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Entlastungspaket für Deutschland tritt in Kraft
Wirkt der Tankrabatt - oder nicht?

Die Spitzen der Regierungskoalition aus SPD, Grüne und FDP haben am 24.3.2022 ein weiteres Entlastungspaket im Angesicht der hohen Energie- und Kraftstoffpreise durch den Ukraine-Konflikt beschlossen. Damit sinken die Preise für Benzin und Diesel – theoretisch. Doch kommen die niedrigeren Steuern tatsächlich an der Zapfsäule an?

Tanken Preis Kosten Schwankung Grafik Kurve
Foto: Skitterphoto / Patrick Lang

Große Freude bei Deutschlands Autofahrerinnen und Autofahrern: Nach Inkrafttreten des Entlastungspakets sind die Spritpreise tatsächlich spürbar gefallen und liegen am 1. Juni 2022 tatsächlich flächendeckend unter der Zwei-Euro-Marke. Klar ist aber auch: Noch zum Jahresbeginn 2022 wären die Verbraucherinnen und Verbraucher einen weiten Bogen um Tankstellen gefahren, die solche Werte auf ihren Preistafeln angezeigt hätten. Ist die Sache mit dem Tankrabatt also eine große Augenwischerei? Blickt man genau in die Daten, ist das zumindest nicht ganz abwegig.

Unsere Highlights

Sind die Spritpreise wirklich um die versprochene Differenz niedriger?

Die Energiesteuer (vormals Mineralölsteuer) wird ab heute für drei Monate auf das von der EU erlaubte Minimum abgesenkt. Dadurch sinkt in der Theorie bis Ende August der Spritpreis für Benzin um 30 Cent netto (35,2 Cent bei Berücksichtigung der Mehrwertsteuer) und für Diesel um 14 Cent netto (16,7 Cent inklusive Mehrwertsteuer) pro Liter. Und tatsächlich: Der aktuelle Durchschnittspreis für einen Liter Super E10 beträgt unserem Partnerportal mehr-tanken zufolge deutschlandweit etwa 1,87 Euro (Stand: 01.06.2022, 10:00 Uhr). 24 Stunden zuvor waren es noch rund 2,20 Euro – und damit 33 Cent mehr als nach Inkrafttreten des Tankrabatts. Die Situation bei Diesel: Ungefähr 1,93 statt 2,09 Euro – die Differenz beträgt hier 16 Cent. Auf den ersten Blick sieht es also danach aus, als käme die Steuererleichterung tatsächlich im fast vollen Umfang bei den Autofahrerinnen und Autofahrern an.

Spritkosten mit Tank-Rabatt

E10-Benzin

Diesel

Preis pro Liter (Stand 24.3.)

2,080 Euro

2,173 Euro

Kosten 50-Liter-Tankfüllung (ohne Rabatt)

104,00 Euro

108,65 Euro

Rabatt-Preis pro Liter
(30 Cent Benzin / 14 Cent Diesel)

1,78 Euro

2,033 Euro

Kosten 50-Liter-Tankfüllung (mit Rabatt)

89,00 Euro

101,65

Ersparnis

15 Euro

7 Euro

Liegen die Spritpreise nun niedriger als vor Beginn des Ukraine-Konflikts?

Nein. Wer sein Auto auftanken muss, wird trotz der Steuererleichterungen kaum in Euphorie verfallen. Im historischen Kontext eingeordnet liegen die Spritpreise nach wie vor auf extrem hohem Niveau. Angenommen, der heutige Durchschnittspreis würde bis Ende Juni gelten, würde das bedeuten, dass dies der viertteuerste je statistisch erfasste Monat wäre. Das verdeutlichen Zahlen des ADAC, der die Kraftstoffpreise in Deutschland seit 1950 erfasst. Höhere Sprittarife gab es nur in den vollen Monaten seit Russlands Kriegserklärung gegen die Ukraine am 23. Februar 2022, also März, April und Mai diesen Jahres. Deshalb hält der Automobilclub die Spritpreise – unabhängig vom Tankrabatt – für zu hoch.

Woran liegt das?

Um diese Frage zu beantworten, begibt man sich schnell in den Bereich der Spekulationen und Verdächtigungen. Die Mineralölkonzerne sehen sich derzeit mit dem Vorwurf konfrontiert, ihre Macht zu nutzen, um auch nach den Steuererleichterungen die Preise hochhalten zu können. Der Verdacht: In den letzten Maitagen haben sie die Preisschraube künstlich nach oben gedreht. Falls das stimmt, können sie nun die Steuererleichterungen an ihre Kundinnen und Kunden weitergeben – und dennoch landen die Spritpreise, wie zuvor beschrieben, auf einem höheren Niveau als vor Kriegsbeginn in der Ukraine. Mit diesem Trick würde die Industrie ihren Gewinn auf Kosten der Verbraucher und des Bundes, der freiwillig auf Steuereinnahmen verzichtet, maximieren.

Preisentwicklung Benzin E10
mehr-tanken.de
Preisentwicklung Diesel
mehr-tanken.de

Tatsächlich zeigt die Statistik stark steigende Preise innerhalb der letzten Maiwoche. Unserem Partnerportal mehr-tanken zufolge stieg der Dieselpreis zwischen Donnerstag (28. Mai 2022) und Dienstag (31. Mai 2022) deutschlandweit im Schnitt um 7,5 Cent an (2,166 statt 2,091 Euro; jeweils um sieben Uhr morgens erfasst). Objektive Gründe dafür sind nicht ersichtlich. Waren die extrem hohen Preise in der Anfangszeit des Ukraine-Krieges noch erklärbar, weil als Folge einer zunehmenden Sorge um die Rohstoff-Versorgung die Rohölpreise stark stiegen, ist dies inzwischen nur noch bedingt der Fall. Kostete ein Barrel (159 Liter) Rohöl der für Europa maßgeblichen Sorte UK Brent am 9. März 2022 noch knapp 130 Dollar, waren es am 11. April "nur" noch gut 100 Dollar. Trotzdem sind die Spritpreise in diesem Zeitraum kaum gesunken. Zum Vergleich: Ende Dezember 2021 kostete ein Barrel Rohöl 79 Dollar. Im letzten Monat des vergangenen Jahres lagen die durchschnittlichen Kraftstoffpreise laut ADAC bei 1,605 (Super E10) beziehungsweise 1,519 Euro (Diesel) – und damit im Verhältnis viel niedriger als in den vergangenen Wochen und Monaten. Zwar stieg zum Jahreswechsel auch die CO₂-Steuer für fossile Brennstoffe von 25 auf 30 Euro pro Tonne ausgestoßenen Kohlendioxids. Doch das dürfte einen geringen Effekt auf die Spritpreisentwicklung gehabt haben.

Kann die Politik hier regulierend eingreifen?

Die Ampelregierung kündigte nach dem Beschluss ihres Entlastungspakets kartell- und wettbewerbsrechtliche Maßnahmen an, damit sinkende Rohstoffpreise rascher als bisher an die Endkunden weitergegeben werden. Denn immer wieder lässt sich beobachten, dass sich gesunkene Erdöl-Preise nicht im Kraftstoffpreis widerspiegeln. Das Bundeskartellamt soll, so das Regierungspapier, "in Zukunft seine Analysen nicht nur auf Basis der Daten der Markttransparenzstelle, sondern auch auf Basis von Mengendaten der Mineralölgesellschaften durchführen." Dazu soll ohne Verzögerung das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) angepasst werden. Auch will die Regierungskoalition gemeinsam auf EU-Ebene prüfen, wie man Marktüberwachung und -regulierung stärken kann, "um Fehlentwicklungen und Übertreibungen auf den Energiemärkten entgegenwirken zu können."

Woran liegt es, wenn die Preise noch nicht wie erwartet gefallen sind?

Die Energiesteuer wird bereits an den Raffinerien und Tanklagern erhoben, nicht erst an der Zapfsäule. Sind an Tankstellen also noch die alten, sehr hohen Preise zu sehen, liegt das daran, dass ihre Betreiber noch jenen Sprit abverkaufen müssen, den sie bis Ende Mai zu hohen Steuersätzen eingekauft haben. Hier dürfte es sich in erster Linie um kleinere Ketten oder Einzelkämpfer handeln, die nicht die Marktmacht und Reserven haben, um den selbst teuer eingekauften Kraftstoff mit deutlich geringeren Margen an die Kundinnen und Kunden abgeben zu können. Irgendwann wird sie der Markt jedoch dazu zwingen, trotzdem den Preis zu senken: Nämlich dann, wenn Autofahrerinnen und Autofahrer einfach zur nächsten Tankstelle fahren, an der die Preissenkungen schon umgesetzt wurden – und der Betreiber der Zapfsäulen mit den hohen Preisen seinen Sprit ewig nicht los wird.

Ist es bereits zu den erwarteten Engpässen gekommen?

Bisher gibt es noch keine Berichte über ungewöhnlich lange Schlangen an den Tankstellen. Doch das kann noch kommen. Der ADAC erwartet für die ersten Juni-Tage weiterhin einen Ansturm auf die Zapfsäulen. In den Stoßzeiten könne es zu Schlangen und Wartezeiten an den Tankstellen kommen, heißt es auch München. Sollte sich das bewahrheiten, liegt ein Grund dafür im zuvor beschriebenen Phänomen: Die Reservoire unter den Tankstellen dürften derzeit recht leer sein, da viele Tankstellenbetreiber vermeiden wollten, bis Ende Mai teuren Kraftstoff anzukaufen, den sie ab dem 1. Juni deutlich verbilligt verkaufen müssten. Denn auch sie können ja erst ab diesem Stichtag selbst den geringer besteuerten Sprit an den Raffinerien und Tanklagern einkaufen. Die Mineralölkonzerne beschwichtigen jedoch und sprechen von robusten Lieferketten, aus denen leergelaufene Tankstellen auch kurzfristig beliefert werden könnten.

Lohnt es sich noch, im Ausland zu tanken?

Das kommt natürlich stark darauf an, an der Grenze zu welchem Land man wohnt. In Polen oder Tschechien lässt sich beim Tanken weiterhin Geld sparen. An den Grenzen zu einigen nördlichen, westlichen oder südlichen Nachbarn dürfte sich dagegen der gegenteilige Effekt zeigen. "Mit dem Rabatt ist Tanken in Deutschland nun beträchtlich billiger als zum Beispiel in Dänemark, den Niederlanden, Belgien oder der Schweiz", heißt es beim ADAC. Das könnte den Ansturm auf die Tankstellen in den grenznahen Gebieten Deutschlands sogar noch verstärken, prognostiziert der Automobilclub.

Sollte man die Preissenkung nutzen, um sich sofort mit Sprit einzudecken?

Verbraucherzentralen raten Autofahrerinnen und -fahrern, nach Inkrafttreten des Tankrabatts – wenn möglich – noch ein paar Tage zu warten, bis sie eine Zapfsäule ansteuern. Zudem sind beim Transport von Treibstoff in Kanistern klare Regeln zu beachten. Welche das sind, verrät Ihnen dieser Artikel:

Was ist der Hintergrund für das Entlastungspaket?

"Die Koalition ist der Überzeugung, dass wir die Menschen und die Wirtschaft angesichts dieser enormen Preissteigerungen kurzfristig und befristet schützen müssen", sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zum Entlastungspaket, das die Ampelregierung im Angesicht der hohen Energie- und Kraftstoffpreise durch den Ukraine-Konflikt hastig beschlossen hatte. Grünen-Chefin Ricarda Lang erklärte, mit den Maßnahmen nehme man die Breite der Gesellschaft in den Blick. Es sei aber unklar, was noch komme, wahrscheinlich könne nicht jede Belastung aufgefangen werden. Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil bezeichnete das Entlastungspaket als Beitrag zu sozialem Zusammenhalt und Stabilität in Deutschland: "Diese Regierung stellt das Interesse der Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt".

Welche Regelungen sind noch Bestandteil des Entlastungspakets?

Der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) soll gestärkt werden. Dafür führt die Regierung unter dem Motto "9 für 90" ein 90-Tage-Ticket für monatlich 9 Euro ein. Den Bundesländern werden entsprechende Mittel zur Verfügung gestellt. Alles Wissenswerte zum Neun-Euro-Ticket lesen Sie in diesem Artikel:

Wegen steigender Energie-Preise im laufenden Jahr werden die Bürger einmalig mit einer Energiepreispauschale von 300 Euro entlastet. Dieser Zuschuss zum Gehalt wird allen steuerpflichtigen Erwerbstätigen (Steuerklassen 1 bis 5) zum Gehalt ausgezahlt. Diese Pauschale wird unabhängig von geltenden Regelungen wie Pendlerpauschale, Job-Tickets oder Mobilitätsprämien gewährt, unterliegt aber der Einkommensteuer. Ein Auszahlungstermin steht noch nicht fest.

Was kostet das Entlastungspaket?

Die Kosten für das neue Entlastungspaket könne man noch nicht beziffern, sagte Lindner nach dessen Beschluss. Er rechne mit einer Größenordnung wie beim ersten Entlastungspaket, auf das sich die Ampelkoalition Ende Februar geeinigt hatte. Damals hatte er von einem "deutlich zweistelligen Milliardenbetrag" gesprochen, zuletzt meist von 14 bis 16 Milliarden Euro.

Lindner hatte ursprünglich einen Tankrabatt von bis zu 40 Cent pro Liter vorgeschlagen und hatte damit in der Koalition für heftige Diskussionen gesorgt. Die Grünen sprachen sich in dem Zuge für ein Energiegeld als Pro-Kopf-Pauschale für alle aus. Aus dem Arbeitsministerium von SPD-Vize Hubertus Heil war der Vorschlag eines nach Einkommen gestaffelten befristeten Mobilitätsgeldes in Höhe von bis zu 50 Euro monatlich bekannt geworden.

Übrigens: Sie können auch selbst die Kraftstoffpreise in Zukunft überwachen. Für eine aktuelle Übersicht bietet sich unsere kostenlose Spritpreis-App "Mehr tanken" (Google Play-Store oder Apple App-Store), die die aktuellen Kraftstoffpreise, eine Preis-Prognose und günstige Tankstellen in der Nähe anzeigt, an.

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Fazit

Nach langem Ringen haben sich die Ampel-Regierung sowie der Bundestag und Bundesrat zu einem weiteren Entlastungspaket durchgerungen. Die Pendler bemerken es direkt an der Zapfsäule – wenn auch nur für drei Monate. Durch die Senkung der Energiesteuer sinken die Preise für Benzin um 35,2 Cent und Diesel um 16,7 Cent pro Liter – theoretisch. Dazu gibt es noch ein Sonder-Ticket für den ÖPNV und ein Energiegeld in Höhe von 300 Euro für jeden Arbeitnehmer.

Erste Stichproben zeigen, dass die Entlastung tatsächlich in fast voller Höhe an die Autofahrerinnen und Autofahrer weitergegeben wird. Nun muss sich jedoch zeigen, ob sich ein nachhaltiger Effekt einstellt.

Die aktuelle Ausgabe
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Erscheinungsdatum 26.09.2024

148 Seiten