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Erster weiblicher Crashtest-Dummy
Eva soll Autos für Frauen sicherer machen

Frauen sind bei einem Autounfall einem erheblich höheren Verletzungsrisiko ausgesetzt. Der erste echte weibliche Crashtest-Dummy soll dieses Manko ausmerzen.

EVA weiblicher Crashtest Dummy Astrid Linder
Foto: Philip Sorri/VTI

Den "Gender Pay Gap", also den nachteiligen geschlechtsspezifischen Verdienstunterschied von Frauen im Vergleich zu Männern, kennt wohl inzwischen fast jeder. Weniger bekannt ist dagegen der "Gender Safety Gap". Er besagt, dass Frauen bei einem Autounfall ein deutlich erhöhtes Verletzungs- und gar Sterberisiko tragen.

Daten der US-Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA machen nachdenklich: In Fahrzeugen der Modelljahre 1960 bis 2009 lag die Wahrscheinlichkeit für Frauen, bei einem Verkehrsunfall zu sterben, um 18,3 Prozent höher als bei Männern. Immerhin: Betrachtet man Autos der Modelljahre 2010 bis 2020, sinkt der Wert auf 6,3 Prozent. Für die Modelljahre 2015 bis 2020 beziffert die NHTSA den Unterschied nur noch auf 2,9 Prozent. Der "Gender Safety Gap" zuungunsten der Frauen existiert also weiterhin, auch wenn er schmilzt.

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Die Standard-Dummies sind männlich

Das Paradoxon, dass Autos im Laufe der Jahre zwar immer sicherer wurden, aber vor allem Männer von der positiven Entwicklung profitierten, liegt Experten zufolge an der Art der Unfallforschung. Und das nicht zuletzt an den eingesetzten Dummies. Diese ahmten seit ihrer Einführung in den späten Vierzigerjahren vor allem den männlichen Körperbau nach. Mit der Folge, dass Sicherheitssysteme in Autos auf maskuline Staturen optimiert wurden. Der in Europa und den USA eingesetzte Standard-Dummy ist 1,75 Meter groß und wiegt 78 Kilogramm. Zwar werden neben Dummys in Kindergröße auch pseudo-weibliche Crashtest-Puppen eingesetzt (die des ADAC heißen Hybrid Frau 5%). Diese sind aber einfach nur etwas kleiner und leichter als ihre männlichen Pendants.

EVA weiblicher Crashtest Dummy Astrid Linder
VTI
Die Schwedin Astrid Linder hat Eva, den ersten echten weiblichen Crashtest-Dummy, entwickelt.

Astrid Linder widmet ihre Arbeit dem Ziel, dass sich auch die letzten Prozent des "Gender Safety Gaps" in Luft auflösen. Die Schwedin forscht an der Technischen Universität Chalmers in Göteborg sowie für das schwedische Straßen- und Verkehrs-Forschungs-Institut VTI zum Thema Verkehrssicherheit und unterstützt zudem entsprechende Projekte des Autoherstellers Volvo. Linder hat zusammen mit einem Forscher-Team den ersten echten weiblichen Crashtest-Dummy entwickelt: Eva.

Anderer Körperbau, anderer Schwerpunkt

Eva ist 1,62 Meter groß und wiegt 62 Kilogramm. Nicht nur diese Eckdaten sind andere als bei bisher üblichen Dummies. Ihr Körper ist völlig anders geformt und verfügt über einen komplett anderen Schwerpunkt, da beispielsweise Hüften und Becken unterschiedlich ausgeprägt sind. Hinzu kommt ein anderer Torso- und Muskelaufbau. Da die Anordnung der passiven Sicherheitssysteme wie Airbags, Kopfstützen und Gurte, aber auch Sitze und Pedalerie jedoch auf den Durchschnittsmann optimiert ist, sind Frauen im Nachteil, sobald sie sich ins Auto setzen. Und zwar besonders, wenn sie hinter dem Steuer Platz nehmen.

"Es ist vor allem die Nackenmuskulatur, die bei Männern stärker ausgeprägt ist als bei Frauen", erklärt Siegfried Brockmann, Leiter Unfallforschung beim Gesamtverband der Versicherer (GDV), der "Welt". Deshalb sei das Risiko, bei einem Heckaufprall beispielsweise ein Schleudertrauma zu erleiden, für Frauen höher als für Männer. Aber auch Bein-, Arm- und Brustverletzungen treten bei solchen Szenarien laut NHTSA bei Frauen deutlich häufiger auf.

Regeln müssen angepasst werden

Dass mit Eva nun ein echter weiblicher Crashtest-Dummy existiert, heißt aber noch lange nicht, dass er auch eingesetzt wird. Das Zulassungsverfahren in der EU schreibt beispielsweise aktuell explizit vor, die Sicherheitsgurte von Autos am männlichen Durchschnitts-Dummy zu testen. Astrid Linder fordert, dass sich diese Regelung ändert und bald auch Crashtests mit weiblichen Dummies zur Voraussetzung für die Zulassung neuer Automodelle werden. Die Vereinten Nationen überprüfen derzeit, ob sie ihre Vorschriften künftig anpasst.

Wie schnell in Sachen Crashtest-Dummies Gleichberechtigung hergestellt werden kann, dürfte nicht zuletzt eine Kostenfrage sein. Dem ADAC zufolge kostet ein Exemplar des aktuell eingesetzten Standard-Dummys Thor 50% etwa eine Million Euro. Das liegt an der teuren Entwicklung, die einen zweistelligen Millionenbetrag verschlingen kann. Schließlich beherbergt ein moderner Dummy einen eigenen Akku, Speichertechnik und ungefähr 100 hochsensibler Sensoren, die auch regelmäßig kalibriert werden müssen. Allein das kostet jedes Mal 20.000 Euro, sagt der ADAC.

Hinweis: In der Fotoshow zeigen wir Ihnen die Ergebnisse der 2022er-Runde des EuroNCAP-Crashtests.

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Fazit

Blickt man auf die Zahlen, nach denen Frauen bei Autounfällen einem klar höheren Verletzungs- und Sterberisiko ausgesetzt sind, wird klar: Die Autoindustrie ist gefordert, die Sicherheit ihrer Produkte für alle zu verbessern – nicht nur für Männer. Der erste weibliche Crashtest-Dummy ist fraglos ein Schritt in die richtige Richtung, um das "Gender Safety Gap" zu eliminieren. Nun muss jedoch auch die Autoindustrie mitziehen – ob und wie schnell sie das tut, ist aufgrund hoher Kosten fraglich. Umso wichtiger ist es, dass die Vorgaben der Behörden möglichst bald angepasst werden und beim Crashtest endlich Gleichberechtigung herrscht.

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