MISSING :: structure.inactiveTabOverlay
{"irCurrentContainer":"26595336","configName":"structure.inactiveTabOverlay"}
MISSING :: ads.vgWort
{"irCurrentContainer":"26595336","configName":"ads.vgWort"}

Straftat statt Ordnungswidrigkeit bei Sachschäden
Kritik an Entschärfung des Unfallflucht-Paragrafen

Unfallflucht ist bisher ein Straftatbestand. Das Justizministerium will das ändern und schlägt eine teilweise Herabstufung zu einer Ordnungswidrigkeit vor. Kritik an den Plänen kommt aus mehreren Richtungen – der Justizminister verteidigt sie.

Fahrerflucht Unfallflucht Zettel an Windschutzscheibe
Foto: CraigRJD via Getty Images

Der Straftatbestand "Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort", auch Unfallflucht oder Fahrerflucht genannt, ist in § 142 Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Die Norm sieht bei Erfüllung des Tatbestands eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vor. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hatte im April 2023 ein Eckpunktepapier vorgelegt, das eine teilweise Abmilderung des Straftatbestands vorschlägt. Aus diesem Papier hatte das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) zuerst zitiert.

Unsere Highlights

Aus dem Vorschlag geht hervor, dass Unfallflucht bei Unfällen mit ausschließlich Sachschäden nur noch als Ordnungswidrigkeit geahndet wird. Aktuell regelt § 142 Abs. II StGB, dass das Gericht bei Unfällen im stehenden Verkehr mit "nicht bedeutendem Sachschaden" die Strafe mildert oder ganz von einer Strafe absehen kann, wenn sich der Unfallverursacher innerhalb von 24 Stunden meldet. Die Betonung liegt hier auf "kann".

Trunkenheit am Steuer häufig Begleittat

"Durch die Herabstufung der Unfallflucht nach reinen Sachschäden zur Ordnungswidrigkeit würde einer undifferenzierten Kriminalisierung des Unfallverursachers entgegengewirkt", zitiert RND aus dem Papier, das Buschmann kurz nach Ostern 2023 zur Stellungnahme an Fachverbände geschickt hatte. Sobald es zu Personenschäden kommt, soll es beim Straftatbestand gemäß § 142 StGB bleiben. Dies soll "trotz der mit der Selbstanzeige des Unfalls verbundenen Selbstbezichtigung einer gegebenenfalls mitverwirklichten Begleittat" gelten. Damit zielt das Justizministerium auf Trunkenheit am Steuer und spricht somit eine der häufigsten Ursachen für Unfallflucht an.

Aus den §§ 136, 163a, 243 Strafprozessordnung (StPO) ergibt sich nämlich, dass sich niemand selbst belasten muss. Unter Juristen ist dieser Grundsatz als nemo-tenetur-Prinzip bekannt, abgeleitet vom lateinischen "nemo tenetur se ipsum accusare" – Niemand ist verpflichtet, sich selbst anzuklagen. Die unter diesen Grundsatz fallende "Straflosigkeit der Selbstbegünstigung" durchbricht § 142 in seiner jetzigen Form, da der Unfallverursacher damit rechnen muss, dass die Beamten vor Ort beispielsweise eine Trunkenheit am Steuer als Begleittat erkennen. Wer in Zukunft unter Alkoholeinfluss einen Blechschaden verursacht und Fahrerflucht begeht, soll also nicht mehr strafrechtlich, sondern nur noch wegen einer Ordnungswidrigkeit belangt werden können. Durch die Unfallflucht könnte der Beteiligte einer Anzeige wegen Trunkenheit am Steuer entgehen, da seine Trunkenheit später nicht mehr nachweisbar ist.

Kritik an Plänen – Verteidigung von Buschmann

Kritik an den Plänen des Bundesjustizministeriums kommt aus mehreren Richtungen. Unter anderem aus der Versicherungsbranche, die darauf drängt, die Möglichkeiten der Beweissicherung nicht einzuschränken. "Unfallursache und Unfallhergang müssen sich zweifelsfrei feststellen lassen", sagt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Neben Politikern anderer Parteien sehen auch die Polizei ("Gefahr des Eindrucks, Unfallflucht sei bloß ein Kavaliersdelikt") sowie die deutschen Richter die Pläne kritisch: "Aus Sicht der Justizpraxis besteht kein Anlass, das unerlaubte Entfernen vom Unfallort in Fällen ohne Personenschaden zur Ordnungswidrigkeit herabzustufen", sagte Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbunds (DRB), der "Augsburger Allgemeinen". Die Strafvorschrift habe sich bewährt und gebe den Gerichten ausreichend Spielräume, um Rechtsverstöße jeweils tat- und schuldangemessen zu bestrafen.

Marco Buschmann verteidigte seine Pläne inzwischen. "Auch weiter dürfte sich niemand einfach vom Acker machen, sondern es ginge darum, den Schaden und seine Beteiligung auf modernem Weg festzuhalten", sagte der Bundesjustizminister im August 2023 den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Die eventuelle Neuregelung ziele darauf ab, den Aufwand für Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte zu reduzieren. Unterstützung erhält der FDP-Politiker vom ADAC. Wer nach einem Parkrempler einen Zettel mit seinen Daten hinterlässt, wird zwingend als Straftäter verfolgt – das gehe an der Realität vorbei, so die Einschätzung des Autofahrer-Clubs. Die Ahndung solcher Fälle als Ordnungswidrigkeit führe zudem nicht zu einer Schlechterstellung des Geschädigten.

Online-Meldestelle als Alternative

Aktuell müssen die Unfallbeteiligten eine "nach den Umständen angemessene Zeit" am Unfallort warten. Als von § 142 geschütztes Rechtsgut gilt ausschließlich das private Feststellungsinteresse der Unfallbeteiligten und Geschädigten zum Zwecke der Durchsetzung oder Abwehr zivilrechtlicher Ansprüche (BGH NJW 1980, 896). Das öffentliche Strafverfolgungsinteresse ist dagegen nur mittelbar betroffen. Wegen des Feststellungsinteresses hinsichtlich zivilrechtlicher Ansprüche gilt übrigens auch als Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, wenn sich ein Unfallbeteiligter direkt am Unfallort versteckt – zum Beispiel in einem am Unfall beteiligten Fahrzeug.

Letztlich gehe es ja nur darum, "dass niemand auf einem Schaden sitzenbleibt, den ein anderer verursacht", sagt auch Buschmann. Als Alternative zur Wartezeit bis zum Eintreffen der Polizei am Unfallort schlägt das Bundesjustizministerium deshalb die Einrichtung einer Meldepflicht über eine Meldestelle vor, die die Betroffenen beispielsweise über ein standardisiertes Online-Formular erreichen können. Dort könnten die Unfallbeteiligten unter anderem auch Fotos vom Unfallgeschehen hochladen. Laut RND hat das Ministerium seine Änderungsvorschläge zu § 142 bisher nicht veröffentlicht, sondern nur an Fachverbände verschickt. Diese hatten bis zum 23. Mai 2023 Zeit für eine schriftliche Stellungnahme. Bislang ist nicht bekannt, wann das Bundesjustizministerium seine Reformpläne vorlegen und ein Gesetzgebungsverfahren einleiten wird.

Umfrage
Soll Unfallflucht bei Sachschäden nur noch eine Ordnungswidrigkeit sein?
680 Mal abgestimmt
Ja - zum Schutz von Vermögensinteressen reicht das.Nein - dann fliehen doch noch mehr Trunkenheitsfahrer vom Unfallort.

Fazit

Das Unerlaubte Entfernen vom Unfallort gemäß § 142 StGB ist ein abstraktes Vermögensdelikt, das ausschließlich private Feststellungsinteressen der Unfallbeteiligten und Geschädigten zum Zwecke der Durchsetzung oder Abwehr zivilrechtlicher Ansprüche schützt. Dem Interesse der Allgemeinheit, auch Trunkenheitsfahrten aufzudecken, dient es nicht. Insofern ist der Vorschlag des Bundesjustizministeriums verständlich, § 142 StGB zu entkriminalisieren und Unfallflucht bei reinen Sachschäden zu einer Ordnungswidrigkeit herabzustufen.

Die Strafbarkeit bei Unfällen mit Personenschäden soll bestehen bleiben.

Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 21 / 2024

Erscheinungsdatum 26.09.2024

148 Seiten