Dodge hat sich in den vergangenen Jahren zu Muscle-Car-Marke des inzwischen vom neuen Stellantis-Konzern abgelösten FCA-Marken-Universums entwickelt. Das wird der Hersteller auch bleiben, wenn man den Aussagen glauben darf, die Dodge-Chef Tim Kuniskis in jüngerer Vergangenheit getätigt hat. Kuniskis prognostiziert ein neues goldenes Zeitalter der Muscle Cars, in dem die Marke Dodge eine große Rolle spielen wird – nur auf eine andere Weise als bisher.
Für den CEO steht eines fest: Der legendäre, seit 2014 angebotene Hellcat-V8 spielt in Zukunft keine Rolle mehr. "Die Tage des 6,2-Liter-V8 mit Eisen-Block und Kompressor-Aufladung sind gezählt", sagte Kuniskis bereits 2020. Das liege jedoch nicht an mangelndem Kundeninteresse. Im Gegenteil: Mit den Verkaufszahlen war er stets zufrieden. Selbst während der Corona-Pandemie schrieb der Hersteller weiter schwarze Zahlen, weil die treue Fangemeinde unverdrossen die oft hubraum- und leistungsstarken, aber halbleiterarmen Dodge-Modelle kaufte.
Wie zur Ölkrise in den 70ern
Der Hellcat-Motor, der auch in den Performance-Modellen der Schwestermarken Jeep und Ram zum Einsatz kommt, werde deshalb verschwinden, weil es für Autohersteller immer teurer wird, solche Triebwerke an die strengen Abgasvorschriften anzupassen. Es sei wie in den frühen Siebzigerjahren, als genau solche Regelverschärfungen aufgrund der damaligen Ölkrise zum Ende der ersten goldenen Muscle-Car-Ära geführt hätten.
Doch wenn die Schlüssel zum neuen goldenen Muscle-Car-Zeitalter nicht mehr Hubraum, Aufladung und hochoktaniger Kraftstoff sind, dann liegt auf der Hand, in welche Richtung auch Dodge marschieren wird: Durch die Elektrifizierung ergeben sich Kuniskis zufolge neue Möglichkeiten in Sachen "Performance 2.0" – die Leistung sei schließlich auch künftig nicht gedeckelt. Er setzt darauf, dass die Technologien günstiger werden, sobald Hybrid- und Elektroautos zu Massenphänomenen geworden sind. "Die Verrückten werden die Elektrifizierung dann leistungsbasiert einsetzen, statt die Autos sparsam zu machen", sagt der Dodge-Chef, der sich selbst und seine Marke offensichtlich in diese Kategorie einordnet.
Erst Hoffnung, dann Ernüchterung
Dodge bietet aktuell fünf Baureihen an: den bald auslaufenden Minivan Grand Caravan, die SUV Journey und Durango, die Stufenheck-Limousine Charger und das zweitürige Coupé Challenger. Während der Durango nur im Verlauf des Modelljahres 2021 mit dem Hellcat-V8 erhältlich war, sind die beiden Letztgenannten die Stamm-Modelle, denen der 6,2-Liter-V8 auf Wunsch in den Bug implantiert wird. Allerdings nicht mehr lange. Im Gespräch mit der US-Website "Motor Authority" kündigte Kuniskis am Rande der L.A. Auto Show ein baldiges Ende des Antriebs an – nämlich für das Jahresende 2023: "Es gibt noch zwei Jahre, um einen Hellcat zu kaufen, dann ist er Geschichte", sagt der Dodge-Chef unmissverständlich.
Die Aussage ist ein herber Dämpfer für die Fans der Marke, denn noch im vergangenen Sommer machte ihnen Kuniskis Hoffnung auf eine abermals verlängerte Karriere der Hellcat-Modelle: "Die neue Plattform kommt im Jahr 2024, das neue Auto kommt im Jahr 2024", sagte Kuniskis der Fach-Website "musclecarsandtrucks.com" im August 2021. "Wir haben aber nicht gesagt, dass die aktuellen Autos 2024 aussterben werden." Das hat das Dodge-Management nun also mit dreimonatiger Verspätung nachgeholt.
Wechsel auf den STLA-Large-Baukasten
Im gesamten Dodge-Portfolio fehlen bisher Hybrid- oder gar vollelektrisch angetriebene Alternativen. Das wird sich ändern, und hier spielt der Wechsel zum neuen Riesen-Konzern Stellantis eine große Rolle. Mit der "neuen Plattform" meint Kuniskis den STLA-Large-Baukasten, der wie die anderen STLA-Ableger auch Hybrid- sowie reine Elektro-Antriebe aufnehmen kann und für Modelle wie den Charger und Challenger infrage kommt.
Das "neue Auto" kündigte die Marke Anfang Juli 2021 in einem Teaser-Video an. Viel ist darin nicht zu sehen. Was zu erkennen ist, gibt Hinweise auf ein allradgetriebenes Elektro-Muscle-Car im Retro-Look der Sechziger- und Siebzigerjahre. Dieses soll im ersten Quartal des kommenden Jahres debütieren und laut Kuniskis überragende Leistungswerte und Fahrleistungen aufweisen. Im weiteren Jahresverlauf soll zudem ein komplett neues Modell mit Plug-in-Hybrid-Antrieb vorgestellt werden. Ebenfalls 2022 kommt sogar noch ein drittes Modell, das Kuniskis gegenüber "Motor Authority" jedoch nicht näher spezifizieren wollte.
Auch M, RS und AMG leben elektrifiziert weiter
Stellantis hat bereits begonnen, sein Vielmarken-Reich neu zu ordnen – mit ersten Konsequenzen auf amerikanischer Seite. Denn die Performance-Marke SRT (das steht als Abkürzung für "Street and Racing Technology") hat nun kein Entwicklungs-Team mehr. Wie ein Stellantis-Sprecher mehreren US-Fachmedien bestätigte, seien die Ingenieure in die globale Entwicklungs-Organisation des Konzerns abkommandiert worden. Trotzdem können Fans amerikanischer Muscle-Car-Power vorerst aufatmen: SRT wird als Marke weiterbestehen, das bestätigte Stellantis in einer Mitteilung. Das Kürzel soll also auch künftig die besonders leistungsstarken Modelle der amerikanischen Stellantis-Marken schmücken, die es weiterhin geben wird. Eigene SRT-Modelle hatte es bisher sowieso nicht gegeben.
Trotz des globalen Schwenks hin zur Elektromobilität halten viele Autohersteller an ihren Performance-Marken fest – auch die deutschen. Markus Flasch, Chef der BMW M GmbH, hat bereits bestätigt, dass es eine M-Version des neuen i4 geben wird. Audi verpasst der stärkeren Version des neuen E-Tron GT Quattro das RS-Signet, während der schnellste Porsche Taycan bekanntermaßen als Turbo S den Asphalt aufreißt. Zudem ist längst klar, dass auch die AMG-Zukunft zu immer größeren Teilen elektrifiziert sein wird.
Gibt es einen Run auf die letzten Muscle-Car-Dinos?
Bis die alten Rivalitäten in Zukunft mithilfe von Volt statt Oktan ausgelebt werden, spielen für eine Übergangszeit aber weiterhin dicke V8-Motoren die Hauptrolle. Kuniskis erwartet vor deren Einstellung sogar einen regelrechten Absatz-Boost für die Muscle-Car-Dinos. Dieser könne kommen, je näher das Ende der Verbrenner-Modelle rückt, sagt der Dodge-CEO. So sei es damals auch bei der Viper gewesen: "Als wir die Einstellung der Viper ankündigten und gleichzeitig das Topmodell ACR vorstellten, gab es darauf einen regelrechten Run. Und das, obwohl es die teuerste Viper aller bisheriger Zeiten war", so der Manager bei "musclecarsandtrucks.com".
Fazit
Es ist klar: Großvolumige reine Verbrenner-Antriebe haben nicht nur in Europa, sondern auch in den USA keine rosige Zukunft mehr. Doch genau darauf ist das Image von Dodge derzeit ausgerichtet. Also muss Markenchef Tim Kuniskis rechtzeitig gegensteuern, um sowohl die Fangemeinde des Herstellers als auch das Stellantis-Management davon zu überzeugen, dass sich dieses Image auch an eine weitgehend elektrifizierte Zukunft adaptieren lässt. Das Sub-Label SRT ist weiterhin ein Teil davon, wenn auch künftig in anders organisierter Form als bisher.