Der Dacia-Verkäufer in dem Bonner Autohaus strahlt: "Die Fahrzeuge werden uns aus der Hand gerissen. Allein im Januar haben wir 30 Stück verkauft." Was die Lieferzeit für das Modell Sandero (ab 6.990 Euro) betrifft, solle man sich keinen Illusionen hingeben. "Zehn bis zwölf Wochen kann es dauern, bis Sie den Wagen haben."
Die Szene ist typisch für Dacia, den rumänischen Autohersteller, der seit zehn Jahren zum französischen Renault-Konzern gehört. Nicht nur in Europa, sondern auch auf anderen Kontinenten fahren Kunden auf die preisgünstigen Modelle ab. Im vergangenen Jahr stieg der Gesamtabsatz von Dacia auf fast 1,1 Millionen Einheiten. Dabei streben die Dacia-Automobile weder nach Schönheitspreisen noch Hightech-Auszeichnungen. Sie sind vor allem günstig.
Das passt, denn die Nachfrage nach Billigautos boomt. Nach Zahlen des Marktforschers IHS Automotive werden die Autobauer 2020 weltweit 11,5 Millionen Fahrzeuge im Einstiegssegment (bis 11.000 US-Dollar) fertigen – vergangenes Jahr waren es neun Millionen. Der Markt für Billigautos verspricht den großen Autounternehmen Wachstum. Wer nicht mitmacht, wird eines Tages von der Konkurrenz abgehängt. "Ein Volumenhersteller, der wachsen will, muss im Billigsegment vertreten sein", sagt Marcus Berret, Automobilexperte der Unternehmensberatung Roland Berger.
80 Prozent Wachstum in Spanien
Der Zuwachs kommt zum einen aus den Industrieländern, wo das Portemonnaie beim Autokauf nicht mehr so locker sitzt wie früher. "In den von der Schuldenkrise betroffenen Staaten Spanien und Griechenland können viele Konsumenten nicht mehr 10.000 Euro für ein Auto bezahlen", so Peter Fuß von der Unternehmensberatung Ernst & Young. Sie steigen um auf Billigautos. In Spanien stieg der Absatz von Dacia 2013 um 80 Prozent auf 32.288 Einheiten.
Wer ein neues Auto haben will, orientiert sich im unteren Preisbereich. "Die magische Grenze für ein Billigauto liegt heute bei 6.000 bis 7.000 Euro", stellt Stefan Bratzel vom Center of Automotive (CoA) in Bergisch Gladbach fest.
Der günstige Preis sagt keineswegs etwas über die Größe des Fahrzeugs aus. "Billigauto heißt nicht Kleinstwagen", meint Berater Fuß. Die meisten haben vier Türen und sind so groß, dass eine Familie darin Platz findet. Die Industrieländer sind für Billiganbieter ein kleiner Markt im Vergleich zu Wachstumsregionen wie China oder Indien. Nach Schätzung von Roland Berger wird der Markt für Billigautos in beiden Ländern bis 2020 um mehr als 50 Prozent wachsen – ähnlich wie in anderen Gegenden, wo die Einkommen niedrig sind, der Wohlstand aber zunimmt und der Wunsch nach dem eigenen Wagen wächst.
Billigautos asiatischer Hersteller im Fokus
Die japanische Renault-Tochter Nissan belebt die Kultmarke Datsun wieder, um damit im Billigsegment zu punkten. Der französische Hersteller PSA setzt große Hoffnungen in den Peugeot 301. Die kompakte Limousine wird in Spanien gefertigt und bereits in der Türkei verkauft. Sie soll auch in Asien und Osteuropa Käufer finden. Chinesische Hersteller wiederum sind im Billigsegment ihres Heimatlandes aktiv. Limousinen wie der Great Wall C30 und der BYD F3 kosten dort in einfacher Ausführung umgerechnet rund 7.000 Euro.
In Indien wirbt der südkoreanische Autobauer Hyundai mit dem Xcent um Kunden. Der japanische Rivale Toyota bietet das Modell Etios in Indien ab umgerechnet etwa 6.000 Euro an. Den Markt haben andere schon lange entdeckt. Bei den Billigautos sitzt der japanische Hersteller Suzuki mit den Kleinwagen der indischen Tochter Maruti fest im Sattel.
Suzuki ist ein interessanter Partner für jeden Konzern, der noch nicht im Billigsegment vertreten ist. Vor knapp fünf Jahren schloss VW deshalb eine Allianz mit dem japanischen Konzern, um gemeinsam preisgünstige Kleinwagen zu entwickeln. Doch die Partner zerstritten sich. Jetzt arbeitet VW allein an einem Billigauto, das frühestens in drei Jahren kommen wird.
VW muss ähnliche Herausforderungen meistern wie andere Autobauer, die in das neue Segment vorstoßen. Mit Billigautos Geld zu verdienen ist eine Kunst. Das fängt beim Einkauf der Teile an. "Man muss in völlig neuen Zusammenhängen denken", sagt Autoexperte Bratzel. Egal ob Motor, Chassis, Getriebe oder Elektronik – alle Komponenten müssen extrem kostengünstig gefertigt sein, am besten von Zulieferern aus dem Land, in dem das Auto hergestellt wird.
Schwierige Aufgabe für Hersteller wie VW
Das ist nicht einfach für den VW-Konzern, der sich als Hersteller hochwertiger Autos sieht. Die Führung glaubt, dass eine zu simple Ausstattung oder Qualität den Ruf des Konzerns beschädigen würden. Deshalb will VW eine eigene Marke schaffen, die voraussichtlich ab 2017 auf dem chinesischen Markt eingeführt werden soll. In weiteren Regionen wie Indien oder Lateinamerika würden die Billigautos unter einer neuen Marke herauskommen und den Bedürfnissen der Kundschaft angepasst. Chinesen lieben große Autos mit weichen Sitzen, was Indern nicht so wichtig ist.
In China stehen für VW komplexe Gespräche an. Dort dürfen ausländische Hersteller nur mit einheimischen Firmen gemeinsam Autos bauen. VW arbeitet mit den chinesischen Anbietern SAIC und FAW zusammen. Mit einem der beiden Konzerne wird VW voraussichtlich das Billigauto bauen. Beide Partner sind aber schon mit eigenen Fahrzeugen in diesem Segment unterwegs. SAIC etwa bietet mit GM und dem chinesischen Hersteller Wuling ein Einsteigermodell für den chinesischen Massenmarkt an. Jede weitere Marke wäre da zusätzliche Konkurrenz.
VW wolle auf jeden Fall ein werthaltiges Billigauto bauen, heißt es aus dem Konzern. Mahnendes Beispiel ist das Schicksal des Nano. Der indische Hersteller Tata brachte das Auto vor sechs Jahren für weniger als 2.000 Euro auf den Markt – unschlagbar billig, aber nur mit dem Nötigsten versehen. Qualität und Fahrspaß blieben auf der Strecke. Die Verkaufszahlen hoben nie richtig ab.
Die Anforderung ist klar: so gut wie nötig, so billig wie möglich. Auf die Balance kommt es an. Der Verkauf von Billigautos muss schließlich Gewinn abwerfen. Denn die Marge pro Auto ist niedrig. "Es ist deshalb wichtig, dass möglichst viele Gleichteile verwendet werden", sagt Willi Diez, Chef des Instituts für Automobilwirtschaft Nürtingen-Geislingen.
Dacia mit neun Prozent Marge im Bereich der Billigautos
VW ist zwar ein Meister des Baukastenprinzips. Fast alle Teile sind konzernweit standardisiert, einen Billigbaukasten muss VW aber erst noch aufbauen. Wie gut das klappen kann, zeigt Dacia. Der Hersteller baut seine Billigautos in Rumänien und Marokko auf Altplattformen von Renault. In einigen Ländern sind Dacia-Modelle sogar mit Renault-Label unterwegs. Das spielt Gewinn ein, den der angeschlagene französische Konzern brauchen kann.
Laura Lembke, Analystin der Investmentbank Morgan Stanley, schätzt, dass Dacia mehr als eine Milliarde Euro Vorsteuergewinn pro Jahr macht – eine Umsatzrendite von neun Prozent. Selbst Premiumhersteller liegen oft darunter. Lembke ist überzeugt, dass Dacia in den kommenden Jahren im Schnitt 80 Prozent des Vorsteuergewinns von Renault liefern wird. Vorausgesetzt die Autos bleiben billig und die Kunden willig.