Mittwochmorgen, 7.00 Uhr, Bussteig vier, ZOB Stuttgart-Zuffenhausen. Hier stehe ich wartend, gemeinsam mit zwei Dutzend anderen Fahrgästen. Offen gestanden trete ich diesen Test nicht vorurteilsfrei an. Finstere Reisebus-Erinnerungen aus Jugendtagen kommen hoch: altmodisches Interieur, schlechte Belüftung, unbequeme Sitze, begrenztes Unterhaltungsangebot und wenn überhaupt WCs, dann defekt.
Im Fernbus nach Nürnberg für elf Euro
Die heutigen Fernbusanbieter versprechen das Gegenteil: Modern, komfortabel, umweltbewusst soll die Fahrt sein, und das alles für einen unschlagbaren Preis. Gebucht habe ich mein Ticket online auf MeinFernbus.de, einer der vielen Anbieter. Die einfache Fahrt von Stuttgart nach Nürnberg kostet mich nur elf Euro.
Ein knallgrüner Bus fährt vor. Michael Janneck, 42, der Fahrer, kommt uns gut gelaunt entgegen und öffnet nach einem kurzen "Hallo" den Laderaum, um das Gepäck der Gäste im Fernbus zu verstauen. Keiner muss das selbst tun, das gehört zum Service. Das Boarding verläuft rasch und unkompliziert: Ticket vorzeigen, Barcode abscannen lassen und Platz einnehmen.
Mit dem Kauf des Tickets ist ein Sitzplatz garantiert, es herrscht freie Wahl. Die Fahrgäste haben es eilig, sich ihren Lieblingsplatz zu sichern. Ich habe einen schönen Fenstersitz im hinteren Drittel des Busses ergattert. Zehn nach sieben, von mir aus kann es jetzt losgehen.
Gut gefüllter Fernbus
Der Reisebus hat sich bis auf drei Plätze gefüllt. Erster Eindruck: überraschend positiv. Der Bus wirkt wie frisch vom Band gerollt. Das Interieur ist modern und in gedeckten Farben dezent gestaltet. Keine Spur von grellen, abgenutzten Samtbezügen im Achtziger-Jahre-Look. "Einen wunderschönen guten Morgen. Ich möchte Sie an Bord der Linie 042 willkommen heißen", begrüßt Herr Janneck seine heutigen Gäste. Dem Klischee des Busfahrers - mürrisch und kaum ansprechbar - entspricht er ganz und gar nicht. Erster Stopp heute ist Nürnberg, wo ich aussteigen werde. Die Linie 042 fährt dann weiter nach Berlin.
Der Motor startet - Abfahrt. Eine freundliche Stimme vom Band informiert über die bestehende Anschnallpflicht, darüber, wo sich die Ausgänge im Bus befinden, und welcher Service die Gäste an Bord erwartet. Dann das Ganze noch mal auf Englisch. Mein Blick fällt währenddessen auf die Sitztisch-Aufschrift an meinem Platz: "Fasten seat belt while seated." Irgendwie habe ich das Gefühl, ich sitze im Flieger, und wir heben gleich ab.
Kostenloses W-Lan im Fernbus
Fast drei Stunden ohne Pause stehen mir nun im Bus bevor, und diese gilt es zu füllen. Was machen die anderen? Ich schaue mich um, einige schlafen, lesen, hören Musik oder surfen im Internet. Richtig, im Netz surfen stellt im Fernbus kein Problem dar. Über das bordeigene W-Lan ist es möglich, besonders interessant für all diejenigen, die Laptop, Tablet & Co. ohne Netzstick verwenden. Mein Tablet findet zwei Netze, die während der Fahrt jedoch nicht konstant verfügbar sind. Dies soll am Testbetrieb liegen, was ich später erfahre. Noch nicht ganz ausgereift, trotzdem ein toller, kostenloser Zusatzservice.
Hinter mir sitzt eine Berufsschulklasse auf dem Weg zu einer Fachmesse in Nürnberg. "Klassenfahrt, wie immer halt", so ein Schüler auf die Frage, wie ihm der Fernbus gefällt. Im Gespräch erfahre ich, dass die Klasse zunächst Bahn fahren wollte, sich dann aber spontan für den günstigeren Bus entschieden hat. Ein junger Herr, allein unterwegs nach Berlin, hat sich zu der Gruppe gesellt. Der Platz neben einer der Schülerinnen war noch frei.
Schnell kommen die beiden ins Gespräch und vertreiben sich die Zeit bei einer Partie Karten. Für den kleinen Hunger und Durst während der Fahrt steht eine übersichtliche Auswahl an Snacks und Getränken zur Verfügung. Für 1,50 Euro bekomme ich eine Halbliter-Flasche Mineralwasser, eine Packung Gummibärchen ist für einen Euro erhältlich.
Preis-Leistung stimmt
Der Preis ist das stärkste Argument für den Fernbus. Ob Erstnutzer oder Wiederholungstäter, meine Mitfahrer sind vom neuen Angebot begeistert: "Es ist einfach so viel günstiger als die Bahn und richtig komfortabel", meint Ursula, 75, Rentnerin aus Stuttgart, die es sich zwischen den Jugendlichen im hinteren Teil des Busses bequem gemacht hat. Sie möchte Verwandte in Berlin besuchen und zahlt für diese Fahrt 35 Euro im Spartarif. Das Bahnticket hätte mit 139 Euro fast das Vierfache gekostet. Mit dem Bus kommt man von Stuttgart nach Berlin in acht, ein ICE schafft die Strecke in knapp sechs Stunden.
Wer also ein wenig Zeit mitbringt, kann ganz schön was sparen. Studentin Kathleen, 21, hat "kurzfristig online gebucht". Sie zahlt den regulären Preis von nur 46 Euro für ihre Fahrt von Stuttgart nach Berlin. Will man bei der Bahn ein Ticket zum heiß begehrten Sparpreis ergattern, muss man mit langen Vorbuchungsfristen rechnen. Ein spontanes Schnäppchen ist selten drin. Die Zeit im komfortablen Bus vergeht wie im Flug. Pünktlich erreichen wir den ZOB Nürnberg in der Nähe des Hauptbahnhofs. Hier steige ich aus und wechsle für die Rückfahrt in die Bahn.
Zugfahrt kostet fast das Vierfache
Der Schaffner geht durch die Reihen, um die Tickets der zugestiegenen Gäste zu prüfen. Mehr als ein leises Hallo und ein kurzes Nicken gibt es nicht. Mit 41 Euro für das Bahnticket habe ich fast das Vierfache des Buspreises gezahlt. Der Zug ist mit einer Fahrzeit von 2:15 Stunden nur 15 Minuten schneller als der Bus. Außerdem scheint der Intercity seine besten Jahre bereits hinter sich zu haben, ist schlecht klimatisiert und stark abgenutzt. Hatte ich das heute früh nicht woanders erwartet?