Dacia-Chef verspricht: Billig-E-Auto aus Europa kommt

Dacia-Chef Denis Le Vot im Interview
Billig-E-Auto aus Europa kommt

Veröffentlicht am 28.03.2025
Denis Le Vot
Foto: Dacia
Sie sind zum CEO des Jahres gekürt worden, der Fahrzeugabsatz steigt, die Restwerte von Dacia-Modellen zählen zu den höchsten der Branche. Haben Sie noch Herausforderungen?

Oh ja, wir haben noch eine Menge Arbeit vor uns. Aktuell schließen wir ein Kapitel ab. Vor vier Jahren haben wir mit der Studie zum Bigster gezeigt, wo wir hinwollen, jetzt kommt das Auto auf die Straßen und wir hoffen, dass er ein Erfolg wird. Im November verkünden wir dann unseren nächsten Plan, in dessen Zentrum bezahlbare Elektromobilität steht. Da sprechen wir über einen Zeitraum von jetzt bis 2030. Das Einzige, was wir dazu heute schon sagen können, ist, dass wir ein E-Fahrzeug für rund 18.000 Euro in Europa bauen werden. Doch das wird bei Weitem nicht alles sein. Allerdings kann ich noch nicht mehr verraten.

Nun ist Dacia nicht einzige Hersteller, der aktuell etwas zum Thema "bezahlbare E-Mobilität für alle" verkündet. Doch, wenn wir uns beispielsweise den Spring ansehen, dann ist das ein Fahrzeug mit einem sehr eingeschränkten Nutzwert, der rund 5.000 Euro teurer als der billigste Sandero ist. Der wiederum kann aber so ziemlich alles im Gegensatz zum Spring. Und der ist somit dann wieder ganz schön teuer, oder?

Oh, das ist aber sehr philosophisch. Wann also kommt ein E-Auto, das so viel kostet, wie ein Verbrenner und genauso autonom ist? Das ist schwierig zu beantworten. Man muss aber in Betracht ziehen, dass unsere Spring-Kunden durchschnittlich nur 37 Kilometer am Tag fahren. Sie brauchen also pro Woche nur etwa die halbe Akkukapazität. Aber ja, ich gebe Ihnen Recht: Wenn Sie das Auto mit den geringsten Kosten pro Kilometer suchen, dann ist das klar der Sandero. Der ist auch unser Bestseller.

Kann der Sandero mit Verbrennungsmotor angesichts schärferer Emissionsnormen weiterhin so günstig bleiben?

Unglücklicherweise steigen natürlich auch bei Dacia aufgrund der höheren Rohstoffkosten die Preise. Schließlich fertigen wir unsere Fahrzeuge aus ordentlichen Materialien. Also wird auch die Anpassung auf EU7 höchstwahrscheinlich zu höheren Kosten und damit Preisen führen. Im Vergleich zu anderen Herstellern bauen wir aufgrund der Strategie mit eher kleinen Architekturen und wenig Ausstattung recht leichte Fahrzeuge. Das wiederum erlaubt uns, kleinere Motoren einzusetzen. So können wir beim Preis unsere grundsätzliche Positionierung halten. Nehmen Sie den Bigster, der wiegt rund 150 Kilogramm weniger als andere Fahrzeuge in dieser Klasse. Deshalb brauchen wir da auch keinen Antrieb mit 200 PS, es reichen 155.

Aber spätestens mit dem Bigster lassen Sie die bisherige Kundschaft, für die Dacia der erste Neuwagen überhaupt war, hinter sich, oder?

Nein, diese Kunden bedienen wir weiterhin. Für uns ist vor allem wichtig, dass 80 Prozent der Dacia-Käufer Privatkunden sind. Und die sind sehr loyal, fahren ihr Auto auch sehr lange. Vor acht Jahren haben wir rund 300.000 Autos verkauft. Etwa 70 Prozent dieser Kunden sind uns treu geblieben. Von den restlichen 30 Prozent ist gut die Hälfte auf einen Renault umgestiegen, was ja auch nicht schlecht ist. Also: 70 Prozent der Kunden von damals macht also etwa 200.000 Autos. Im vergangenen Jahr haben wir haben 700.000 Autos verkauft. Die Mehrheit der Kunden kommt also von anderen Marken. Das macht uns stolz. Der Bigster knüpft genau da an. Nach unseren Beobachtungen lag der durchschnittliche Verkaufspreis in diesem Segment im Jahr 2019 bei knapp unter 30.000 Euro. Heute sind wir bei rund 38.000 Euro. Der Bigster startet bei unter 24.000 Euro.

Andererseits könnte es ja sein, dass Sie mit dem Bigster Begehrlichkeiten bei einer Käuferschicht wecken, denen das Auto sehr gefällt, die aber dennoch gerne etwas mehr Leistung und Ausstattung hätten. Würden Sie darauf eingehen?

Sag niemals nie. Das Segment umfasst etwa drei Millionen Einheiten. Wir waren dort noch nie vertreten. Also positionieren wir uns zunächst einmal genau in der Mitte: Nicht der Stärkste, nicht der Luxuriöseste, aber alles drin, was man braucht. Also haben wir speziell in Deutschland mit 400 Leuten gesprochen, die einen SUV aus dem C-Segment fahren, um herauszufinden, was ihnen wichtig ist. Denn was auf keinen Fall passieren darf, ist, dass ein Interessent, der sich in den Bigster setzt, einen Rückschritt zu seinem bisherigen Fahrzeug empfindet. Für Dacia ist beispielsweise ein elektrisch verstellbarer Sitz und eine Zwei-Zonen-Klimaautomatik etwas Neues. Aber es reicht den meisten Kunden, zumindest haben sie uns das so zurückgespielt, dass nur der Fahrersitz und auch nur die Höhen- und Lehnenverstellung elektrisch funktioniert. Im Prinzip ist also der Bigster so etwas wie der Logan seiner Klasse.

…der sich aber eben nicht an jene Autofahrer richtet, für die Dacia der erste erreichbare Neuwagen in ihrem Leben darstellt, richtig?

Ich bin sicher, dass wir weiterhin für diese Klientel interessante Angebote machen können. Doch ich hatte ja bereits dargelegt, dass das größere Potenzial für die Marke bei jenen Autofahrern liegt, die sich von ihrer bisherigen Marke keinen Neuwagen mehr leisten können. Denn die kaufen bei uns dann meist ein Auto in Vollausstattung. Über unser gesamtes Angebot betrachtet, verkaufen wir zu rund 70 Prozent die jeweils höchste Ausstattungslinie. Die restlichen 30 Prozent entfallen auf die Basis-Version, in der Mitte praktisch nichts. Das ist also sehr schwarz-weiß.

Wie weit können und dürfen Sie die Marke überhaupt noch höher positionieren?

Primär ist das eine Frage der Plattform. Hier muss die Investition möglichst gering sein. Sie wissen ja, dass der Jogger bis zur B-Säule dem Sandero entspricht. Antrieb, E/E-Architektur. Instrumententafel – das ist alles identisch. Wir nutzen also Komponenten, die bereits von der Renault-Gruppe entwickelt wurden, nutzen sie effizient. Beispielsweise verfügen alle unsere Modelle über das identische Lenkrad. Ebenso die E/E-Architektur. Und das Ganze wird in zwei Werken produziert, die im Drei-Schicht-Betrieb rund um die Uhr laufen. Dieses Konzept schließt klar ein Modell aus, das auf einer eigenen Architektur basiert und womöglich nur in geringen Stückzahlen gebaut werden kann. Sehen Sie, wir haben überlegt, den Bigster als Siebensitzer zu bauen. Warum kommt der nicht? Zum einen sind wir damit nicht mehr in der goldenen Mitte des Segments. Und dann hätten die zusätzlichen Sitze die Beinfreiheit in der zweiten Reihe reduziert, zusätzliches Gewicht ins Auto gebracht und eine neue Hinterachse erfordert.

Aber in welche Richtung entwickelt sich die Marke dann in der nächsten Phase?

Natürlich machen wir mehr, doch der Fokus liegt dabei klar auf der Elektrifizierung – und es wird mehr Fahrzeuge im C-Segment geben.

Der Bigster markiert also so wie er ist das obere Ende?

Nein, da ist schon noch mehr möglich. Nur haben wir aktuell noch keine konkreten Pläne. Jetzt wollen wir erst einmal sehen, wie der Bigster ankommt. Immerhin haben wir schon 10.000 verkauft, ohne dass welche bei den Händlern stehen. Alleine in Deutschland rund 1.500. Nicht schlecht, oder? Aber dann, nun, wir haben ja alles im Konzern. Einen Hybrid-Antrieb mit 200 PS zum Beispiel. Der würde auch in den Bigster passen.

Vita Denis Le Vot

Denis Le Vot wurde 1965 in Frankreich geboren. Er kam 1990 zu Renault und bekleidete dort verschiedene Positionen im Bereich Sales & Marketing. 2016 wird er Mitglied des Verwaltungsrats von AVTOVAZ. 2018 übernimmt Denis Le Vot die Funktion des Senior Vice President und Vorsitzenden des Management Committee von Nissan Nordamerika. 2019 wechselt er zurück nach Frankreich in den Bereich Leichte Nutzfahrzeuge und übernimmt die Position Executive Vice-President Regions, Sales and Marketing und wird Mitglied des Group Executive Committee (CEG). Seit 1. Januar 2021 führt er die Geschäfte von Dacia.