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Auto kaputt? Ab ins Gefängnis!
Schnäppchen-Reparatur im Knast

Der Motor springt nicht an? Ab ins Gefängnis! In den dortigen Werkstätten kommen Autos wieder auf die richtige Bahn. Und die Gefangenen natürlich auch. Hinter Gittern lernen sie Autoberufe und die Kunden bekommen meistergeprüfte Qualität zum kleinen Preis.

Gebrauchtwagentour JVA-Werkstätten
Foto: Claudius Maintz

Eric beugt sich über den Motorraum der C-Klasse. Mit geübten Griffen hantiert der 27-Jährige im Motorraum. Gerade baut er einen neuen Abgaskrümmer ein. "Für mich eine gewohnte Arbeit", sagt Eric, der in Wirklichkeit anders heißt und sich schon immer begeistert hat "für alles, was mit Motoren zu tun hat".

Sein echter Name darf hier nicht stehen, das könnte Erics Neustart in Freiheit gefährden. Denn der junge Mann mit der dicken Brille schraubt hinter Gittern – in der Auto-Werkstatt der Justizvollzugsanstalt Nürnberg. Dreieinhalb Jahre Haft wegen Betrugs muss er theoretisch absitzen – weil er im Internet Waren angeboten hat, die er gar nicht besaß. "Wenn ich Glück habe, sind davon jetzt noch 21 Monate. Läuft es schlecht, bleibe ich drei Jahre", sagt der junge Familienvater. Nach der Entlassung plant er, seine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker draußen fortzusetzen. "Ich will nicht nur Schlechtes aus dem Gefängnis mitnehmen", sagt er.

Das große Gebrauchtwagen-Spezial
Gebrauchtwagentour JVA-Werkstätten
Claudius Maintz
Unter Aufsicht von KFZ-Meister Oli Schmidtmeier tauscht ein Insasse der Justizvollzugsanstalt Nürnberg der Auspuffkrümmer dieses Mercedes.

Geräte auf aktuellem Stand

Acht Gefangene hantieren an diesem Morgen in der großen Werkstatthalle, die mit moderner Technik ausgestattet ist. Darunter eine Hebebühne bis 4,5 Tonnen und eine, die sich für Scheinwerfereinstellungen automatisch ausrichtet. Die Gefängnis-Insassen sollen auf dem aktuellsten Stand geschult werden, um nach ihrer Entlassung draußen optimale Bedingungen für ihre Resozialisierung zu haben.

"Das geht nur mit Technik von heute", sagt Kfz-Meister und Betriebsleiter Oli Schmidtmeier. Die meisten seiner Schützlinge haben Vorkenntnisse: meist eine Lehre angefangen, dann straffällig geworden, Job verloren. In Haft können sie die Ausbildung fortsetzen und sogar beenden.

Selbst wenn die Haftzeit zu kurz für eine komplette Ausbildung ist, lässt sich mit dem hinter Gittern Gelernten "draußen" Geld verdienen. "Mit dem Modul Reifenwuchten können Entlassene etwa bei Reifenhändlern arbeiten", sagt Oli Schmidtmeier. Der 38-Jährige will den Insassen nicht nur Technisches, sondern auch Grundsätzliches vermitteln. "Draußen ist oft verloren gegangen, dass man seinen Lebensunterhalt durch Arbeit bestreiten muss", sagt er.

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Claudius Maintz
Moderne Technik für eine moderne Ausbildung: Eine selbstnivellierende Hebebühne zur korrekten Scheinwerfereinstellung findet sich heute in den meisten Werkstätten. Darum darf sie auch in der Gefängniswerkstatt nicht fehlen.

In Haft sind Gefangene verpflichtet, sich zu betätigen. Und die Beschäftigung hilft ihnen auch, die für sie oft schwierige Zeit besser über die Bühne zu bringen. "Der Tag geht schneller rum in der Werkstatt", erklärt Schmidtmeier. An diesem Morgen ist der TÜV im Haus – wie jeden Mittwoch. Kunden müssen ihre Autos schon am Montag davor abgegeben haben, damit HU-relevante Mängel vorher behoben werden können. Im Gefängnis dauert ohnehin alles etwas länger – die Häftlinge lernen noch, und die drei angestellten Kfz-Meister überprüfen ihre Arbeit laufend. Ein weiterer "Bremsklotz": Gesundheit und Konzentrationsfähigkeit vieler Gefangener haben durch jahrelangen Drogenkonsum gelitten. "Wir machen daher alles Schritt für Schritt", sagt Hauptwerkstattmeister Schmidtmeier.

Die Gründlichkeit ist von Vorteil – aber eben auch ein Zeitfresser. Was sich auf der Kundenrechnung allerdings nicht bemerkbar macht. Die Werkstatt richtet sich nach den Zeitvorgaben der Hersteller.

Wirtschaftlich unabhängig

Unnötige Reparaturen bekommen Kunden hinter Gittern nicht aufgeschwatzt. Der Freistaat Bayern trägt alle Kosten, wie etwa Investitionen in neue Geräte. Die Werkstätten sind dadurch wirtschaftlich unabhängig. "Wir schaffen trotzdem immer ein leichtes Plus", sagt Werkstattchef Schmidtmeier. Das entlastet den Steuerzahler.

Auch wenn die Knast-Betriebe angeben, sich an marktüblichen Preisen zu orientieren – unterm Strich sind sie oft deutlich billiger als Mitbewerber jenseits der Gefängnismauern (siehe Preisbeispiel übernächste Seite). Mit rund 40 Euro liegen die Stundenverrechnungssätze fast hundert Euro unter dem Bundesdurchschnitt von 133,14 Euro, den die Prüforganisation Dekra in Stichproben ermittelt hat. Und manchmal wird – wie in Nürnberg – nicht einmal Mehrwertsteuer fällig.

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Claudius Maintz
Sie stehen für die Qualität der Werkstattarbeit, ebenso wie für die der Ausbildung. Die drei Kfz-Meister Oli Schmidtmeier, Kim Klausfelder (im Bild mit Metalldetektor) und Michael Neubauer leiten die Nürnberger JVA-Werkstatt.

Der Verband des Kraftfahrzeuggewerbes in Bayern sieht in den niedrigeren Preisen dennoch keine Wettbewerbsverzerrung. "Das müssen wir aushalten", sagt Präsident Albert Vetterl, der zugleich Landesinnungsmeister ist. "Wichtiger ist das Menschliche: dass jemand, der einen Fehler gemacht hat, wieder Boden unter den Füßen bekommt." Zudem könne seine Branche von den gut ausgebildeten Kräften profitieren. "Wir kämpfen heute um jeden Kopf", so Vetterl.

Dass neben den Reparaturarbeiten auch die Ausbildung in der Regel hochwertig ist, zeigt ein Blick nach Baden-Württemberg. In der JVA Adelsheim schloss ein Häftling unter 200 Prüflingen als Innungsbester seiner Kammer ab, fing direkt nach der Entlassung bei einem süddeutschen Autohersteller als Geselle an. "Es war sicherlich nicht immer einfach, aber ich habe die Ausbildungszeit genossen und kontinuierlich dazugelernt", zitiert die JVA den Preisgekrönten in einer Pressemitteilung.

Arbeitssprache ist Deutsch

Nicht immer läuft der Arbeitsalltag so glatt wie im normalen Leben. Oli Schmidtmeier nennt ein Beispiel: "Vielleicht hat die Ehefrau beim Besuch was Komisches gesagt. Der Gefangene kann nicht direkt nachfragen, und im Kopf dreht es sich. Ich merke schon am Schlagschraubergeräusch, ob was nicht stimmt." Arbeitssprache ist aus Sicherheitsgründen oft Deutsch. Auch wenn die Gefangenen sich untereinander in anderen Sprachen unterhalten könnten.

Die Justizbediensteten müssen stets die Übersicht behalten. Deshalb kontrollieren sie jedes Fahrzeug genau, das von draußen durch die Sicherheitsschleuse rollt. Medikamente, Speichermedien, Wertgegenstände, persönliche Daten, Schlüssel und Handykabel zum Beispiel dürfen gar nicht erst mitgebracht werden. Und das Auto muss aufgeräumt und leicht kontrollierbar sein. "Wir wollen die Axt gleich sehen", bringt Oli Schmidtmeier es mit einer Prise Humor auf den Punkt. Gar nicht erst auf das Gelände kommen Tesla – die Live-Kameras an Bord werden als Sicherheitsrisiko eingestuft.

In Bayern sind elf JVA-Autowerkstätten für jedermann zugänglich – mehr als in anderen Bundesländern. In Lübeck (Schleswig-Holstein) liegt Deutschlands nördlichste. Hier werden vor allem Behördenfahrzeuge instand gesetzt. Für Privatleute wird in erster Linie Fahrzeugpflege angeboten – und gelegentlich auch Wartungen wie Öl- oder Reifenwechsel. Voraussetzung: Es sind genügend Gefangene vor Ort, die ausreichend geeignet sind.

Für eine ganze Ausbildung sind die Häftlinge oft zu kurz da, können sich aber teilqualifizieren und zum Beispiel später bei Autopflege-Betrieben arbeiten.

Auch im hohen Norden wird geschraubt und gewienert

Um in der Lübecker Gefängnis-Werkstatt schrauben oder polieren zu dürfen, müssen die Insassen "drogenfrei sein, ausreichend Deutsch sprechen und Interesse am Beruf mitbringen", sagt Marco Steffen, der als Kfz-Meister die Ausbildung leitet und wie seine Nürnberger Kollegen jeden Schritt überwacht.

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Claudius Maintz
Verantwortlich für die Autowerkstatt im Lübecker Gefängnis ist Marco Steffen. Auch er ist Meister und überwacht hier die gründliche Innen- und Außenreinigung eines VW T3. Kostenpunkt: 55 Euro.

Wichtig ist das vor allem, wenn Schrauben mit dem richtigen Drehmoment angezogen werden müssen. "Dann stehe ich immer daneben", sagt Steffen, "sonst könnte ich nachts nicht ruhig schlafen." Reklamationen gebe es fast nie. Und wenn doch, bittet er um Nachsicht. Etwa, wenn bei einem frisch geputzten Cabrio am Verdeck etwas Grünspan übersehen worden ist. Das wird dann sofort nachgebessert. "Die Leute wachsen mit ihren Aufgaben", sagt Marco Steffen.

Ein gutes Beispiel hierfür ist ein Ehemaliger, der die Lübecker Gefängnismauern als Geselle hinter sich gelassen und im Anschluss im offenen Vollzug die Meisterschule besucht hat. "Er ist eine Beziehung eingegangen und führt jetzt ein straffreies Leben", berichtet Steffen.

Doch das ist nicht immer so. Manfred Zenger hat die Nürnberger Gefängnis-Werkstatt bis zu seiner Pensionierung vor zwei Jahren geleitet, schaut noch regelmäßig vorbei. "Bei jedem Besuch sehe ich einen alten Bekannten wieder", sagt er.

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Fazit

Nicht alle Knastwerkstätten bieten die gleichen Leistungen. Einige führen nur gängige Reparaturen durch, andere auch komplizierte Eingriffe. Wagenpflege wird häufig ebenfalls angeboten. Unterm Strich stellen sie alle eine Win-win-Situation dar. Im Strafvollzug dienen die Werkstätten als Resozialisierungsmaßnahme, die Kunden freuen sich über hochwertige Reparaturen zum unschlagbaren Preis.

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Erscheinungsdatum 26.09.2024

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