeit, eine Gelddruckmaschine mit Porschewappen auf die Räder zu stellen.

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Das sollte Porsche schon bald gelingen. Der Erfolg begann fürs Erste mit dem 1996 enthüllten Boxster, der als Plattformbruder des ein Jahr später vorgestellten 996 endlich eine günstigere Sportwagenalternative bot, die auch wirklich den Nerv der Zeit traf. Sogleich wagte man sich an den nächsten Wurf. Doch was wir später als Cayenne kennengelernt haben, hätte beinahe sein Ziel verfehlt. Mitte der 90er überlegte man in Zuffenhausen nämlich noch, einen Van auf den Markt zu bringen. Der damalige Vorstand Wendelin Wiedeking blickte jedoch in die USA, wo SUVs gerade damit begannen, alle Verkaufsrekorde zu brechen und nach Asien, wo Luxusprodukte immer beliebter wurden. Statt eines Vans wurde dann der Entschluss gefasst, doch besser ein großes SUV zu konstruieren und der Rest ist Geschichte.

20 Jahre Porsche Cayenne
Porsche
So klein war das Modellprogramm von Porsche noch 2002, als sich der Cayenne als "dritter Porsche" zu 911 und Boxster gesellte.

Die beginnt 1998 unter dem Codenamen "Colorado", der zwei Plattformgeschwister von Porsche und Volkswagen vorhersah – die Geburtsstunde von Cayenne und Touareg. Beide Modelle sind bis heute miteinander verwandt. Die erste Generation der Typen 9PA (Porsche) und 7L (VW) besaßen sogar noch eine nahezu identische Rohkarosserie. Türen, Heckklappe und manche Scheiben beider Modelle passen theoretisch auch ans jeweils andere Modell. Gleiches gilt für die aufwändige Antriebs- und Fahrwerkstechnologie. Leistungsstarke Längsmotoren (bei VW bis dahin eher unbekannt), ein sperrbares Mittendifferenzial mit Untersetzungsgetriebe und intelligenter Steuerung für anspruchsvolle Allradeinsätze auf und abseits der Straße, sowie aufwändige Mehrlenkeraufhängungen mit enormen Federwegen für alle Viere gehörten zur Grundausstattung beider Modelle. Optional gab es weitere Differenzialsperren und eine Luftfederung, die die rund 2,5 Tonnen schweren Kolosse bis auf 30 Zentimeter Bodenfreiheit emporschwellen ließ. VW wollte damit in der Ära Piëch ohne Rücksicht auf Entwicklungskosten einen automobilen Tausendsassa kreieren, Porsche zudem mit sportlichen Ambitionen noch einen draufsetzen.

Hans-Dieter Seufert
Cayenne 9PA und VW Touareg 7L sind Plattform- und Baukastenbrüder mit vielen Gleichteilen.

Durstiger Draufgänger

So wurde der Cayenne vom Start weg Sinnbild für besonders Leistungsstarke SUV, bei denen der theoretisch mögliche Geländeeinsatz weit ins Hintertreffen geriet und bei vielen Modellen gar durch niederquerschnittige Sportreifen gänzlich vereitelt wurde. So schwang sich schon die erste Generation als Cayenne Turbo S auf bis zu 550 PS auf. Die konstruktiv noch monströseren V10- und V12-Diesel-Kraftprotze aus dem Touareg und dem 2005 erschienenen dritten Plattformbruder Audi Q7 hielten indes nie Einzug in den Cayenne.

Porsche
Als später Turbo S der ersten Generation hält der Cayenne einen Vollgas-Verbrauchsrekord.

Etwa zeitgleich, zur Modellpflege 2006 zog mit dem von Audi stammenden Dreiliter-V6-Diesel der erste Selbstzünder in einen Porsche-Personenwagen. Was für traditionsverliebte Porscheanhänger ein doppeltes Sakrileg darstellte – ein fünftüriger Zweieinhalbtonner und dann auch noch mit Dieselmotor – entpuppte sich langfristig als eine der beliebtesten Antriebsoptionen für den Cayenne.

Schon in dieser ersten Generation entwickelte sich der Cayenne tatsächlich vom Rettungsanker zum Kassenschlager. Er wurde insgesamt 178.670 Mal gebaut – in etwa das Dreifache der Gesamtproduktion von 964 (1989 bis 1994) und 993 (1993 bis 1998) zusammengerechnet. Er überholte unterm Strich sogar den neun Jahre lang gebauten 996 (1997 bis 2006), der insgesamt 175.262 Mal das Band verließ. Rechnet man nun noch den Boxster (164.874 Stück, 1996 bis 2004) hinzu zeigt sich, dass die Porsche-Planer der 90er-Jahre ein goldrichtiges Näschen bewiesen haben. Die Erfolgsgeschichte geht natürlich noch weiter.

Weniger Gewicht, mehr Platz, teils gleiche Motoren

Die zweite Cayenne-Generation 92A, die im Sommer 2010 auf den Markt kam, schlug einen spürbar anderen Weg ein. Sportlichkeit wurde nicht mehr nur durch die Wucht schierer Leistung angestrebt, sondern durch ein deutlich verschlanktes Fahrzeugkonzept. Trotz knapp fünf Zentimetern mehr Außenlänge wog Generation 2 je nach Ausstattung meist 200 bis 300 Kilogramm weniger als der Vorgänger. Ein Grund hierfür ist unter anderem der simplere Hang-On-Allradantrieb mit Lamellenkupplung bzw. Torsen-Differenzial (je nach Motorisierung), der das schwere Verteilergetriebe mit Untersetzung ersetzte. Bereits zu Beginn war der 92A bereits als konventionelle Hybridversion erhältlich. Zum Facelift 2014 gab es zudem den Plug-In-Hybrid Cayenne S E-Hybrid – beide Konzepte, sind seitdem fester Bestandteil des Motorenspektrums von Cayenne und Panamera.

Porsche Cayenne Turbo Fahrbericht
Achim Hartmann
Generation zwei war deutlich leichter, dafür aber weniger geländegängig als der Ur-Cayenne.

Modellgepflegte 92A-Modelle sind an der spitzer geformten Frontpartie und der mittlerweile Porsche-typischen Scheinwerfersignatur mit vier LED-Lichtpunkten erkennbar. Über die Jahre umfasste das Antriebsspektrum Weiterentwicklungen der Motoren aus dem Vorgänger – im Turbo S nun mit bis zu 570 PS – sowie die von Audi stammenden 3,6-Liter-V6-Benzin- und 4,1-Liter-V8-Dieselmotoren.

Keine Diesel für die dritte Generation

Generation Nummer drei erblickte im Herbst 2017 das Licht der Öffentlichkeit und verfolgte die Tugenden seines Vorgängers: noch leichter, noch mehr Platz und noch dynamischer. So wird er 2019 sogar als Coupé-genannte Schrägheckversion angeboten. Hinterachslenkung und eine Rohkarosse aus Aluminium gehören zu den größten Fortschritten des aktuellen Modells. Neu ist auch die vollständige Produktion im slowakischen Bratislava. Bis dato wurden auf der Produktionsstraße des Touareg nur die Rohkarossen des Cayenne gebaut, die erst in den Porschewerken Leipzig und Osnabrück endmontiert wurden. Dort musste mehr Platz für die Fertigung des Macan geschaffen werden. Die größtenteils neue Motorenpalette bestehend aus V6- und V8-Benzinmotoren ist bei vier Litern Hubraum gedeckelt, die sich aber mit der Elektrounterstützung des aktuellen Cayenne Turbo S E-Hybrid auf 680 PS und 900 Newtonmeter Systemleistung aufschwingen. Der 460 PS-starke Cayenne GTS wird neben den Hybridversionen als puristischere Variante angeboten. Dieselmotoren fielen im PO536 komplett weg.

06/2021, Porsche Cayenne Turbo Coupé Performance Version Nordschleifenrekord
Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG
Der aktuelle Cayenne ist dynamischer als je zuvor und hält als Turbo GT sogar den Rundenrekord für SUV auf der Nordschleife.

Dem aktuellen Cayenne wird außerdem die Ehre zuteil, den aktuellen Streckenrekord für SUV auf der Nürburgring-Nordschleife zu halten. Ohne schwere Hybridtechnik, dafür mit 640-V8-PS gelang es dem Cayenne Coupé Turbo GT im vergangenen Herbst den berühmten Eifelkurs in 7:38,9 Minuten zu umrunden, und dabei zudem als erster Cayenne die 300-km/h-Marke zu knacken. Zum Vergleich: Das ist knapp zwei Sekunden schneller als der neueste Rekordhalter der Kompaktklasse, der Audi RS3.

Spannenderweise gab es schon während der Bauzeit des 9PA Ambitionen, einen rein sportorientierten Cayenne zu kreieren. Unter dem Projektnamen "Roadrunner" wurde ein Sondermodell mit Heckantrieb und Schalensitzen erprobt, dass letztlich aber als zu unpraktisch erachtet wurde.Das gleiche Schicksal wurde auch dem Cayenne Cabrio zuteil, das 2003 als Studie gebaut wurde. 2010 hatte Nissan mit dem Murano Cross Cabriolet eine beinahe identische Idee, die bis heute davon zeugt, das ein offener Cayenne wohl eine absatztechnisch eher zweifelhafte Variante geworden wäre.

Porsche AG
Als Teilnehmer der gleichnamigen Langstreckenrallye: Der Cayenne Transsyberia.

Übrigens gab es nur eine einzige offizielle Rennversion des Cayenne. Sie hörte auf den klangvollen Namen Transsyberia und wurde 2007 für Einsätze bei der 7.200-Kilometer-langen Transsyberia-Langstreckenrallye entwickelt und sammelte gleich mehrere Siege ein. 2010 war er sogar als offroadlastiges Serien-Sondermodell erhältlich.

Fazit

Bis zum Debüt des kleineren Macan 2016, der sich eine Plattform mit dem Audi Q5 teilt, war der Cayenne mit Abstand der meistverkaufte Porsche aller Zeiten. Seine jährlichen Produktionszahlen verfehlten nur knapp die 100.000er Marke. Wer hätte also gedacht, dass der bislang schwerste Brocken aus Stuttgart-Zuffenhausen nicht nur mit Rekorden und Renneinsätzen die sportliche Fahne der Marke Porsche hochhält, sondern gleichzeitig auch ihr Rettungsanker wurde? Wir sind gespannt auf die nächsten zwanzig Jahre Cayenne.

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