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Cannabis im Straßenverkehr
Ab heute drohen fette Bußgelder

Die von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vorangetriebene Cannabis-Legalisierung ist seit dem 1. April in Kraft. Der Bundestag hat inzwischen THC-Grenzwerte im Straßenverkehr beschlossen. Auch wurden Verbesserungswünsche der Bundesländer umgesetzt. Dazu gibt es auch die ersten Bußgelder. Was Autofahrer nun wissen müssen.

Cannabis und Autofahren THC Joint
Foto: GregorBister via Getty Images

Der Gesetzentwurf wurde bereits Ende Februar von der Ampel-Koalition mit 407 Ja-Stimmen – bei 226 Nein-Stimmen und vier Enthaltungen – angenommen. Der Bundesrat entschied sich gegen die Anrufung des Vermittlungsausschusses und billigte damit das bis zuletzt umstrittene Cannabis-Gesetz. Final durchgewunken hat der Bundesrat die vom Bundestag beschlossenen neuen Bestimmungen und Bußgelder für Cannabis am Steuer in seiner Sitzung am 5.7.2024.

Rücksicht hat Vorfahrt

Klarer Grenzwert für Cannabis

Das Verbot von Autofahren nach Cannabis-Konsum ist in § 24 a Straßenverkehrsgesetz geregelt, Cannabis ist in der Anlage zu dem Gesetz ausdrücklich genannt. Seit Juni gibt es auch einen eindeutigen Grenzwert: Der Bundestag verabschiedete damals den Vorschlag von 3,5 Nanogramm Tetrahydrocannabinol (THC) pro Milliliter Blutserum (ng/ml). Er wurde von der Ampelkoalition im "Sechsten Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften" verankert und basiert auf der Empfehlung einer Expertengruppe, die vom Bundesverkehrsministerium eingesetzt wurde. Der Grenzwert ist vergleichbar mit 0,2 Promille Alkohol. Damit liegt der Grenzwert deutlich unter der Schwelle von sieben Nanogramm, ab der eine Risikoerhöhung beginnt. Messfehler sind bereits eingerechnet.

Anders sieht es bei Fahranfängern und jungen Fahrern vor Vollendung des 21. Lebensjahres aus: Genau wie bei Alkohol gilt in der zweijährigen Führerschein-Probezeit und für unter 21-Jährige gilt ein absolutes Cannabis-Verbot.

Diese Geldstrafen und Fahrverbote drohen

Gleichzeitig werden im Bußgeldkatalog entsprechende Geldstrafen verankert, die ab Donnerstag (22. August 2024) gelten. Wer über dem Limit von 3,5 ng THC pro Milliliter Blut liegt, zahlt 500 Euro und wird mit einem einmonatigen Fahrverbot belegt. Ist gleichzeitig Alkohol im Spiel, erhöht sich das Bußgeld auf 1.000 Euro. Fahranfänger zahlen 250 Euro, sollten ihnen mehr THC im Blut nachgewiesen werden als erlaubt.

Das ist bisher der strafbare THC-Grenzwert

Bislang ergab sich der Grenzwert aus der regelmäßigen Rechtsprechung: Ab 1,0 ng/ml beging der Fahrer eine Ordnungswidrigkeit – nur der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte zuvor mit zwei Nanogramm eine doppelt so hohe Grenze akzeptiert. Welche Menge das beim Konsum bedeutet, ist wie bei Alkohol nicht exakt zuordenbar: Wer gelegentlich Cannabis konsumiert (maximal ein Konsum pro Woche) und dabei einen Joint mit einem Drittel Gramm Cannabis, das wiederum einen THC-Gehalt in Höhe von zehn Prozent hat, raucht, dessen Blut enthält in den meisten Fällen acht Stunden nach dem Konsum noch mehr als ein Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum.

Mick Jagger und Marianne Faithfull kommen von einer Polizeiwache zurück.
C. Maher via Getty Images

29. Mai 1969: Rolling-Stones-Sänger Mick Jagger fährt mit seinem Mercedes seine Freundin, die Sängerin Marianne Faithfull, von einer Polizeiwache zurück in die gemeinsame Wohnung. Die Polizei hatte das wegen Cannabisbesitz festgenommene Paar gerade gegen Kaution freigelassen.

Wen die Polizei bislang mit einem Nanogramm oder mehr THC pro Milliliter Blutserum hinterm Steuer erwischte, dem drohten ähnlich heftige Strafen wie nach der Neuregelung: Beim ersten Mal betrug das Bußgeld 500 Euro, es gab zwei Punkte in Flensburg und die Fahrerlaubnis war für einen Monat weg. Beim zweiten Mal waren 1.000 Euro Bußgeld fällig, es gab immer noch zwei Punkte und der Führerschein wanderte für drei Monate zur Polizei. Beim dritten Mal erhöhte sich das Bußgeld auf 1.500 Euro, Punkte und Fahrerlaubnis-Entzug blieben im Vergleich zum zweiten Verstoß unverändert.

Wann droht die MPU nach Cannabiskonsum?

Wer erstmalig mit zu viel Cannabis am Steuer auffällt, muss künftig nicht mehr sofort zur Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU). Die neue Fahrerlaubnisverordnung (FEV) sieht diese erst im Wiederholungsfall vor. Folge: Ersttäter erhalten derzeit trotz weit überschrittener THC-Grenzwerte nach altem Recht eingezogene Führerscheine zurück – ohne die MPU absolviert zu haben. "Die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens bei einer einmaligen Verkehrsteilnahme, auch mit einem deutlich überschrittenen Grenzwert, kann nicht erfolgen, sofern keine weiteren Tatsachen vorliegen, die einen künftigen Cannabismissbrauch vermuten lassen", heißt es dazu aus einer Fahrerlaubnisbehörde in Baden-Württemberg.

Führerschein-Risiko MPU

In jedem Fall ist die MPU eine große Gefahr für den Lappen: Im Rahmen dessen muss der Betroffene innerhalb von drei Monaten nachweisen, dass er kein Dauerkonsument ist. Dies ist nicht so einfach wie bei Alkohol, da sich die im Cannabis enthaltene psychoaktive Substanz THC nur sehr langsam, über Monate, im Körper abbaut – die Abbauprodukte sind noch über Wochen im Blut und über Monate im Urin nachweisbar. Der Betroffene muss aber nachweisen, dass er kein THC mehr im Blut hat – ansonsten besteht er die medizinischen Tests nicht, die der erste Teil der MPU sind (erst dann folgen der psychophysische Leistungstest und das psychologische Gespräch).

Verteilung der MPU-Untersuchungsanlässe im Jahr 2020
Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt)
Im Jahr 2020 mussten laut der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) 33 Prozent der MPU-Prüflinge wegen Fahrens unter dem Einfluss von Drogen oder Medikamenten zur Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU).

Die Nachweise kosten ebenso Geld wie die MPU selbst – eine in Bezug auf Drogenkonsum durchgeführte MPU schlägt mit circa 750 Euro zu Buche. Nach Angaben der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) haben im Jahr 2020 nur 55,7 Prozent der Drogen-MPU-Prüflinge die Prüfung im ersten Anlauf bestanden. 39,1 Prozent sind durchgefallen, 5,3 Prozent mussten zur Nachschulung. Da weniger als 56 Prozent der Prüflinge die MPU bestehen, ist der Führerschein mit circa 44-prozentiger Wahrscheinlichkeit erst mal weg, mit fast 40 Prozent sogar für richtig lange. Diese Gruppe gilt dann wegen Nichtbestehens der MPU als dauerhaft ungeeignet, ein Auto im öffentlichen Straßenverkehr zu bewegen.

Vergleich zu Alkohol

Im Vergleich zu THC baut sich Alkohol im Körper mit 0,1 bis 0,2 Promille pro Stunde rasend schnell ab. Außerdem ist bei Alkohol ein Promillewert von bis zu 0,49 erlaubt – außer der Fahrer zeigt vorher schon Ausfallerscheinungen. Über 0,5 Promille kennt der Gesetzgeber ebenso wie bei 1,0 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum kein Pardon: Die Strafen sind identisch. Allerdings erfolgt die Anordnung einer MPU meistens erst beim zweiten Verstoß und das Bestehen der medizinischen Tests als Teil einer MPU ist wegen des schnellen Alkoholabbaus im Körper deutlich wahrscheinlicher. Allerdings haben 2020 nur 50,8 Prozent der Alkohol-MPU-Prüflinge die MPU bestanden, 41,9 Prozent sind durchgefallen, 7,3 Prozent mussten zur Nachschulung. In der Praxis scheinen 2020 also mit 55,7 zu 50,8 prozentual mehr Kiffer als Alkoholsünder die MPU geschafft zu haben.

Anlassbezogene Aufschlüsselung der MPU-Ergebnisse in Prozent für das Jahr 2020

Anlassgruppe

geeignet

Kursempfehlung nach § 70 Fahrerlaubnis-Verordnung (FEV)

ungeeignet

Summe

Anteil

1.1 körperliche und geistige Mängel

69,5%

30,5%

318

0,4%

1.2 neurologisch-psychiatrische Mängel

45,0%

55,0%

80

0,1%

1.3 Auffälligkeit bei der Fahrerlaubnisprüfung

30,7%

69,3%

153

0,2%

2.1 Verkehrsauffälligkeiten

 

59,3%

0,1%

40,6%

13.050

15,5%

2.2 Sonstige strafrechtliche Auffälligkeiten

57,2%

0,1%

42,7%

2.971

3,5%

3.1 Alkohol erstmalig *

53,2%

8,5%

38,3%

21.923

26,1%

3.2 Alkohol wiederholt

45,4%

5,4%

49,2%

7.456

8,9%

4 Betäubungsmittel- und Medikamentenauffällige **

56,0%

5,5%

38,4%

24.193

28,8%

5.1 Alkohol + allgemeine Verkehrs- bzw. strafrechtliche Auffälligkeiten*

46,4%

3,8%

49,8%

2.920

3,5%

5.2 Alkohol + BtM/Medikamente**

54,0%

3,3%

42,8%

1.476

1,8%

5.3 allgemeine Verkehrs- + sonstige strafrechtliche Auffälligkeiten

54,1%

0,9%

45,0%

1.626

1,9%

5.4 BtM/Medikamente + allgemeine Verkehrsauffälligkeiten**

52,5%

3,4%

44,1%

1.897

2,3%

5.5 sonstige Mehrfachfragestellungen

48,9%

1,8%

49,3%

1.546

1,8%

6 §§ 10 und 11 FeV (Mindestalter)

93,7%

6,3%

3.847

4,6%

7 Bewerber um eine Fahrlehrererlaubnis und Fahrlehrerüberwachung

66,7%

33,3%

48

0,1%

8 sonstige Anlässe

48,3%

51,7%

513

0,6%

9 Gesamtsumme

56,0%

4,6%

39,4%

84.017

100%

* Alkohol-Fragestellung gesamt

50,8%

7,3%

41,9%

32.299

38,4%

** BtM-Fragestellungen gesamt

55,7%

5,3%

39,1%

27.566

32,8%

Quelle: Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt)

Gefährdet der Fahrer unter Alkoholeinfluss zudem den Straßenverkehr, gibt es schon ab 0,3 Promille Blutalkohol-Konzentration eine empfindliche Strafe: Drei Punkte in Flensburg, Entziehung der Fahrerlaubnis und eine Geld- oder sogar Freiheitsstrafe machen klar, wie ernst der Gesetzgeber so einen Verstoß nimmt. Die Geld- oder Freiheitsstraße ist beim Erreichen der absoluten Fahruntüchtigkeit (1,1 Promille) noch mal deutlich höher, hinzu kommt eine MPU bereits beim ersten Verstoß.

So sieht das Cannabis-Gesetz (kurz: CanG) allgemein aus:

  • Erwachsenen ist der private Eigenanbau von bis zu drei Cannabis-Pflanzen zum Eigenkonsum sowie der gemeinschaftliche, nicht-gewerbliche Eigenanbau zum Eigenkonsum in Anbauvereinigungen bzw. Genossenschaften erlaubt.
  • Der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis ist künftig straffrei.
  • Es gilt ein allgemeines Werbe- und Sponsoringverbot für Konsumcannabis und für Anbauvereinigungen.
  • Konsumverbot von Cannabis in einer Schutzzone von 200 Metern Abstand zum Eingangsbereich von Anbauvereinigungen, Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Kinderspielplätzen sowie in öffentlich zugänglichen Sportstätten.
  • Nicht-gewerbliche Anbauvereinigungen dürfen nur mit behördlicher Erlaubnis Konsumcannabis gemeinschaftlich unter aktiver Mitwirkung der Mitglieder anbauen und zum Eigenkonsum an Mitglieder weitergeben. Enge gesetzliche Rahmenbedingungen müssen eingehalten werden.
  • Anbauvereinigungen dürfen max. 500 Mitglieder haben; Mitglieder müssen Erwachsen sein und ihren Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland haben.
  • Einhaltung von strengen Mengen-, Qualitäts- sowie Kinder- und Jugendschutzvorgaben erforderlich, gesichert durch behördliche Kontrolle.
  • Begrenzung der Weitergabe von Konsumcannabis in Anbauvereinigungen: Weitergabe nur an Mitglieder, verbunden mit einer strikten Pflicht zur Überprüfung der Mitgliedschaft und des Alters – max. 25 Gramm pro Tag / 50 Gramm pro Monat.
  • Begrenzung der Weitergabe an Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren auf 30 Gramm pro Monat mit einer Begrenzung des zulässigen THC-Gehalts auf 10 Prozent.
  • Weitergabe von Konsumcannabis in kontrollierter Qualität und nur in Reinform, d.h. Marihuana oder Haschisch.
  • In begrenztem Umfang zulässiger privater Eigenanbau mit Pflicht zum Schutz des privat angebauten Konsumcannabis vor dem Zugriff durch Kinder und Jugendliche sowie Dritte.
  • Stärkung der Prävention: Präventionsmaßnahmen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) sowie in den Anbauvereinigungen; Information und Beratung durch Präventionsbeauftragte mit nachgewiesenen Sachkenntnissen und Kooperation mit lokalen Suchtberatungsstellen.

Der Bundestag hat auch Nachbesserungen am Cannabis-Gesetz beschlossen, die der Bund den Ländern zugesagt hatte. Um große Plantagen in Anbauvereinen ab 1. Juli zu verhindern, können Genehmigungen verweigert werden, wenn Anbauflächen oder Gewächshäuser in unmittelbarer Nähe anderer Vereine stehen. Ein gewerblicher Anbieter darf nicht mit mehreren Dienstleistungen beauftragt werden, um den "nichtgewerblichen Eigenanbaucharakter" zu sichern. Kontrollen sollen flexibler und "regelmäßig" statt "jährlich" erfolgen. Die Evaluation des Gesetzes wird auf Wunsch der Länder erweitert, um neben dem Kinder- und Jugendschutz auch die Besitz- und Weitergabemengen zu untersuchen. Zusätzlich soll die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) ein Weiterbildungsangebot für Suchtpräventionsfachkräfte entwickeln.

Umfrage
War es richtig von der Bundesregierung, den Verkauf von Cannabis zu legalisieren?
39361 Mal abgestimmt
Ja - die Entkriminalisierung von weichen Drogen war überfällig.Nein - psychoaktive Substanzen sollte es nur beim Arzt geben.

Fazit

Die Bundesregierung hat den Verkauf von Cannabis an Erwachsene legalisiert und Händler sowie Landwirte stellen sich bereits auf einen erhöhten Bedarf an THC-haltigen Produkten ein. Das im Cannabis enthaltene THC ist eine psychoaktive Substanz, die die Wahrnehmungsfähigkeit und das Reaktionsvermögen des Konsumenten verändert. Aus diesem Grunde ist die Kombination von Kiffen mit anschließendem Autofahren nicht ratsam. Wer sich dennoch unter Einfluss von Cannabis ans Steuer setzt, sollte den Grenzwert von 3,5 ng/ml nicht überschreiten. Sonst drohen hohe Geldstrafen und Fahrverbote – vor allem dann, wenn zusätzlich Alkohol im Spiel ist.

Wie beim Alkoholkonsum gilt auch beim Genuss von Cannabis: Wer die Finger komplett davon lässt, fährt am sichersten Auto und gefährdet am wenigsten andere und sich selbst. Außerdem ist er selbst bei unverschuldeten Unfällen auf der sicheren Seite. Erwischen Polizisten nämlich jemanden mit mehr THC im Blut als erlaubt, melden sie das der Fahrerlaubnisbehörde – und dann ist der Führerschein unabhängig davon weg, ob derjenige tatsächlich ein Auto gefahren hat. Die Zahl solcher Anzeigen könnte immerhin im Zuge der Legalisierung von Cannabis sinken – warum sollte man jemanden auf Cannabis-Konsum untersuchen, wenn das erlaubt ist?

Die aktuelle Ausgabe
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Erscheinungsdatum 10.09.2024

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