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Tesla unterliegt im Kamerastreit vor Gericht
Tesla gibt Unterlassungserklärung ab

Tesla hat im Streit um seinen Wächtermodus eine juristische Niederlage erlitten. Der US-Hersteller musste vor Gericht eine Unterlassungserklärung abgeben.

"Kameraüberwachung von Dritten ohne deren Wissen, das geht nicht", sagt VZBV-Vorständin Ramona Pop mit Blick auf Teslas Wächtermodus, der eigentlich als Diebstahlschutz konzipiert ist. Nach seiner Aktivierung zeichnen Kameras permanent die Umgebung eines geparkten Autos auf, die Bilder können aus der Ferne per App auf dem Smartphone angesehen werden.

Verbraucher könnten den Wächtermodus laut Pop nicht "ohne massive Datenschutzverstöße nutzen" und würden sogar Bußgelder riskieren. "Diese Information hat in der Werbung für den Wächtermodus gefehlt", so die VZBV-Vorständin.

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Auch Datenschutzbeauftragte einzelner Bundesländer halten den Wächtermodus wegen seiner permanenten und anlasslosen Umgebungsaufzeichnung für rechtswidrig.

Bedienungsanleitungs-Hinweis reicht nicht

Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Thomas Fuchs kritisiert, dass laut Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) bisher nur die Nutzer solcher Systeme – also die Verbraucher – den Datenschutz einhalten müssten.

Datenschützer Thomas Fuchs gegenüber auto motor und sport: "Die DSGVO sollte auch Hersteller zur Einhaltung des Datenschutzes verpflichten." Bisher würden diese in der DSGVO lediglich ermutigt, "Datenschutz schon bei der Entwicklung zu berücksichtigen und sicherzustellen, dass die verantwortlichen Nutzer dieser Systeme ihren Datenschutzpflichten nachkommen können."

BMW bietet einen ähnlichen Service wie Tesla an. Die Münchener geben auf ihrer Website an, dass der Kunde vor Nutzung darauf hingewiesen werde, die geltenden Gesetze zu beachten. Zudem könne er die Rundumsicht höchstens dreimal innerhalb von zwei Stunden abrufen, um Missbrauch vorzubeugen. Die BMW Group habe keinen Zugriff auf die Daten.

Berliner Polizei sieht Wächtermodus kritisch

Modelle von Tesla sind als hochmoderne Elektroautos Teil der digitalen Welt – mit all ihren Vor- und Nachteilen. Aus Verbrauchersicht zumindest teilweise nachteilig ist die Datensammelwut von Tesla – da unterscheidet sich der amerikanische Autohersteller kein bisschen von diversen Smartphone- und Softwareanbietern. Alle aktuellen Tesla-Modelle können ihre komplette Umgebung im Stand und während der Fahrt per Kamera überwachen. Die Bilddaten landen in Speichern und sind für den Konzern jederzeit abrufbar. Dies hat jetzt die Berliner Polizei auf den Plan gerufen: Zuerst hieß es, Tesla-Fahrer dürfen mit ihren Autos nicht mehr die Liegenschaften der Behörde befahren oder gar ihre Fahrzeuge dort abstellen. Jetzt teilt die Behörde mit, dass man ein solches Verbot erst vorbereite und dass dieses Verbot dann für alle Fahrzeuge gelte, die mit Kameras ausgerüstet sind.

Tesla filmt im Sentry Mode
Teslaffinity / https://www.youtube.com/watch?v=aTYdR42DeB4
Hier filmt ein Tesla im Überwachungsmodus einen Mann, der im Vorbeigehen den Lack des Teslas mit einem Schlüssel zerkratzt.

Sicherheitsrelevante Gefährdung

Wie die BZ Berlin berichtet, hat der für das Polizeipräsidium und das Landeskriminalamt zuständige Sicherheitschef ein Befahr-Verbot für Tesla-Fahrzeuge angeordnet. In einem internen Rundschreiben vom Mittwoch betont der Sicherheitschef, dass von den Fahrzeugen "eine sicherheitsrelevante Gefährdung für Mitarbeitende, Dritte (Sicherheit und Datenschutz) sowie die Liegenschaften der Polizei Berlin (Objektsicherheit)" ausgehe. Am Donnerstag gab Pressesprecher Thilo Cablitz an, dass das Rundschreiben mit dem Begriff "Verbot" im Vorgriff herausgegangen sei – aktuell gäbe es noch kein Verbot. Zweck des Schreibens sei eine Sensibilisierung für das Thema gewesen.

Permanente Videoaufzeichnungen

Hintergrund des Schreibens ist, dass die Berliner Polizei Anfang Januar erfahren hat, dass "sämtliche Fahrzeugmodelle des Herstellers Tesla permanent ereignisunabhängige Videoaufzeichnungen des gesamten Fahrzeugumfeldes anfertigen und diese Aufnahmen ausleiten". Die gesammelten Daten werden dann "auf im Ausland (Niederlande) befindlichen Servern der Firma Tesla dauerhaft gespeichert". Was Tesla im weiteren Verlauf mit den gespeicherten Daten macht, erfahren die datenliefernden Autofahrer nicht. Der Berliner Polizei-Sicherheitschef betont, dass man bei Tesla die Daten anfordern kann – über deren Weitergabe entscheide aber ausschließlich der Konzern. Andererseits sei einzig und allein die Polizei für die Einhaltung des Datenschutzes auf ihren Liegenschaften verantwortlich.

Tesla filmt im Sentry Mode
Teslaffinity / https://www.youtube.com/watch?v=aTYdR42DeB4
Teslas Sentry Mode in Aktion: Auch hier erwischt die Kamera eine Frau, die den Lack des Autos mit einem Schlüssel zerkratzt. In Deutschland wäre die Kameraüberwachung auf einem öffentlichen Parkplatz aus Datenschutzgründen illegal.

Spezielle Abstell-Bereiche für Teslas?

Die Pressestelle der Berliner Polizei hat auf Nachfrage allerdings konkretisiert, dass die einzelnen örtlichen Direktionen im Falle eines Verbotes selbst prüfen müssten, wie sie mit Fahrzeugen von Tesla umgehen. Es gibt bereits Vorschläge, spezielle Bereiche für Teslas zu schaffen, wo deren Überwachungssysteme keine sicherheitsrelevanten Informationen über beispielsweise Zivilermittler, Spezialkräfte, Zivilfahrzeuge inklusive deren Kennzeichen und Munitionsbunker sammeln können. Zudem arbeitet die Polizei an Vorgehensweisen zum Umgang mit beschlagnahmten Teslas. Für eine Blockade der Kamera-Sicht sind beispielsweise Abdeckplanen im Gespräch.

Illegale Überwachung von öffentlichen Räumen

Bei der Tesla-Überwachungstechnik geht es speziell um den Sentry Mode (Wächtermodus). Diesen kann der Fahrer jederzeit aktivieren, er überwacht auch das stehende Fahrzeug. Zudem kann sich der Fahrer per App in die Systeme des Fahrzeugs einloggen und sich die Kamerabilder anschauen – dann ist das Auto eine bewegliche Überwachungskamera. Was in Teslas Herkunftsland USA rechtlich eher unproblematisch ist, ist hierzulande auf öffentlichen Grundstücken verboten: Keine Privatperson hat das Recht, öffentliche Räume mit Kameras zu überwachen. Wer das trotzdem macht, dem droht ein Bußgeld.

Behörden nutzen Tesla-Daten

Andererseits profitieren Ermittlungsbehörden auch von Teslas Überwachungs- und Datensammelwut. Bisher hat der Konzern von der Polizei angeforderte Daten vorbehaltlos herausgerückt und damit die Überführung seiner eigenen Kunden erleichtert – immer mit dem Hinweis, dass jeder Autofahrer selbst für die Einhaltung der Gesetze zuständig ist. Auch im datenschutzrechtlichen Sinne vermeintlich illegal aufgezeichnete Bilder oder Filme haben Behörden und Gerichte schon für die Wahrheitsfindung herangezogen – die vermeintlich illegale Überwachung ist dann Teil eines gesonderten Verfahrens.

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Fazit

Tesla hat vor Gericht eine Unterlassungserklärung abgegeben und sich darin verpflichten müssen, seine Werbung für den "Sentry Mode" zu ändern. Der bloße Hinweis in der Bedienungsanleitung, dass der Fahrer die alleinige Verantwortung für den Einsatz des Wächtermodus trage, reicht nicht. Damit könnten für Tesla neue Zeiten anbrechen – auch bei Unfällen unter Einsatz des Assistenzsystem-Pakets Autopilot schiebt Tesla die Verantwortung routinemäßig per Hinweis auf die Bedienungsanleitung von sich. Eine Verhaltensänderung müssen bei dem ehemaligen Auto-Start-up anscheinend Gerichte erzwingen. Die Autokonzerne haben ein immenses Interesse an den Daten ihrer Fahrer und werden somit nicht freiwillig auf die Installation von Datensammel-Technik verzichten.

Auch die Berliner Polizei hat die mögliche Wirkung von Tesla-Fahrzeugen als mobile Überwachungsstationen längst erkannt und denkt laut darüber nach, mit Kameras ausgerüsteten Fahrzeugen ein Befahren ihrer Liegenschaften zu verbieten. Schließlich könnten solche Fahrzeuge mit ihren Kamerasystemen sicherheitsrelevante Daten zu beispielsweise Zivilfahndern und deren Fahrzeugen, Spezialkräften und Munitionsbunkern ausspionieren.

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AUTO MOTOR UND SPORT 14 / 2024

Erscheinungsdatum 20.06.2024

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