Changan-Designchef Klaus Zyciora: Zugang zu Mobilität bezahlbar machen

Changan-Designchef Klaus Zyciora im Interview
Zugang zu Mobilität bezahlbar machen

Zuletzt aktualisiert am 26.03.2025
Wie fühlt es sich an, wenn man als deutscher Designer nach China kommt und für ein chinesisches Unternehmen arbeitet?

Wunderbar. Es sind spannende Zeiten, ein tolles Unternehmen mit großartigen Autos. Ich darf und kann sehr kreativ sein mit einem super Team. Und was kann sich ein Designer mehr wünschen, als Produkte zu entwickeln und zu gestalten und seinen Traum zu leben?

Wie unterscheidet sich der Umgang, besonders in der Kommunikation?

Changan kommuniziert schnell und effektiv. Ich glaube, das kann man für China insgesamt sagen, dass alles App basiert ist, alles direkt und unheimlich schnell abläuft, Entwicklungszeiträume sehr schnell sind und der Innovationsgeist quasi aus jeder Pore quillt. Das ist auch eine Herausforderung. Man muss erst mal auf die Geschwindigkeit kommen, aber mir macht das wahnsinnig viel Spaß und ich genieße es sehr.

Wie würden Sie als Autodesigner Changan beschreiben? Für was steht die Marke?

Für mich ist das ein extrem auf Innovationen ausgerichteter Tech-Konzern. Wir sind in jedem Feld der Mobilität unterwegs, auch der Robotik. Die Generation der Ingenieure in China ist sehr jung, sehr schnell und extrem digital. Changan ist eine Marke, die den Zugang zu Mobilität bezahlbar gestalten möchte. Diese Kernziele, die der Konzern sich auf die Fahnen geschrieben hat, vereinbaren sich auch sehr gut mit meinen Zielen und ich leiste meinen Beitrag, wo ich kann. Changan hat mehrere Marken, die faszinierend sind, darunter einige sehr junge, wie Deepal. Diese Marke ist sehr frisch und modern und wird in der nächsten Zeit auch ausgesprochen aktiv sein, um noch mehr Kunden für sich zu gewinnen.

Wie richten Sie sich auf Europa aus?

Wir sind ja schon seit über 20 Jahren in Europa unterwegs. Wir haben ein Design Center in Turin, in dem aktuell über 300 Kreative aus über 31 Ländern tätig sind. Wir erweitern gerade auf eine Kapazität von 500 Mitarbeitern. Wir haben also eine lange Historie bei der internationalen Zusammenarbeit, die quasi Designphilosophie aus dem Westen mit Designphilosophie aus dem Osten vereint. Und gerade diese Mischung ist wahnsinnig interessant – da brennt das kreative Feuer. Diese Verbindung zwischen Europa und China ist strategisch äußerst wichtig und ist eben auch einer der Grundsteine des Erfolgs von Changan. Wir glauben auch fest daran, dass exzellentes Design einen großen Unterschied macht in der Beziehung zum Kunden. Da wir ja insgesamt in einer sehr kompetitiven Zeit leben, spielt Design eine große Rolle in der Kundenentscheidung für eine Marke und für ein Produkt.

Für was stehen die einzelnen Marken von Changan?

Hier würde ich zunächst einmal Deepal als erste Marke für Europa hervorheben. Deepal ist unsere Marke für junge Kunden, die sehr technologieaffin sind und besonders auf ein differenziertes Design aus sind. Die suchen ein Lifestyle-Statement. Und diese Markenpositionierung ist der Grundstein für unsere Philosophie. Wir sind innovativ, teilweise auch provokativ in der Formgebung. Wir haben vier Produkte: Der Offroader Deepal G318, die sportliche Limousine SL03 und die zwei SUV S05 und den S07, die beide nach Europa kommen werden.

Was ist ein stilistisches Kernelement von Deepal?

Deepal hat eine sehr klare Lichtsignatur, wir nennen das Tri-Polar-Eye. Das ist etwas, was in der Wahrnehmung der Kunden viel positive Konnotation erzeugt hat. Es sind drei Lichtbalken, die aufeinander weisen, die dann in Variation in den verschiedenen Fahrzeugen zu sehen sind. Auch in unserem neuesten Flaggschiff, das aber vorerst nur in China angeboten wird: ein SUV mit bis zu sechs Sitzen, der über fünf Meter lang ist. In China gibt es unheimlich viel Bedarf, mit der Familie über lange Strecken unterwegs zu sein und das auch besonders luxuriös zu gestalten. Ein weiteres Merkmal aller Deepal Fahrzeuge ist die sehr stark nach vorne geneigte Front, die dem Design genügend Charakter gibt, aggressiv und dominant wirkt. Das spricht halt auch chinesische Kunden sehr stark an. Die Lichtsignaturen am Heck sind auch in der Tri-Polar-Philosophie gestaltet. Es zieht sich wie ein roter Faden durch die verschiedenen Fahrzeuge.

Und die Rolle des Interieurs?

Qualitätsanmutungen, Digitalität und komfortable Ausstattungsmerkmale sind extrem wichtig. Sitzkomfort spielt eine große Rolle, die Materialanmutung muss sehr hochwertig sein. Das werden Sie auch erleben, wenn Sie das erste Mal mit dem S07 oder S05 unterwegs sind: Die Fahrzeuge sind durch exzellentes Handwerk geprägt. Die Sprachkommunikation basiert auf künstlicher Intelligenz. Chinesen reden sehr viel mit ihrem Fahrzeug, die Hände bleiben am Lenkrad und man spricht direkt mit dem Fahrzeug.

Wie wollen Sie Changan in die Lebenswelt der Europäer einordnen?

Bei Deepal sprechen wir über einen Kundenkreis, der jung ist oder jung geblieben ist. Und ich glaube, dass diese Philosophie, der muskulöse, athletische Auftritt, die Designsprache bei Kunden in Europa auch ankommen wird und goutiert werden wird. Aber es wird natürlich Zeit brauchen, bis Menschen sich in größerer Zahl darauf einlassen. Deepal ist gerade mal zwei Jahre alt, hat aber schon ein hohes Verkaufs-Volumen erzielt und ist dabei, die Weltbühne zu betreten.

Spielen Sie im Design bewusst mit der chinesischen Tradition oder möchten Sie lieber Autos haben, die europäischer ausgelegt sind?

Das werden wir sehen, je nachdem wie wir in Europa Fuß fassen und wie erfolgreich wir sind. Dementsprechend werden wir unsere Strategien entsprechend anpassen und Entscheidungen treffen, die uns erfolgreich machen. Dafür setze ich mich ein, dafür arbeiten wir. Aber wir sind natürlich ein chinesisches Unternehmen und wir haben einen globalen Approach, Deepal soll eine globale Marke werden, genauso wie die anderen Changan-Marken. Das heißt auch, es ist auf einen globalen Auftritt ausgelegt. Wir nehmen jeden Input auf. Es geht aber auch darum, die Marke so zu kuratieren, dass sie nicht nur einer spezifischen Population gefällt.

Unterscheidet sich die Entwicklungsarbeit im Design überhaupt von europäischen oder auch amerikanischen Unternehmen? Ist es schneller, ist es anders, gibt es andere Werkzeuge?

Die Werkzeuge sind unter dem Strich letztlich die gleichen. Es ist immer der Stift, es ist immer das Blatt Papier, es ist immer die Kreation von Menschen, die einer Marke Ausdruck gibt. Also der Beginn, der Ursprung ist immer der gleiche. Und natürlich haben wir auch Clay-Modelle und Hartmodelle, die dann begehbar sind und dem Kunden und uns einen sehr realistischen Eindruck geben von dem, was dann als Endprodukt auf die Straße kommt. Der größte Unterschied ist der Geschwindigkeit geschuldet, da die Entwicklungszeiträume viel kürzer sind. In der Industrie generell, ohne jetzt auf irgendeine bestimmte Marke abzuheben, sehen wir üblicherweise Entwicklungszyklen von 48 Monaten. Bei Changan sind es im Durchschnitt 24 Monate, wenn es mal schnell gehen soll, 16.

Beschäftigen sie sich auch mit dem vollautomatisierten Fahren?

Selbstverständlich. Wir haben da schon große Schritte gemacht und alle Fahrzeuge, die in der nächsten Zeit auf den Markt kommen oder schon auf dem Markt sind, sind teilautonom unterwegs. Und das Ziel, vollautonom zu fahren, ist natürlich gesetzt und wir streben an, das möglichst schnell in Serie zu bringen. Also das vollautonome Fahren, Level vier, Level fünf.

Wir haben schon viele Produkte im Markt, die auf Autobahnfahrten schon genau das tun oder auch in Stadtszenarios in der Lage sind, das zu machen. Sowohl bei unserer luxuriösen Elektroauto-Marke Avatr als auch bei Changan.

Über alle drei Marken oder bleibt da Avatr der Vorreiter?

Avatr ist sicherlich die Speerspitze, da die Marke auch eher luxuriös positioniert ist. Avatar ist ja eine Kooperation mit CATL und Huawei. In Europa kommt der Software-Stack allerdings von Changan.

Haben Sie selbst Ihren Lebensschwerpunkt jetzt in China?

Ich habe die große Ehre und das große Vergnügen, einen Großteil meiner Zeit in China zu verbringen. Meine Tätigkeiten lassen es gerade nicht zu, mehr Zeit im durchaus auch schönen Turin zu verbringen. Da bin ich zwar ein paar Wochen im Jahr, aber der Schwerpunkt der Tätigkeit und mein Lebensmittelpunkt ist im Moment in China, in der wunderbaren Stadt Chongqing mit 42 Millionen Einwohnern. Für mich ist das auch eine Krönung meiner Karriere, jetzt noch mal in so kurzer Zeit in extrem viele Projekte und beim Markenaufbau involviert zu sein und dann noch mal richtig Impulse geben zu dürfen zur Markenbildung, zur Differenzierung zu "wie kreiere ich eine Marke und wie schaffe ich es, Fahrzeuge zu gestalten, die Menschen weltweit faszinieren". Da darf ich mich einbringen und es ist eine große Ehre und macht viel Spaß.

Wie wichtig ist dort die Elektromobilität?

EV spielen eine große Rolle. In Chongqing, dem Hauptsitz von Changan mit vielen unserer Fabriken, ist die EV-Adoptionsrate extrem hoch, was dazu führt, dass Verkehrslärm in so einer Gigametropole kein Thema ist. Mobilität entwickelt sich radikal in eine neue Richtung und China ist da viel weiter und konsequenter. Auch die Modelle mit Range Extender, die sich in China für bestimmte Fahrzeugkategorien großer Beliebtheit erfreuen, sind wahre Effizienzwunder.

Vita Klaus Zyciora

Klaus Zyciora (ehemals Bischoff) ist ein in Hamburg geborener Diplom-Designer, der seine Karriere 1989 bei VW begann. Sein erstes großes Projekt als Autodesigner, der an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig studiert hat, war die Mitarbeit am Interieur des Golf IV. 2007 bis 2020 verantwortete Zyciora als Executive Direktor von VW Design ein Team von über 600 Designern. 2020 bis Ende 2022 war er Leiter Konzern Design, also weltweit für alle 11 Marken verantwortlich. Seit Oktober 2023 ist er Vice President der Chongqing Changan Automobile Company und auch hier für das globale Design der Gruppe verantwortlich.