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Fachkräftemangel bei den Räumdiensten
Viel Schnee, wenig Personal

Die Lager der Räumdienste sind gut gefüllt mit Salz. Doch es fehlt an qualifizierten Fahrern für die Räumfahrzeuge. Damit die Verkehrssicherheit nicht gefährdet wird, sollen nun Quereinsteiger eine Chance bekommen. Eine Bestandsaufnahme am Beispiel der Autobahnmeisterei in Ulm-Dornstadt.

Viel Schnee, wenig Personal
Foto: Autobahn GmbH

Zum Büro von Simon Weber in der ersten Etage der Autobahnmeisterei Ulm-Dornstadt gelangt man über eine geschwungene, sehr alte dunkle Holzstiege. In dem aus dem Jahr 1937 stammenden weitläufigen Gebäude ist vieles so geblieben wie in den Anfängen. Es wurde jedoch auch immer wieder modernisiert, an- und umgebaut. Von seinem Schreibtisch mit den drei Monitoren aus kann der 36-jährige stellvertretende Leiter der Autobahnmeisterei direkt in den kopfsteingepflasterten Hof mit dem Salzlager und den Hallen schauen, in denen die Räumfahrzeuge untergebracht sind. Weber: "Voll beladen mit Salz und Sole wiegt so ein Lkw um die 30 Tonnen." Der riesige Frontpflug, mit dem man in voller Breite gleich zwei Autobahnspuren auf einmal von Schnee und Eis befreien kann, bringt allein 1,3 Tonnen auf die Waage – so viel wie ein Kompakt-Pkw.

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Geräumt wird auf den Autobahnen nach wie vor mit Salz und Sole. Das Steinsalz (Natriumchlorid) wird über einen Streuteller auf die verschneiten, gefrorenen Fahrbahnen geschleudert. Automatisch wird es auf der runden Streuvorrichtung zuvor mit etwas Wasser angefeuchtet, damit es besser auf dem Asphalt haften bleibt. Gleichzeitig versprüht das Räumfahrzeug Sole, die in der Autobahnmeisterei in eigenen Tanks aus dem Festsalz mithilfe hohen Wasserdrucks hergestellt wird. Simon Weber: "Normalerweise arbeiten wir mit 70 Prozent Steinsalz und 30 Prozent Sole. Wir können den Soleanteil aber bis auf 100 Prozent hochfahren." Sole, erklärt der Straßenmeister, hafte länger am Boden und wirke schneller als Salzkörner.

Fachkräfte sind rar

Draußen hat es schon den ganzen Morgen heftig geschüttet, das Thermometer im Hof der Autobahnmeisterei zeigt knapp vier Grad. Jeden Tag kann es losgehen mit Schnee- und Graupelschauern, gefrierender Nässe oder Blitzeis auf den Straßen. Ist der Winterdienst in Deutschland gut gerüstet?

Dazu gibt es unterschiedliche Ansichten, je nachdem, wen man fragt. Bei der Autobahnmeisterei Ulm-Dornstadt sei alles im grünen Bereich, sagt Simon Weber. In der Lagerhalle türmen sich 1.500 Tonnen Salz bis fast zur Decke. In einem normalen Winter werden insgesamt 3.000 bis 4.000 Tonnen gebraucht.

Es gebe keine Lieferengpässe im Südwesten, versichert Weber. Das bestätigt ebenfalls das baden-württembergische Verkehrsministerium: Die Lagerkapazität in den Salzhallen und Silos der Straßenmeistereien im Land liege aktuell bei etwa 160.000 Tonnen Auftausalz. Gegenüber der letzten Ausschreibung hätten sich jedoch Preissteigerungen von zehn bis 13 Prozent für den Rohstoff ergeben. Laut Autobahn GmbH sei demgegenüber der durchschnittliche Salzverbrauch zehn bis 15 Prozent geringer als noch vor zehn Jahren – abgesehen von schneereichen Wintern wie dem in 2020/21.

Es gebe einen Trend, dass wegen der milderen Temperaturen weniger Salz und Sole verbraucht würden. Aufgrund verbesserter Technik werde zudem heute weniger Material bei Streumaßnahmen ausgebracht.

Bauhöfe unterbesetzt

Und wie sieht es mit der Personalsituation aus? Die ist in Ulm-Dornstadt laut Simon Weber ebenfalls stabil. Alle Stellen seien derzeit besetzt. Zwei weitere neue Straßenwärter würden gesucht. Für Schneeräumarbeiten kann Weber mit den sechs großen, dreiachsigen Räumfahrzeugen sowie 24 Mitarbeitern disponieren – der jüngste ist 19 Jahre, der älteste knapp 60 Jahre alt.

Bei extremen Wetterlagen gibt es einen Schichtdienst rund um die Uhr. Und wenn es hart auf hart kommt, kann ein Fahrer sogar schon mal zehn oder zwölf Stunden im Einsatz sein. Doch das, so Weber, seien absolute Ausnahmefälle.

So positiv wie in Ulm-Dornstadt sieht es nicht überall mit der Personaldecke aus. Hermann-Josef Siebigteroth, Bundesvorsitzender der
VDStra. Fachgewerkschaft der Straßen- und Verkehrsbeschäftigten, kritisiert die Sparmaßnahmen der vergangenen Jahre und weist auf den Fachkräftemangel hin: "Viele Straßen- und Autobahnmeistereien sowie Kreis- und kommunale Bauhöfe sind personell unterbesetzt, die Mitarbeiter haben ein sehr hohes Durchschnittsalter. Es ist in den vergangenen Jahren viel zu wenig ausgebildet und nachbesetzt worden."

Quereinsteiger-Konzepte sollen helfen

Hinzu komme seit etlichen Jahren die Problematik, dass sich immer weniger junge Menschen für eine Ausbildung in einem handwerklich geprägten Beruf entschieden. Dies habe unter anderem mit dem niedrigen Einkommen, das bei einem Bruttomonatsgehalt von ca. 2.800 Euro liege, aber auch mit fehlender Anerkennung und Wertschätzung zu tun. Siebigteroth: "Wir haben deshalb schon Quereinsteiger-Konzepte mit der Autobahn GmbH und anderen Straßenbaulastträgern aufgelegt."

Gerade im Winter häufen sich bei der Gewerkschaft Anfragen ihrer Mitglieder zu Winterdienst-Einsatzplänen, zur Ein-Personen-Besetzung der Fahrzeuge, zu den gesetzlichen Regelungen im Arbeitszeitgesetz und zur tariflichen Vergütung sowie zu Überlastungsanzeigen. Siebigteroth mahnt Verbesserungen an: "Die Infrastruktur Straße ist unverzichtbar für den Wirtschaftsstandort Deutschland, aber auch, wie die jüngste Vergangenheit unlängst zum Beispiel im Ahrtal gezeigt hat, für alle Katastrophenfälle."

Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt die BTBkomba Baden-Württemberg. Unter dem Dach dieser Gewerkschaft befindet sich die "Interessengemeinschaft der Straßenmeister". Wilhelm Burgbacher, Landesvorsitzender der BTBkomba: "Leider hat auch der Straßendienst Nachwuchsprobleme. Geringe Tariflöhne schaffen kaum einen Anreiz, in diesem Bereich zu arbeiten. Der vielseitige Ausbildungsberuf Straßenwärter/in wird bei der Berufswahl selten in Betracht gezogen. In den meisten Straßenmeistereien gibt es inzwischen einen Personalmangel." Besonders im Winterdienst würden hohe Anforderungen in Bezug auf Flexibilität und Verantwortungsbereitschaft an die Beschäftigten gestellt.

In Städten Sand oder Splitt

Geräumt werden muss jedoch nicht nur auf Autobahnen und Landstraßen, sondern auch in Städten und Gemeinden. Wie hier die Situation beim Winterdienst aussieht, erläutert Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages: "Aus den milden Wintern der Vorjahre sind noch viele Lager gut mit Streumitteln gefüllt. Wir rechnen aktuell nicht mit Engpässen."

Generell würden Streumittel genau dosiert und an die akute Wetterlage angepasst eingesetzt. Sand oder Splitt reichten bei leichten Glättelagen aus. Dedy: "Streusalz wird nur dann verwendet, wenn es für die Verkehrssicherheit unbedingt erforderlich ist, etwa bei Eisregen oder auf stark befahrenen Straßen." Die private Nutzung von Streusalz ist in vielen Städten und Gemeinden aus guten Gründen verboten – weil es nicht nur Pflanzen und Böden schädigt, sondern auch Fahrzeuge und Gebäude angreift.

Boom im Radverkehr

Und wie sieht es mit den Radwegen aus? Für viele Städte und Gemeinden ist dies angesichts des Booms im Radverkehr eine große Herausforderung. Denn zeitgleich zum Straßenwinterdienst müssten auch die wichtigen Radwege in den Kommunen geräumt und gestreut werden, so der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU). Hier gelte wie auch für Nebenstraßen: Nicht überall schafft es der Räumdienst sofort.

Der Fachausschuss Winterdienst befasst sich intensiv mit dem Radwegethema. Laut aktuellen Forschungsergebnissen des Bundesverkehrsministeriums, bei denen der VKU mitgewirkt hat, ist die beste und effektivste Methode beim Räumen von Radwegen besenreines Kehren des Schnees und Ausbringen von Salzlösung, da diese in geringen Mengen dosiert werden kann und am besten wirkt. Radfahrer erwarten heute zu Recht, dass zumindest das Hauptradwegenetz für den Alltagsradverkehr auch im Winter sicher befahrbar ist.

Insofern bleibt der Winterdienst in der kalten Jahreszeit für alle Beteiligten ein heißes Thema.

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Fazit

Der öffentliche Dienst hat personelle Probleme und die zeigen sich besonders bei den Straßenmeistereien. Zu wenig Personal führt dazu, dass die Räumfahrzeuge stillstehen und Straßen nicht frei gemacht werden. Jetzt sollen Quereinsteiger die Lücken schließen, doch das ist nur ein Kompromiss. Die schlechte Bezahlung und die hohe Arbeitsbelastung schrecken den potenziellen Nachwuchs ab. Der Sparzwang der letzten Jahre zahlt sich jetzt negativ aus.

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