Kurz vorweg: Dieser Beitrag über die Verbreitung von E-Autos im Privatbestand ist nicht dazu gedacht, die Elektromobilität schlechtzureden oder ihre Bedeutung zu schmälern. Im Gegenteil. Doch er überrascht. Die HUK-Coburg, mit 14 Millionen versicherten Fahrzeugen der größte Autoversicherer in Deutschland, verfügt über einen großen Datenschatz. Die Zahlen aus dem eigenen Kundenstamm plus die Ergebnisse aus repräsentativen Online-Erhebungen unter mehr als 4000 Befragten (YouGov-Panel) fließen vierteljährlich in das HUK-E-Barometer ein.
Diese regelmäßigen Analysen beschäftigen sich mit der Ausbreitung von Elektroautos beziehungsweise dem Umstieg von Verbrennern auf Stromer ausschließlich im Privatbereich – der Marktführer HUK-Coburg versichert keine Fahrzeuge aus dem gewerblichen Sektor. Doch gerade dort findet der Hochlauf der Elektromobilität ganz überwiegend statt.

Private Zulassungszahlen: E-Autos kommen kaum an
Der Trend aus der neuen Barometer-Ausgabe des ersten Quartals 2025 lässt aufhorchen: Während allenthalben in den Medien verkündet wird, dass die Zulassungszahlen von Elektroautos ansteigen, sind im Versicherungsbestand der HUK im Bundesdurchschnitt aktuell nur drei Prozent aller Autos rein elektrische Modelle. Und in nur 4 von 100 Wechselfällen steigen bei der HUK versicherte Privatkunden aktuell von einem Verbrenner auf ein reines E-Auto um. Seit Anfang 2024 bewegt sich diese Umstiegsquote in Richtung Elektromobilität so gut wie nicht mehr. Im entscheidenden Markt der Privatleute, auf die in Deutschland rund 45 Millionen Fahrzeuge entfallen, was etwa 88,3 Prozent am Gesamtbestand entspricht, kommen E-Autos kaum an. "Wir bewerten diese Entwicklung nicht, sondern ermitteln nur den Stand der Dinge", so HUK-Coburg-Sprecherin Eva-Maria Sahm.
Die von der HUK erhobenen Daten konterkarieren jedoch den Eindruck, den die Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) vermitteln: Laut KBA wurden im Juni 2024 exakt 43.412 reine E-Pkw (BEV) neu zugelassen, im Juni dieses Jahres waren es 47.163. Das entspricht einem Anteil der Stromer von 18,4 Prozent.

Regionale Unterschiede
Der Anteil von BEV am Bestand der Privatautos, die bei der HUK versichert sind, ist in Deutschland sehr unterschiedlich verteilt. Am höchsten ist die Quote in den typischen "Autoländern" Bayern (3,6 Prozent), Baden-Württemberg und Niedersachsen (je 3,4 Prozent). In Sachsen und Sachsen-Anhalt beträgt sie dagegen mit je 1,6 Prozent nicht einmal die Hälfte. Die Sympathie fürs Elektroauto zeigt sich entsprechend auf die Bundesländer verteilt: Im ersten Quartal 2025 stiegen in Bayern und Niedersachsen (je 4,7 Prozent) die meisten Privatpersonen von einem Verbrenner- zum E-Antrieb um. In Sachsen waren es auch hier weniger als halb so viele (2,3 Prozent).

Gründe für Reserviertheit
Die Analysten des Marktforschungsunternehmens Dataforce interpretieren die Zahlen etwas anders. So seien die Zulassungen von Elektrofahrzeugen 2025 in allen Marktsegmenten im Wachsen, auch bei Privatkunden. Tatsächlich sei jedoch der Anstieg bei gewerblichen Käufern höher, bei Privatpersonen seien Elektroautos im Vergleich zu allen Antriebsarten unterrepräsentiert.
Benjamin Kibies, Automotive Analyst bei Dataforce, nennt einige Gründe für die stärkere Nachfrage von Gewerbekunden: "Privatkäufer warten weiter ab, weil sie noch immer auf eine Kaufprämie für E-Autos hoffen. Und die von Privatkunden bevorzugten günstigeren E-Fahrzeuge sind nach wie vor mit mehr Einschränkungen bei Reichweite und Ladegeschwindigkeit verbunden." Hinzu kämen die finanziellen Vorteile für Firmenwagenfahrer beim geldwerten Vorteil, der 0,25-Prozent-Regel.
Die Tendenz, eher zu einem Gebrauchtwagen zu greifen, so Kibies, sei ein allgemeiner Trend im Privatmarkt und gelte auch für Verbrenner. Laut den aktuellen Bestandszahlen haben nur 19,2 Prozent der privaten Fahrzeughalter ihr Fahrzeug neu gekauft. Die (gestrichene) Förderung hat auch der Verband der Automobilindustrie (VDA) als Hemmschuh identifiziert: "Die schwache Nachfrage bei E-Autos in Deutschland im vergangenen Jahr hatte neben der Kaufzurückhaltung aufgrund der schwierigen konjunkturellen Lage auch eine Ursache im abrupten Ende des Umweltbonus Ende 2023. Die wenig stringente Förderpolitik war ein folgenreicher Fehler, der die Verbraucher verunsichert hat und in dessen Folge der Markt eingebrochen war", so eine VDA-Sprecherin.
Förderung von Gebrauchten wichtig
Das HUK-E-Barometer zeige auch: Dem Gebrauchtmarkt komme beim E-Hochlauf in Deutschland eine wichtige Rolle zu. "So sind Dienstwagen ein wichtiger Treiber für die E-Mobilität in Deutschland. Durch sie wird der Gebrauchtwagenmarkt für vollelektrische Pkw gestärkt, weil Firmenwagen nach Ablauf der Leasingzeit zu einem günstigen Preis als Gebrauchtwagen zur Verfügung stehen." Die im Koalitionsvertrag vorgesehenen Maßnahmen zur verstärkten Förderung von Elektrofahrzeugen im Rahmen der Dienstwagenbesteuerung bewerte der VDA daher als positiv, da sie wertvolle Impulse für den Hochlauf der E-Mobilität leisteten. Solche steuerlichen Anreize seien auch zielführender als Kaufprämien.

Die HUK-Coburg hat aufgrund der Datenlage folgenden Vorschlag: Die Förderung von E-Autos sollte auf den nachgewiesenen Umstieg von Verbrenner auf Elektro konzentriert werden und nicht auf Neuzulassungen. Anschaffungen von Gebrauchtwagen bewegten den Automarkt weit stärker als Neuzulassungen und seien um ein Vielfaches relevanter für das Klima. Eine entsprechende Umstellung der staatlichen Förderung, die auch E-Gebrauchtwagen mit einschließt, würde eine viel stärkere Wirkung entfalten, und das für alle Einkommensschichten. Auch Multiplikatoreffekte seien nicht zu unterschätzen: "Wer erst einmal ein E-Auto selbst gesteuert hat, steht der neuen Technik und Anschaffung eines E-Autos viel positiver gegenüber", so die HUK-Coburg.

Interesse an weiteren Mobilitätsthemen aus der Versicherungsbranche? HUK-Coburg-Vorstand Jörg Rheinländer wirkt beim Kongress von auto motor und sport am 14. Oktober im Mercedes-Museum in Stuttgart als Speaker am Programm mit.
